spanneder Thread und interessanter Weise merkt man an der Art der Diskussion, dass einige ältere Semester schreiben :)
Mein Weg um mal runterzuschalten: 4 Jahre unbezahlter Urlaub. Das hat mein AG zum Glück mitgemacht. Davon drei Jahre Promotion aus Spaß an der Sache und ein Soziologiestudium nebenher, ein paar mehrmonatige Auslandsaufenthalte in Südamerika, Frankreich und Italien (immer so während der Semesterferien plus x also Anfang Juli -- Anfang November) und die zugehörigen Sprachen gelernt. Promotion ist mittlerweile abgeschlossen und ich hab noch n Jahr Urlaub vor mir.
Januar 2015 gehts (Stand heute) beim alten AG aber in neuer Position (welche weiß ich noch nicht) weiter.
Geh jetzt auf Ende 30 zu, hab keine Familie aber das nötige Kleingeld durch die vorherige Position gehabt, um die vier Jahre auch ohne Gehalt zu finanzieren und: das war es verdammt nochmal wert!
Interessant zu sehen war, wie flüssig eine Promotion läuft, wenn man vorher einen ordentlichen Workload gewohnt war, statt aus dem Studileben zu kommen. Das erste Jahr war es irgendwie gar keine Frage, dass ich Mo-Sa um halb acht im Büro (an der Uni) auftauche und um neun abends gehe, während die Kollegen so gegen elf kamen und um vier gegangen sind -- wenn sie überhaupt kamen. Ich hab halt einfach so weiter gemacht, wie ich es gewohnt war und hab schon das als entspannt wahrgenommen, weil es in der Zeit im Büro schlicht keinen Stress und keinen Druck gab (alle zwei drei Monate mal ein Vortrag und zwei mal im Jahr einen Bericht an den Dr.Vater schreiben ja uiuiui) und mir es wirklich Spaß gemacht hat, mich in mein Thema einzulesen und einzuarbeiten. Ich hab einfach das gemacht, was mich verdammt noch mal interessiert hat und es war das erste Mal, dass ich begriffen habe, wie es ist, wenn man das tut, was einem wirklich Spaß macht und wenn mans nicht für die Kohle macht, sondern für sich: Die Zeit vergeht ohne das man es merkt. Geile Erfahrung. Im zweiten Jahr hatte ich mich dann meinem Umfeld angepasst :) und konnte aber von der Vorleistung ganz gut zehren, sodass die entspannten "Forschungsaufenthalte" *räusper* im Ausland möglich wurden ohne die Promotion zu gefährden.
Ich könnte mal ausrechen, was mich der Spaß gekostet hat (gerade wenn man Opportunitätskosten berücksichtigt) aber was würde das bringen? Es war (ist noch) die bisher geilste Zeit in meinem Leben und ich hab schon jetzt das Gefühl, dass mir jetzt auch weitere 5 Jahre Hamsterrad nichts mehr anhaben könnten. Der Akku ist nicht nur aufgeladen, er ist gefühlt auch irgendwie größer geworden.
Mal ehrlich: Mit Mitte 30 bis Anfang 40 ne Auszeit zu nehmen ist so ziemlich das geilste was man machen kann, wenn es finanziell (Gehalt, Rücklagen, Hypotheken) und sozial (Familie) irgendwie geht. Man hat deutlich mehr Kohle als die Studis, ist aber noch deutlich fitter, agiler, lernfähiger und offener als mit Ende 50 oder 60 und außerdem noch jung genug um von den wirklich Jungen (20-25) nicht als richtig alter Knacker wahrgenommen zu werden. Und: man hat etwas mehr Durchblick in der Welt ;)
Was im kommenden Jahr ansteht weiß ich noch nicht. Gibt noch ein paar Reiseziele, die mich interessieren, ne Bachelorarbeit in Soziologie stünde an, aber am Ende kann ich mir auch vorstellen schlicht in meinem Forschungsgebiet noch zu arbeiten und zu publizieren. Ziel ist es dann beim gleichen AG einen anspruchsvollen Sachbearbeiterposten zu bekommen. Überschaubare, spezialisierte Projekte in/mit einem kleinen Team. Gehalt ist mit Wuppe solange es über 70k liegt.
Ganz klar muss ich aber auch sagen: Ich hätte für die Nummer auf keinen Fall gekündigt, denn sooo dicke ist mein Portemaonnaie dann auch nicht gewesen nach 9 Jahren Job (von denen ich nur 5 Jahre ordentlich verdient hab), dass ich das Risiko anschließender Arbeitslosigkeit in Kauf genommen hätte. Und natürlich war der Lebensstil in den vergangenen drei Jahren auch ein anderer als vorher, aber ich denke nicht zuletzt auch das hat dazu beigetragen, dass ich mich so runderneuert fühle. Die Beurlaubung durchzuboxen war der Königsweg.
antworten