Das ist ein spektakulärer thread darüber wie junge Akademiker (BWLer) heute so ticken.
Ich hab das meiste tatsächlich gelesen und finde vor allem spektakulär, wie spießig das doch alles bei den Singles so zugeht. Haus, Auto. Urlaub. Standesgemäß.
Heute bin ich 40, habe erst mit 30 das Arbeiten begonnen, davor war ich Soldat, hab zwei Anläufe für einen Studienabschluss als Ingenieur gebraucht und habe die Welt bereist...
Ich bin kein Single, sondern habe "feste Freundinnen", allerdings jetzt die 3. in den letzten 10 Jahren. Ich lebe aber wie einer und gönne mir eine eigene Wohnung. Wir wohnen nur 2km auseinander, da kann man trotzdem viel und auch spontan Zeit zusammen verbringen.
Meine Wohnung kostet in guter Lage in Dresden 590 Euro warm für 77m². Ruhig mit Südbalkon und hohen Zimmern und so 2005 herum renoviert, sie ist aber von der Ausstattung her (z.B. Fußböden) eher schäbiger.
Im Winter heize ich im Wesentlichen das Wohnzimmer, bekomme also noch einiges an Heizkosten wieder zurück.
Mit Strom, Telekommunikation, GEZ, Versicherungen bin ich bei rund 700 Fixkosten pro Monat.
Meine Bargeldausgaben (Fahrkarten, Essen, Kantine, Weggehen, Friseur, usw...) betragen 500 Euro im Monat.
Wo möglich versuche ich Bioprodukte zu kaufen.
500 Euro im Monat kalkuliere ich für sonstigen Konsum wie Kleidung, Schuhe, Sportartkel, Möbel, Geräte, Mitgliedsgebühren in Vereinen, was halt vom Konto weg geht oder online bezahlt wird.
Ein eigenes Auto besitze ich nicht, das ist für mich überflüssig, die paar Mal wo ich wirklich eins brauche kann ich mir eins leihen, typischerweise Carsharing oder eben von der Freundin. Die halt ne uralte Kisten mit 300.000km drauf, wenn die noch 2-3 Jahre hält wird das nächste ein Elektroauto, z.B. der VW Neo. Da würde ich dann vielleicht 5000 Euro dazu geben. Ich fahre die paar km mit dem Fahrrad bzw Elektrofahrrad zur Arbeit, bei jedem Wetter. das ist weitaus unproblematischer als man so denkt und schneller (Tür zu Tür) und zumindest für mich auch entspannter als mit dem Auto durch die Innenstadt
Urlaub machen wir idR einen großen von ca 4 Wochen und dann halt kleinere Aktivitäten hier und da. Vieles ist mit Rucksack und daher nicht sonderlich teuer. Ich würde heute nicht mehr dort absteigen, wo ich das als Student noch getan habe, brauche im Urlaub aber auch nicht mehr Luxus als zuhause. Fliegen versuche ich aus ökologischen Gründen zu minimieren und wenn, dann soll es sich wenigstens lohnen, also wenigstens für mehrere Wochen am Stück. Ein Wochenende schnell nach New York oder London oder Rom ist nicht meine Lebensart.
Unterm Strich sind das nun 1700 Euro und in meinem 1. Berufsjahr hatte ich tatsächlich nicht viel mehr netto. Heute habe ich ca. 3000 Euro netto und müsste theoretisch 1300 Euro pro Monat sparen können.
Die Realität ist das für mich aber keineswegs, weil ich noch erstaunlich/erschreckend viel Geld für Dinge ausgeben, die ich mir "gönne". Das sind vor allem gleich mehrere Hobbies, wo ich im Grunde ohne viel zögern Geld ausgebe worauf auch immer ich Lust habe.
Nur bei wenigen Dingen sehe ich mich finanziell so, dass ich das nicht aus der "Portokasse" zahle. So will ich wenigstes einmal Schwerelosigkeit ausprobieren, das ist aber ein 10.000 Euro Vergnügen. Ist aber auf der todo Liste :-)
Mein Fazit: Mein Einkommen reicht keineswegs für alle Wünsche, es gibt immer Dinge die damit nicht gehen (das gilt für nahezu jedes Niveau, Herr Merz als gehobene Mittelschicht kann sich auch gerade so das Zweitflugzeug leisten).
Wenn man sich damit abfinden kann, dass andere mehr haben und auch andere mit vergleichbarem Abschluss , dann kann man zufrieden sein. Da ich ein bissl was von der Welt gesehen habe bin ich für mich sogar finanziell sehr zufrieden.
Bzgl. Altersvorsorge kommen pro Jahr 2 Rentenpunkte dazu. Obwohl ich nicht wie ihr High Potentials schon mit zarten 22 in das Berufsleben eingestiegen bin und in meinem Beruf, der mir durchaus Freude macht, auch keine Aussichten mein Gehalt (inflationsbereinigt) noch nennenswert zu steigern (schlichtweg schon weil es keine Aufstiegsmöglichkeiten gibt) wird es vermutlich doch so sein, dass ich wenn alles weiter läuft wie bisher bis 50 einen gewissen Grundstock an Vermögen und Rentenpunkten haben werde, die mich zumindest schon mal zu diesem Zeitpunkt wenigstens ins Mittelfeld der deutschen Rentner bringen. Das sollte es mir dann ermöglichen, im Alter von 50-67(?) Jahren arbeitstechnisch optional kürzer zu treten oder auch mal was ganz neues zu machen, ohne zu sehr aufs Einkommen achten zu müssen.
Ich habe heute kein Haus, kein Auto und keine Kinder, vermisse das aber auch alles nicht. Wenn ich wollte ließe sich alles davon auch jetzt noch mehr oder weniger schnell trotzdem realisieren.
Die Kunst des Lebens besteht meiner Ansicht nach darin, die Vorteile des selbst gewählten Lebenswegs zu erkennen und zu nutzen und sich darüber zu freuen, nicht aber stets über entgangene Möglichkeiten zu lamentieren.
Dinge die mich bewegen sind ein nachhaltigerer Lebensstil (wir wirtschaften die Welt derzeit nun mal sehenden Auges zugrunde und ich finde die "nach mir die Sintflut" Attitüde zum Kotzen), eine besserer und mutigere Politik und für mich ein besseres Verhältnis von Freizeit zu Arbeitszeit. Ich würde ohne zu zögern einem unbezahlten Sabatical oder eine 30h Woche für 75% des Bruttolohns zustimmen, leider sind das für meinen AG beides keine Optionen.
Mir gefällt auch der Minimalismus Gedanke sehr gut. Als Student passte mein Besitz in einen Kleinwagen, heute brauche ich einen LKW. Ich habe da also noch/wieder reichlich Optimierungspotenzial.
Ob ich jetzt vor 10 Jahren 1700 Euro hatte oder heute 3000 Euro hat nicht wahnsinnig viel verändert. Ich kann jetzt halt meine Hobbys viel luxuriöser betreiben, aber zum glücklich sein bräuchte ich es nicht.
Wenn mir der Status wichtig wäre, müsste ich für mein Einkommen eine gehobenere Wohnung beziehen (oder die meine umbauen lassen), mir hochwertigere Möbel kaufen (ich hab immer noch den Billigkram den ich beim Berufseinstieg kaufte), ein angemessenes Auto anschaffen und mir teurere Kleidung kaufen, aber ich habe nicht das Gefühl, dass das in meinem Freundes- oder Bekanntenkreis oder für meine Freundin wichtig wäre. Ich protze mit meinen Reisen, aber auch das wäre vermutlich nicht nötig (und primär mache ich sie schon für mich selber :-) )
Auch bei meinen Hobbies (hier mischen sich ja auch Gesellschaftsschichten) merke ich, dass 80-90% der Leute in diesen Bereichen nicht mit dem Geld so um sich werfen können wie ich und nur 10-20% gleich viel oder mehr zur Verfügung zu haben, um das für sowas rauszuwerfen.
Soweit mein Senf dazu.
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