WiWi Gast schrieb am 03.05.2021:
In Deutschland hat man einen sehr schiefen Fokus im VWL Studium, man lehrt zum Beispiel so gut wie nirgends Wirtschaftsgeschichte die einen fundamentalen Baustein der VWL darstellt
Ohne Witz... das VWL Studium in Deutschland ist doch einfach nur krank:
- Keine Wirtschaftsgeschichte
- zig Vorlesungen wo theoretisches Gedöns ohne jede Anwendung durchgebracht wird, weil es halt in irgendeinem Lehrbuch steht.
- Kritische Forschungsarbeiten werden idR bewusst nicht zugelassen. zB zur aktuellen Geldpolitik siehe Cantillon Effekt. Stattdessen wird dann ewig rumgelabert, dass Geld neutral sei, umständlichste Formeln, Ableitungen etc. werden aufgesetzt und auf der anderen Seite kommen dann so Talente wie Pickety und wollen uns erzählen, dass die Ungleichheit alle möglichen anderen Ursachen hat.
- Es wird ebensowenig versucht, den Studenten kritisches Arbeiten anzutrainieren, stattdessen 5 Jahre lange die Studenten mit dogmatischen Ansätzen gehirnwaschen.
Also lieber WiWi mit Finance als Vertiefung -> breiter aufgestellt und quantitativ ebenso anspruchsvoll.
Ok, ich habe in Mannheim VWL studiert (Bachelor und Master) und kann das nicht so stehen lassen.
- also wir hatten Wirtschaftsgeschichte im ersten Semester..
- dieses "theoretische Gedöns" ist tatsächlich im Bachelor sehr realitätsfern, man muss aber nun erstmal die Grundlagen machen. Im Master lassen sich die Theorien dann schon vermehrt anwenden.
- dass Geld nicht wirklich neutral ist, insbesondere nicht Kurzfristig wird in jedem Modul gesagt (Grundlagen VWL, Makro A, B).
- das Argument mit Pikkety verstehe ich nicht, gerade er kritisiert doch auch, dass VWL zu mathematisch-abstrakt wurde und sich von der Realität gelöst hat
- Nutzen in Anwendung erfolgt nicht immer direkt. Der Mathematiker braucht auch nie wieder seine 4-seitigen Beweise durchzuführen, trotzdem lieben UBs sie. Das liegt einfach daran, dass abstrakte Studiengänge wie Mathematik, Philosophie, Physik, Literatur, VWL, etc eben mehr das Denken selbst schulen als Wissen zu vermitteln (aus genau diesem Grund wird Econ im Ausland ja auch BWL vorgezogen)
- also eine Finance Vertiefung hat von mathematischen Anspruch nichts, aber auch wirklich gar nichts mit dem VWL Studium zu tun. Insbesondere im Master und PhD ist die VWL nur noch Satz-Beweis. Finance haben bei uns damals viele im Nebenfach gemacht um "leichte 1.0en" zu bekommen
Ich will mit diesem Post keinesfalls BWL seinen Anspruch oder wert aberkennen, ich arbeite selber im BWL-Beruf. Aber so unfundierte Meinungen sind mir nun schon oft begegnet und obwohl ich nie wieder (!) meine Studiumskenntnisse angewandt habe, bereue ich es überhaupt nicht. Systematisch Prozesse in Teile zu zerlegen, abstrakt zu denken, sich durch Beweise zu beißen und ein gesamtwirtschaftliches Verständnis zu erlangen haben mir sehr viel gebracht. Und diese Fähigkeiten lassen sich schwerer erlernen als Finance und Accounting. Deswegen würde ich sowieso sagen, am besten direkt Mathe oder Physik machen, denn das bringt eben diese Skills nochmal viel weiter als die VWL.
Ich habe meinen Master auch in VWL in Mannheim gemacht und war zuvor an der LMU :)
- zu 1: Es gibt sicherlich Programme wo das integriert ist, aber in vielen eben nicht.
- zu 2: Im Master geht das doch nahtlos weiter bzw. verschlimmert sich nur noch: Gerade das erste Semester war ca 95% Theorie, danach war es auch nicht viel besser.
- zu 3: Ich fühle mich hier mal so frei DAS Einsteigerbuch für VWLer zu zitieren, Makroökonomie von Blanchard/Illing:
„Expansive Geldpolitik im AS/AD Modell Ausgehend vom mittelfristigen Gleichgewicht erhöht die Zentralbank dauerhaft die nominale Geldmenge von M auf M’. (...) Reaktion der Volkswirtschaft:
(...) Mittelfristig verschiebt sich die AS-Kurve nach oben. Das hohe Produktionsniveau führt zu geringer Arbeitslosigkeit, Arbeitnehmer haben eine starke Position bei Lohnverhandlungen, Lohne und Preise steigen, Preisniveau ubertrifft Erwartungen, dies fuhrt zu weiteren Lohn- und Preis- erhöhungen“
In praktisch allen Kursen die ich besucht hatte wird das auch in ähnlicher Form gelehrt. Das kurzfristige Änderungen zu bestimmten Divergenzen führen und der Prof das erwähnt, stelle ich nicht in Frage. Aber es geht doch um das Gesamtbild. Und hier wird ganz klar vermittelt das Geld im „Großen und Ganzen“ neutral ist. Sorry für die Wortwahl, aber wenn mir der n-te Prof erzählt, dass die Aufgabe der EZB Preisstabilität ist, dann ist das einfach nur Schwachsinn. Die Lohnentwicklung divergiert schon seit Jahrzehnten zu der Vermögenspreisentwicklung, aber man hält natürlich an dem Dogma fest, dass die Inflationsrate bei unter 2% im Euroraum ist.
Das ist nicht nur Gehirnwäsche sondern völlig verblödend.
-zu 4: Pickety bringt unzählige Argumente, warum die Ungleichheit gestiegen ist.
Erwähnt er die expansive Geldpolitik seit ca 1970 als Grund dafür? Tja... lässt er geschickt aus und das hat auch einen Grund.
- zu 5: „ also eine Finance Vertiefung hat von mathematischen Anspruch nichts, aber auch wirklich gar nichts mit dem VWL Studium zu tun.“
Woher weißt du das, wenn du es gar nicht studiert hast?
Sorry, aber dann zeigt das einfach, dass du dich nicht auskennst. Ich habe auch nicht von BWL gesprochen sondern von WiWi. Das ist ein Unterschied, da du mehr Mathe und Informatik hast.
Aber fühl dich frei das Curriculum von soliden Quantitative Finance/Finance Programme mal durchzugehen. Die können uns VWLer locker ausknocken. Das liegt daran, dass das praktisch Mathestudiengänge sind und 95% der Studenten idR WiMas oder Mathe Studenten sind. Think Finance Programme ETH, Kiel, Ulm, Warwick.
Zum Abschluss noch: Nicht falsch verstehen, ich mag VWL. Sehr sogar. Aber die Art und Weise wie es an den deutschen Unis gelehrt wird, ist nicht zielführend.
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