WiWi Gast schrieb am 03.12.2020:
Kannst du deine Insights zu den Gehaltsperspektiven eines Arztes teilen? Klinik und Eugene Praxis?
Klar. Allerdings nur insofern, dass es, trotz der Tarifbindung, große Unterschiede zwischen den Häusern und den Abteilungen gibt.
Grundlage ist, für Assistenz- und Fachärzte, der Tarifvertrag. Den Link für Unikliniken habe ich mal beigefügt.
https://oeffentlicher-dienst.info/aerzte/uniklinik/
Hinzu kommen einige hundert Euro für Dienste und - sehr selten - ausbezahlte Überstunden. Regel ist noch immer, dass man Überstunden nicht aufschreiben darf; das doch zu tun ist einer der Shortcuts auf das oben erwähnte Abstellgleis ;) Dann wirst du in der entsprechenden Klinik meist nicht einmal Facharzt, weil die Verträge oft auf 1 - 3 Jahre befristet sind.
Wie viel dann am Ende rumkommt kann man nicht sagen, weil nicht nur die Zahl. sondern auch die Vergütung der Dienste sich von Abteilung zu Abteilung unterscheidet und meistens ziemlich undurchsichtig ist. Ein Bekannter von mir hat schon Monate mit über 5000€ gehabt, allerdings hat der da auch konsequent jeden Samstag 24h Dienst in der Inneren geleistet (in einem Haus mit Korporationsvertrag mit einer Uniklinik, so dass die Uni-Ärzte im kleinen Haus Dienste leisten dürfen, die sehr gut bezahlt werden) und war schon im 7. Jahr als Assistenzarzt. Regel ist eher etwas über 3000€ am Anfang und knapp unter 4000€ am Ende der Facharztausbildung (netto, Steuerklasse I; es macht übrigens, aufgrund der steuerlichen Sonderbehandlung der Dienste, wenig Sinn, bei Assistenzärzten von Bruttogehältern zu sprechen).
Auch als Facharzt macht das Gehalt dann keine wesentlichen Sprünge mehr. Um das zu sehen muss man im Tarifrechner oben nur von "Ä1 Stufe 6" auf "A2 Stufe 1" gehen. Ein richtiger Gehaltssprung kommt dann erst für den Oberarzt. Anders als oft behauptet ist der Sprung zum Oberarzt nicht selbstverständlich, und auch, dass man da außertariflich verhandeln könne stimmt nicht immer. Ich kenne da auch Beispiele, die in Maximalversorgern für den Tarifvertrag knechten. Generell ist die Spanne bei den Oberärzten aber deutlich größer, durch individuelle Verträge, durch unterschiedliche Vergütung von Rufbereitschaften etc. Der Tarifvertrag - etwa 100.000€ brutto - ist hier die Untergrenze. 150.000€ werden eigentlich selten überschritten. Aber wie gesagt: Der Sprung ist nicht selbstverständlich, und es gibt auch "Funktionsoberärzte" Ende 40, die so viel verdienen wie ein Facharzt, aber die Verantwortung eines Oberarztes haben.
Bei der Niederlassung tut sich nun nun, nach Fachrichtung, Größe, Ort die komplette Bandbreite auf, von der fast defizitären pädiatrischen Praxis im Problemviertel hin zum niedergelassenen Neurochirurgen in der Nähe der Schweiz, der vorzugsweise Schweizer Privatpatienten operiert, und sicher auf eine halbe Millionen kommt. Fakt ist aber leider, dass die "echte" Niederlassung immer schwieriger wird, weil einige unternehmerisch gesinnte Ärzte die für die Niederlassung erforderlichen Kassenzulassungen aufkaufen und die Ärzte dann anstellen. Auch Private-Equity-Fonds haben dieses Geschäft schon für sich entdeckt. Insgesamt muss man damit rechnen, selbst für eine allgemeinmedizinische Praxis mit guter Location schon gut 300 TEUR auf den Tisch zu legen. Spezialistenpraxen sind noch einmal deutlich teurer. Das heißt, man ist die ersten 10 Jahre der Niederlassung - die kaum vor dem 40. Lebensjahr erfolgt, wenn man nicht Allgemeinmediziner ist - damit beschäftigt, den Kredit abzubezahlen, der notwendig war, um die eigene Niederlassung zu finanzieren. Und das alles mit dem Risiko, dass die Politik nicht irgendeinen Bockmist beschließt, und dich arm macht. Aber ja, die Niederlassung lohnt sich dennoch meistens. In der Klinik zu arbeiten nicht.
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