"Am Anfang willst du doch soviel wie möglich an Erfahrung sammeln und nicht an der Routine in der Linie versauern."
Erfahrung ist vor allem dann wertvoll, wenn sie mit Eigenverantwortung verbunden ist. Also: Entscheidungen treffen dürfen und Konsequenzen ausbaden müssen. Eine gute Linienposition bietet eine solche Erfahrung. Das ist eine Sichtweise, die ich erst nach ca. 5 Jahren Arbeiterfahrung bekommen habe. Als Student dachte ich auch "Beratung = superwertvolle Erfahrung".
"Außerdem ist es extrem schwer, als Berufseinsteiger in der Industrie in gute Linienpositionen zu kommen."
In gute Beratungshäuser zu kommen ist auch schwer. Sprechen wir von einem Berufseinsteiger, der sich seinen Job "aussuchen" kann?
"Es ist zweifelsohne eine gute Möglichkeit, sich erstmal in der Linie zu entwickeln. Allerdings kann man auch sehr schnell für 2-3 Jahre auf einer Erbsenzählerposition ohne Visibility versauern. Viel Spaß beim Aufbau eines Netzwerks!"
Das ist aber vor allem personenbezogen. Als Berater kann Dir das ganz genauso passieren, wenn Du nicht netzwerkfähig bist. "Visibility" (=Sichtbarkeit) bekommt man nicht, man schafft sie sich. Wenn Du es in einem Konzern geschafft hast, ein paar Jahre eigenständige + verantwortungsvolle Arbeit zu leisten und Sichtbarkeit für Deine Themen herzustellen, dann bist Du jedem Berater mindestens ebenbürtig. Die Leute in großen Konzernen kochen auch nicht nur mit Wasser (Berater denken das aber immer -> seltsames Weltbild).
"In einer Beratung erweitert man sein Spektrum enorm, wenn man die ersten Jahre verschiedene Kunden berät:
- Man kommt schnell mit verschiedensten Persönlichkeiten in Kontakt
- Man gewinnt schnell Einblicke in unterschiedliche Unternehmen, Abteilungen und ihre Kulturen und Besonderheiten.
- Darauf aufbauend kann man viel gezielter nach Exit Optionen suchen und sich in der neuen Position weiterentwickeln.
- Auch als Analyst / Junior Consultant bekommt man seine Routine in dem man wie in jeder anderen Einstiegsposition Excel kloppt und den PPT Bunny gibt und dadurch in die relevanten Prozesse reinkommt."
Das klingt alles schön - man sieht viel, man erfährt viel, man lernt mal jemanden kennen etc. Die entscheidende Frage ist aber auch, was man macht, welche Entscheidungen man trifft, welche Verantwortung man hat und welche messbaren Erfolge man dadurch fürs Unternehmen erzielt.
"Was spricht dagegen, von diesen Jahren die ersten ca. 5 Jahre in einer Beratung zu arbeiten? Danach kann man ja immer noch 30 bis 35 Jahre in der Industrie sich "unter Beweise stellen" (entweder dann als MA in der Linie oder sogar als FK)."
Es muss erstmal ein Unternehmen geben, das Dich nach diesen Beratungsjahren einstellt, anstatt den eigenen Nachwuchs weiterzuentwickeln.
"Aber paar Jahre Beratung haben noch keinem geschadet... ganz im Gegenteil. Was man die ersten 5 Jahre nach der Uni mitnimmt, ist Gold Wert. Den (etwas polemisch ausgedrückt) "0815 Industriealltag" (jeden Tag selber Tagesablauf, jeden Tag selbe Kollegen, ein kleines Zahnrädchen im großen Konzern etc.) kann man ja später immer noch genug "genießen", wenn man möchte."
Klingt in der Theorie alles ganz toll, ja. Bei dieser Beschreiibung frage ich mich dann allerdings, weshalb das Berufsziel "Industrie" überhaupt langfristig relevant sein soll. Weshalb nicht Beratung bis zur Rente? Scheint ja ein super Job zu sein.
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