Ist euch allen Geld so wichtig, dass ihr nur schaut wer mit welcher Ausbildung mehr verdient als ihr?
Ich arbeite als IT-Beraterin. Während den Semesterferien habe ich des Öfteren als Produktionshelferin im Werk eines großen deutschen Automobilbauers ausgeholfen. Ich habe einige Facharbeiter kennengelernt, die mit Mitte 20 mehr verdient haben, als ich zurzeit. Einige stehen die ganze Schicht über an einer Fräsmaschine und drücken ein paar Tasten. Die finden das total geil. Die Maschine arbeitet, das Programm hat ein Informatiker geschrieben und sie müssen nur noch das Bauteil in die Maschine legen und auf "Start" drücken und dann arbeitet die Maschine und dafür bekommen sie 2500 netto. Andere polieren Autos und suchen nach Kratzern im Lack und bekommen dafür auch ein ordentliches Gehalt.
Ganz ehrlich? Mir ist das total egal. Mir ist Geld nicht so wichtig, dass ich für 500 Euro mehr, eine total stumpfe/anspruchslose Tätigkeit ausüben würde. Mir macht es Spaß IT-Architekturen zu bauen, diese zu testen und dann zu implementieren. Ich sehe in meinem Job ein gewisses Niveau und einen Anspruch den nicht jeder Dödel erfüllen kann. Ich könnte mir nicht vorstellen mein ganzes Arbeitsleben an einer Maschine zu stehen auch wenn dieser Job relativ gut bezahlt wird.
Die hohe Reisetätigkeit meines Jobs stört mich auch ein bisschen, aber ich sehe einfach das positive. Ich lerne viele interessante Leute kennen, Entscheidungsträger bei Dax-Konzernen und habe auch die Möglichkeit andere Länder kennen zu lernen. Diese Auslandsreisen mag die vielen High Potentials von den internationalen Business Schools hier wohl nicht faszinieren, aber ich stamme aus einfachen Verhältnissen und war mit Ausnahme eines Auslandsemesters und Auslandspraktikums vor meinem Job noch nicht im nichteuropäischen Ausland. Mein Job ist stressig und mit Blick auf den hohen Arbeitseinsatz auch nicht wahnsinnig toll bezahlt, aber ich weiß, dass ich die IT-Beratung auch nicht mein Leben lang machen werde. Wenn man 5-7 Jahre in der Beratung war, hat man gute Chancen ins inhouse consulting bei einem großen Unternehmen zu wechseln. Dann fällt die Reisetätigkeit weg und als ITler verdient man in der Industrie auch ganz ordentlich. In 7 Jahren bin ich 31, dann habe ich immer noch die Hälfte meines Arbeitsleben vor mir und werde sicherlich auch noch die ein oder andere Gehaltssteigerung erleben. Meinen derzeitigen Job sehe ich als praktische Ausbildung. Ich lerne viel durch die diversen Projekte, bekomme alle Weiterbildungen (Zertifikate) von meinem Arbeitgeber bezahlt und habe zudem noch die Möglichkeit mir ein Netzwerk an interessanten Leuten aufzubauen.
Viele hier machen den zweiten Schritt vor dem ersten. Wer studiert eignet sich zunächst theoretisches Wissen an, man hat keine Berufserfahrung und ist für die Unternehmen nicht sonderlich interessant und daher wollen die auch nicht so viel für Berufseinsteiger zahlen. ABER nach ein paar Jahren ändert sich das doch. Viele meiner Kollegen, die schon länger dabei sind, haben sich mittlerweile ein großes Praxiswissen angeeignet und sehen das auch auf ihrem Gehaltszettel. Wer fleißig ist und in sich investiert bekommt auch die Rendite dafür.
Ich habe mir hier mal einige Einträge zu der Bezirksleitung bei Discountern gelesen. Da freuen sich Leute darüber, dass sie 50.000 Tacken bekommen und nen schicken Firmenwagen noch oben drauf. Gut, dafür hetzen sie aber auch Mo-Sa 12 h von Filiale zu Filiale um ihre Marktmitarbeiter zu kontrollieren, damit irgendwelche irrsinnigen Vorgaben "von Oben" erfüllt werden.
Interessant sind auch die Beiträge zu Jobs bei Eismann und bei Amazon. Auch da verdient man wohl ganz gut, ABER zu welchem Preis?!? Nur für ein paar tausend Euro mehr auf dem Konto möchte ich nicht den ganzen Tag mit nem Kühlwagen durch die Gegend fahren und irgendwelchen Hausfrauen Tiefkühlkost verkaufen. Auch der Schichtdienst bei Amazon oder in der hier so viel zitierten Industrie wäre rein gar nichts für mich. Ich habe das, wie oben bereits erwähnt, selber mal einige Monate gemacht und das ist gar nicht meins. Klar hat man bei der Frühschicht um 14Uhr Feierabend, ABER was soll man dann den Nachmittag machen, wenn die eigene Familie und Freunde einen normalen 9 to 5 job haben? Abends mal schön die CL in der Kneipe gucken und ein paart Bierchen zischen ist auch nicht drin, da man ja morgens schon um (halb) 5 aufstehen muss (wenn man nicht gerade im Industriegebiet wohnt, aber wer will das schon?), um die Frühschicht anzutreten....
Ich verdiene bei weitem keine 50.000 Euro und einen Firmenwagen habe ich auch nicht, ABER dafür habe ich einen Job der mir Spaß macht, der mich geistig und intellektuell fordert, der mir Freiräume lässt und bei dem ich mich ständig weiterentwickeln kann.
Ich möchte den Usern hier den Rat geben einmal die eigenen Prioritäten zu ordnen. Was ist euch wichtig im Leben/im Job?
Vergesst nicht, dass ihr erst am Anfang eures (beruflichen) Lebens steht. Während viele Facharbeiter nach 30 kaum mehr eine Steigerung weder bei ihrer Tätigkeit noch bei ihrem Gehalt erleben, stehen bei Akademikern zwischen 30 und 45 noch einige Steigerungen an.
Die meisten hier sind doch in den 20ern. Warum plant ihr jetzt schon euer Leben mit 35+. Wartet doch einfach mal ab was passiert. Ziele, Pläne und Träume können sich so schnell ändern.
Die Diskussion mit Stadt und Land finde ich primitiv. Jeder so soll Leben so gestalten wie er es möchte.
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