Ich bin Informatik-Professor an einer FH in Bayern.
Es wurde oben nach Statistiken gefragt: 79% aller österreichischen Universitätsprofessoren arbeiten über 40h/w. 65% arbeiten über 50h/w. (www.kleinezeitung.at/karriere/5413332/Umfrage_Uniprofessoren_akademische-Selbstverwaltung-schlaegt)
Es gab oben mal einen MINT-Bezug im Thread ("sagen wir mal im Bereich Informatik bzw. Medizinischer Informatik").
Es ist naiv davon auszugehen, dass es bei FH-Professoren in MINT-Fächern wesentlich anders als bei österreichischen Uniprofessoren wäre. Oder, dass es in Deutschland anders ist als in AT. Es gibt den Begriff der akademischen Selbstausbeutung.
FH-Professoren haben mit 18 LVS doppelt so viel Lehrverpflichtung wie Universitätsprofessoren. Zur Implikation zitiere ich aus dem Buch von Max-Emanuel Geis: Hochschulrecht im Freistaat Bayern. Ein Handbuch für Wissenschaft und Praxis, 2. Auflage C.F. Müller, 2017. ISBN 978-3-8114-4068-5:
"Geht man von Universitätsprofessoren davon aus, eine Lehrverpflichtung von 8 LVS beanspruche etwa die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit, so gilt bei einem Fachhochschulprofessor mit 18 SWS Lehrverpflichtung, dass er 20 bis 25 % für Forschungs- und sonstige Aufgaben erübrigen muss. Da die Lehre an Fachhochschulen stärker praxis- und anwendungsorientiert ist, ist nämlich der Vorbereitungsaufwand für die Lehre tendenziell geringer als bei theoretischen Lehrfächern."
In MINT-Fächern ist diese Annahme ("... tendenziell geringer ...") eher naiv. Die semantische Dichte der Vorlesungen ist meist genauso hoch wie an der Uni. FH-Professoren haben i.d.R. keine wiss. Mitarbeiter und keine HiWis. Sie halten auch die Übungen selbst. Sie korrigieren die Klausuren selbst. Durch kleine Kohortengrößen profitieren FH-Professoren auch nicht davon, dass Übungen doppelt gehalten werden. Während Unis 8 Ü-Gruppen für 250 Studis anbieten, gibt es an der FH nur eine einzige Ü-Gruppe für alle 35 Teilnehmer, vielleicht mal 2 Ü-Gruppen, wenn es 80 Teilnehmer sind, was in MINT aber selten ist. [Außer Mathe, da sammeln sich stets alle Studiengänge der Fakultät in einem Modul.] Gute Übungsbetreuung in MINT-Fächern ist also ebenfalls arbeitsintensiv und eher kein überproportionaler Deputatsspender.
In den ersten 1 bis 2 Jahren einer FH-Professur werden Forschung, Drittmittelakquise und Wissenstransfer durch den Aufbau von 2x18 LVS Lehre fast vollständig verdrängt.
Es gab angeblich mal eine Studie, dass die Scheidungsrate unter Professoren in den ersten zwei Jahren besonders hoch ist. Zumindest wird es als Wahrheit überliefert und ich glaube auch dran.
Nach den ersten zwei Jahren an der FH:
Substantielle Vorbereitung von neuen Lehrmaterialien sowie Überarbeitungen v.a. in der vorlesungsfreien Zeit.
Substantielle Forschungstätigkeiten v.a. in der vorlesungsfreien Zeit.
Wenn du nicht intrinsisch an deinem Fach interessiert bist und kein Interesse an Forschung hast, dann wird die Berufungskommission dich nicht berufen. Dann bist du nicht gut genug.
Nebenbeschäftigungen sind nicht Teil der Arbeitswoche per se. Das ist eher so wie die Erlaubnis zusätzlich am Samstag zu arbeiten. Natürlich ist man frei, das auch zw. Mo.-Fr. zu machen, dafür arbeiten FH-Professoren aber auch abends und am Wochenende. Rechnerisch 1 Tag pro Kalenderwoche ist erlaubt. Mit Zustimmung der Hochschulleitung mag es höhere Genehmigungen geben, aber das ist selten. Es gibt Genehmigungsprozesse und Kontrollinstrumente.
Rollen in der akademischen Selbstverwaltung, die Deputat bringen, sind meist Draufzahl-Geschäfte, d.h. es ist ein verrechnungstechnisches Trostpflaster, aber wahrlich kein Grund sich mit Ämtern zu belegen, ganz im Gegenteil.
Viele Tätigkeiten bringen kein Deputat, sind aber trotzdem Teil der Dienstaufgaben.
In der akadem. Selbstverwaltung sind ohne Deputat: Gremien (Fakultätsratssitzungen/Berufungskommissionen/…), Studienberatung, Prüfung und Weiterentwicklung der Inhalte und Formen des Studiums, Zulassungsverfahren, Dienstgutachten, etc.
In der Lehre sind ohne Deputat: Zweitprüfer von Abschlussarbeiten, Klausurkorrekturen.
Der Wissenschaftsrat hat in einem Positionspapier von 2013 namens "Perspektiven des deutschen Wissenschafssystems" die vier Leistungsdimensionen der Wissenschaft eingeführt. Forschung, Lehre, Transfer und Infrastruktur. (Bemerkenswerterweise ist in der Aufzählung die akademische Selbstverwaltung nicht aufgeführt.) Insbesondere der Transfer ist seitdem nicht mehr nur klassisch der Technologie-Transfer (v.a. Einwerbung von Drittmitteln), was man auch zur Forschung hätte rechnen können. Seitdem ist Transfer auch gesamtgesellschaftliches Community-Engagement (inkl. Vor- und Nachbereitung), also Wissensvermittlung ohne Deputat bis hin zum verlängerten Arm des Selbstmarketings der Hochschule.
Es gibt bestimmt noch weitere Facetten, die das Tätigkeitsprofil von FH-Professoren ausmachen. Aber das soll zur Ersteinschätzung für die Lebensplanung erstmal reichen.
Weiterführende Infos vor einer PostDoc-Phase oder (FH-)Professur:
Der Postdoc-Ratgeber von academics.de (www.academics.de/themen/postdoc)
Amazon: „Postdoc” (www.amazon.de/s?k=postdoc)
Google: Wege zur Professur (www.google.com/search?q=wege+zur+professur)
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