Interessanter Beitrag. Die Grundaussage teile ich: Frühzeitige finanzielle Unabhängigkeit dürfte ohne externen Anschub nur für wenige Leute möglich sein. Schließlich muss man gut verdienen, darf die Kohle nicht verprassen und muss die Ersparnisse gut investieren.
Die als Mindestbetrag aufgerufenen 3 Mio. Euro halte ich aber für sehr hoch. Damit kann man einen weit überdurchschnittlichen Lebensstil finanzieren. Gerade mal bei cfiresim eingegeben. Wenn man bei einem Startvermögen von 3 Mio. aus einem 75/25-Portfolio jedes Jahr 75.000 entnimmt, liegt die Pleitewahrscheinlichkeit bei 0%. Dabei habe ich sicherheitshalber Kosten von 1,5% unterstellt. 75.000 pro Jahr sind zwar nicht ABgehoben, selbst bei zwei Leuten ermöglichen sie aber immer noch einen sehr gehobenen Lebensstil.
rick schrieb am 24.08.2022:
Bin zufällig in das Thema reingestolpert und habe zugegebenermaßen auch nicht alle Beiträge gelesen. Das spezielle Thema hatten wir aber jüngst auf einem Ehemaligen-Treffen diskutiert (darunter viele Selbständige, Freiberufler, (Klein)Unternehmer usw.). Deswegen gebe ich mal kurz meinen Senf dazu.
Für mich ein bißchen "schockierend" aber auch erhellend: Als ich damals beruflich startete, haben sich einige ältere Kollegen mit einem Vorsorgekapital von 500, 600 oder 700 tsd. damals noch DM (!) in den (oft vorzeitigen) Ruhestand verabschiedet. Der eine oder andere hatte dazu ergänzend noch lastenfreies Wohneigentum (z. B. eine selbstgenutzte ETW). Das Geld wurde für um die 10% Zinsen angelegt (Pfandbriefe, Bundeswertpapiere, Unternehmensanleihen) und das war recht auskömmlich. Einige haben das wohl auch mittels Papieren im sog. Tafelgeschäft umgesetzt und so die Zinsen eventuell steuerfrei kassiert ... Vermute ich mal. Wie auch immer.
Das gleiche Paket für einen vertretbaren vorzeitigen Ausstieg würde ich heute hier vor Ort auf mindestens drei Millionen taxieren - aber nicht mehr DM sondern Euro (was dann schon 6 Milliönchen DM entspricht). Eine Wohnung in guter Lage kostet hier schnell eine Million und zwei weitere Millionen würde ich mal als Untergrenze ansetzen um halbwegs von den Erträgen (Ausschüttungen) leben zu können (da sind dann aber spezielle Punkte wie etwa "SoRR" noch gar nicht berücksichtigt) und/oder mittels geordnetem Kapitalverzehr (Entnahmen) den Ausstieg finanziell dar- und sicherzustellen.
Nur mal so als grobe Richtschnur. Die Zahl müßte wohl noch (deutlich) nach oben korrigiert werden, wenn man nicht nur sich selbst sondern auch noch einen Partner (eventuell auch noch Kinder) unterstützen will, privat krankenversichert ist, einen gehobenen Lebensstil pflegt usw. Die Zahl könnte (vielleicht) etwas nach unten korrigiert werden, wenn man nur sich selbst versorgen braucht (oder einen Partner mit einer eigenen AV hat), daneben (neben dem Depot) vielleicht noch eine kleine, lebenslange (gesetzliche) Rente bezieht bzw. später beziehen wird, günstig in der KVdR krankenversichert ist oder sein wird, eher normal bis bescheiden lebt usw.
So haben sich die Zeiten geändert.
Über so manche finanzielle Mode-Themen wie "finanziell frei", "Privatier mit 40", "von passivem Einkommen statt von Arbeit leben", die "FIRE"-Bewegung etc. kann ich daher nur schmunzeln. Selbst bei normaler Lebensweise erfordert ein (sehr) früher Ausstieg inzwischen ein Vorsorgekapital - jedenfalls für eine vernünftige Ruhestandsplanung - welches die (aller)meisten jedenfalls bei realistischer Betrachtung nur schwer oder kaum erreichen können - schon gar nicht bereits mit 40 oder 50 Jahren (von Dingen wie Lottogewinnen, Schenkungen, Erbschaften, guter Heirat usw. mal abgesehen). Schließlich muß bei der heutigen Lebenserwartung das Geld dann oft noch 40 oder 50 Jährchen reichen.
Bei derart weit ins Negative verschobenen Realzinsen (wie in der Eurozone) ist das Ganze (vorzeitiger Ausstieg) übrigens eine besondere und zusätzliche Herausforderung. Das aber nur am Rande.
Nur meine bescheidene persönliche Meinung - aber auf Basis langjähriger Beobachtungen und (eigener) Erfahrungen.
VG
Rick
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