Selten so viel Schwachsinn auf einem Haufen gelesen wie hier.
1: Das Bewerbungsverfahren der Bundesbank ist bestimmt nicht hochgestochen und übertrieben. Es geht nur staatstypisch extrem lange. Vorauswahl nach Noten hat man andernorts auch. Den Online-Test zur weiteren Selektion auch (ich habe einen teilweise identischen Online-Test vom gleichen Anbieter bei einer Landesbank gemacht). Ein AC muss man andernorts ebenfalls durchlaufen. Bei der Bundesbank dauert das aber nur einen Tag, andernorts muss man da möglicherweise mit einer längeren Zeitdauer rechnen.
2: Natürlich sitzen bei der Bundesbank gute Leute. Aber es sind natürlich nicht nur Leute dabei, die andernorts ein Vermögen verdienen würden. Ich war im AC bis zum Ende dabei, wurde zwar nicht genommen, aber habe ja meine Konkurrenz gesehen. Natürlich sind das eher gute Studenten und helle Köpfe, aber Karriere und Intelligenz korrelieren ab einem Mindestlevel eher wenig miteinander.
3: Was für ein doofes Geschwätz mit irgendwelchen "Target-Unis". Glaubt ihr ernsthaft, dass ihr dort mehr lernt und die makroökonomischen Modelle dort besser sind? Die meisten Leute im AC kamen von guten deutschen staatlichen Unis. Münster, Kiel, Freiburg und vergleichbare Universitäten. Grundsolide eben. Fachhochschulen gibt es für Volkswirtschaft (zumindest im Master) ohnehin keine. Im AC werden Fachkenntnisse ohnehin kaum abgefragt. Das Fachkolloquium geht nur mit wenigen Prozentpunkten in die Gesamtnote ein. Was (zumindest offiziell) zählt, das sind die Selbstpräsentation und die Gruppenaufgabe. Das wiederum hat mit der vorherigen Uni und dem vorhandenen Fachwissen rein gar nichts zu tun. Was hingegen hilft, ist Erfahrung mit AC zu haben. Man muss sich gut verkaufen können und ins Team "passen". Für mich war es das erste AC, was natürlich schlecht war. Beim nächsten hat es dann gleich besser geklappt. Das kann man üben und hat mit akademischer Brillianz gar nichts zu tun. Hier sind eher sogenannte "Soft-Skills" gefragt.
4: Viele haben von VWL und rationalen Gedanken offensichtlich keine Ahnung. Da werden 60-Stunden-Gehälter mit 40-Stunden-Gehälter verglichen und man findet sich geil, weil man dann logischerweise insgesamt mehr hat. Mal eine ganz einfache Rechnung:
Bei der Bundesbank kommt jeder Familienvater bei einer fiktiven Individualbesteuerung auf 4500 € netto im Monat. Entscheidend für die Beurteilung einer fairen Zahlung ist nicht das Gesamteinkommen, sondern der Stundenlohn. Damit jemand mit 60h auf einen vergleichbaren Nettostundenlohn kommt, kann man beim Gesamteinkommen also den Faktor 1,5 ansetzen. Da sind wir dann bei 6750 € im Monat (netto). Das ergibt bereits ein Bruttojahresgehalt von rund 150 000 €. Im Investment Banking sicherlich möglich, aber möchte jeder 60h arbeiten? Im AC traf ich auf einen Ex-Investmentbanker, der genau das nicht wollte.
Bei diesen 150 000 € hat man jetzt aber noch nicht berücksichtigt, dass das Gehalt bei der Bundesbank garantiert ist und keinen Schwankungen unterliegt. Im Investmentbanking möchte ich deshalb also eine Risikoprämie erhalten. Ich werde dort nämlich kaum einen kontinuierlichen Gehalseingang haben. Auch bekomme ich bei der Bundesbank eine dicke Pension, wo eine Barwertberechnung ebenfalls angezeigt ist. Ich gehe deshalb Pi mal Daumen einfach mal von 175 000 € (immer noch bei einer 60h-Woche) unsicherer Zahlung aus, die mir einen vergleichbaren Nettostundenlohn wie bei der Bundesbank bietet. Und das ist für den Investmentbanker sehr großzügig gerechnet (Risiko und Unsicherheit vermutlich unterschätzt).
Zum Schluss kommt noch die Nutzenfunktion ins Spiel. Geld und Freizeit sind für die meisten Menschen normale Güter und haben dementsprechend einen sinkenden Grenznutzen. Bereits dem Bundesbanker geht es ganz gut. Er wird sich keine Luxus-Suite im Bankenviertel leisten können, aber ein schickes Häuschen am Rande des Taunus ist schon drin. Der zusätzliche Nutzen von einer zusätzlichen Einheit Geld sinkt deshalb. Umgekehrt wird ein Investmentbanker mit einer ausgefüllten Woche eine zusätzliche Stunde Freizeit als sehr wertvoll betrachten. Der exakte Trade-Off ist zwar personenspezifisch. Generell ist aber anzunehmen, dass in einem 2-Güter-Modell mit den Gütern Einkommen und Freizeit der gleiche Nettostundenlohn nicht denselben Nutzen stiftet, sondern derjenige mit mehr Freizeit einen größeren Nutzen empfindet.
Um es kurz zu machen: Ich möchte noch einmal eine Prämie für meine entgangene Freizeit. Ich möchte mit meiner 60h-Woche also eher 250 000 als 175 000 € verdienen, um die Mehrarbeit zu akzeptieren.
Jetzt kann sich jeder überlegen, ob der Lohn der Bundesbank soooo schlecht ist.
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