Ich wundere mich permanent warum beim Thema Tesla kontinuierlich jede Rationalität auszusetzen scheint - und zwar in beide Richtungen.
Kann sich jemand vorstellen, dass je ein deutsches Unternehmen so dermaßen gefeiert würde, exorbitante Marktkapitalisierung erreicht, praktisch einen Kult um die Marke und seinen CEO erzeugt wird, während das Unternehmen nahezu nie Geld verdient hat aber Unmenge verbrannt hat, und die Aussicht darauf jemals viel zu verdienen eher gering sind?
Man kann doch mal die Chancen und Zukunftsperspektiven des Unternehmens nüchtern betrachten:
Der Markt für Elektroautos ist bis auf einige Länder der Welt praktisch noch nicht existent, und in den Ländern oft auch nur künstlich kreiert durch Subventionen. In Deutschland – einem der stärksten Automobilmärkte der Welt liegt der Anteil von E-Fahrzeugen bei unter 1% und die Verkaufzahlen sind kaum besser.
Dennoch wird wohl kein Weg an der Elektrifizierung vorbeigehen, ob das nun gut ist oder nicht
Tesla hat sicherlich einen gewissen Vorsprung in Teilbereichen - womöglich vor allem im Akku. Während ein Großteil der Entwicklungsausgaben deutscher OEMs traditionell in den Motor gingen, ist dieser Bereich in der Zukunft bei weitem nicht mehr so wichtig.
Die Frage jedoch ist: Ist man gut damit berater als Automobilhersteller Akkus selbst zu produieren, oder können das speialisierte Anbieter nicht (irgendwann) besser und günstiger. Sieht man sich die doch sehr schwachen Qualität und Produktivität in der Produktion bei Tesla an, muss man sich fragen, ob gerade dieses Unternehmen im Bereich der Akkuproduktion unbedingt das Effizienteste sein wird
Man kann sicherlich denken, dass sich die deutschen Anbieter in eine Abhängikgeit bringen, wenn sie ganz bei der Akkuproduktion außen vorbleiben würden. Ob das der Fall sein wird, ist nicht ganz klar. Aber vielleicht werden LG und co. die besseren Zellen und Akkus produzieren. Wie blöd steht dann Tesla da, wenn sie eine riesige Inhouse Produktion haben, die aber in 10 Jahren nicht mehr das bessere Produkt abwirft. Ich bin kein Akku Expere, ich weiß es nicht
Wonach werden Kaufentscheidungen beim Auto getroffen? Das ist je nach Käuferschicht und Klasse unterschiedlich.
In vielen Bereichen spielt Design/Styling eine große Rolle. Amerikanische Autos stehen in Europa nicht unbedingt im Ruf, hier besonders gut den Geschmack zu treffen. Bin mir sicher, dass das die deutschen Premiums besser können.
Innenraum und Qualität: Sehe da auch einen deutlichen Vorteil bei den Deutschen. Gerade das Innenraum Design und die Bedienung in einem Tesla sind eine Frechheit. Das sagt mir schon meine Grundvorlesung in Ergonomie, dass ein rein auf „riesen Monitor mit Touch Oberfläche“ basiertes Layout in einem Auto verboten gehört!
Fahrwerk: Müssen wir nicht drüber reden.
Was Tesla heute gut kann ist Reichweite und Leistung. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass hier niemand aufholen kann? Und wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass bald jemand 80% der Leistung und Reichweite für deutlich weniger Geld anbietet? Was glaube ihr, was die Europäer kaufen werden, wenn VW einen Elektro-Golf-Klon bringt (ID Neo)?
Was ist, wenn der VW Konzern (in Form von Porsche) bald das mit Abstand schnellste Ladesystem bringen wird? Wollen die Deutschen ein teures Auto, dass 500km schafft, oder wollen sie eins das 450km schafft, aber dafür in 5 Minuten läd?
Was ist wenn der die deutschen, französischen und asiatischen Konzerne über Plattformen Millionen Stückzahlen verkaufen können, aber Tesla auf absehbare Zeit nur das Model 3 (Stufenheck...) anbieten kann, weil auch einfach die Kohle und die Resourcen nicht ausreichen um parallel 20 Modelle zu entwickeln?
Weiter geht es: Wie groß ist der Anteil der Leute, die in einer der wenien Großstädte wohnen, die einen Tesla Showroom haben? Wie viele Deutsche (oder andere...) gehen lieber zu ihrem angestammten VW, BMW, Mercedes, Renault,... Händler um die Ecke und werden DANN DORT zugreifen, wenn es dort brauchbare Elektroautos gibt?
Das Modell Tesla funktioniert heute ähnlich wie Apple vor 20 Jahren. In einer kleinen Nischen gibt es ein paar Enthusiasten, die es toll finden, dass sie sich unterscheiden können.
Aber die Frage ist: Schafft Tesla den Sprung zum omnipräsenten Massenhersteller, der dank Brand und Werbung für teils schlechtere Produkte mehr Geld verlangen kann, und bei riesiger Stückzahl immer noch als cool und trendy gilt? Oder bleibt Tesla ein Nischenanbieter, der von den großer der Branche wieder überrollt wird, weil die am Ende doch alles besser können werden.
Ich sehe dabei einen großen Unterschied zwischen Handy Markt und Automarkt: Das Auto ist (neben Wohnung/Haus) die teuerste Anschaffung der meisten Menschen. Man will sich absolut sicher sein nichts verkehrt zu machen und auch bei Reparaturen vor Ort sofort einen Ansprechpartner zu haben. Zudem hat Apple ein eigenes Universum geschaffen, aus dem man schlecht entkommen kann. Auch das kann Tesla nicht kopieren.
Nichtsdestotrotz: Es werden spannende Jahre. Ich denke in den nächsten 3 Jahren wird sich alles entscheiden. Wenn die jetzt startenden Modelle der Deutschen zumindest 80% so gut wie Teslas Model 3 sind, mache ich mir um die Zukunft der deutschen OEMs keine Sorge. Denn dann hat Tesla am Ende kaum einen Vorteil
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