WiWi Gast schrieb am 13.05.2022:
Eigentlich ist das hier eine sehr unterhaltsame Diskussion, weil man schön die 2 Lager sieht:
-
Hat eine Immobilie und ist weiter von steigenden Preisen überzeugt.
- Hat keine Immobilie und ist von fallenden/stagnierenden (bei der Inflation bedeutet Stagnation ja de facto sinkende Preise) überzeugt.
Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung wer recht hat. Ich halte beides für möglich und jeder Vorgang lässt sich so oder so deuten. Wahrscheinlich läuft es wie immer:
Keiner weiß jetzt so wirklich was passiert aber jede der beiden Gruppen wird je nach Ergebnis (steigende oder sinkende Preise) die intellektuelle Überlegenheit für sich beanspruchen.
Was passieren wird ist eigentlich nicht so schwer zu verstehen.
1, Inflation ist gekommen um zu bleiben. Der durch Coronahilfen induzierten Nachfrageboom hat auf eine Wirtschaft getroffen, die von der Angebotsseite beschränkt war. Das hat ab Mitte 2021 in Europa die Inflation kräftig steigen lassen. Der Krieg hat das verschlimmert. Da der Krieg so schnell nicht vorbeigehen wird, die Pandemie weiterhin das Angebot beschränkt (siehe China), wird auch noch ne Zeit lang Druck auf der Inflation sein. Mittelfristig wird durch die Alterung der Gesellschaft (Stichwort Fachkräftemangel) und die Energiewende die Inflation tendeziell steigen.
2, Das führt zur Zinswende. Egal ob die EZB sich noch dafür drückt um durch die schöne Kombination aus niedrigen Zinsen und hoher Inflation die Schulden senken zu können (besonders wichtig für Belgien, Italien, Griechenland, Spanien, Frankreich), wird sie früher oder später die Zinsen anheben müssen (und das QE zurückfahren).
3, Der Boom ist vorbei. Ob es eine Rezession gibt hängt davon ab ob die EZB das Soft Landing hinbekommt. Ich glaube da nicht dran. Umso später und umso deutlicher sie die Zinserhöhungen und Reduzierung der Zentralbankgeldmenge macht, umso größer die negative Auswirkung auf das Wachstum. Die Löhne werden bestenfalls mit der Inflationsrate steigen.
4, Vermögenspreise werden sich an die geänderten Zinsen anpassen, sprich Preise von Aktien und Immobilien werden im Schnitt sinken. Das sollte eigentlich jeder BWLer, der Minimalkenntnisse von Bewertung hat, verstehen können.
Die Auswirkung auf Aktien wird relativ schnell gehen, in USA sieht man das bereits an FAANG Aktien. Best. Aktien (Nestle, Unilever), deren Unternehmen tägliche Bedarfsgüter herstellen und Margen durchdrücken könne, werden tendenziell sogar profitieren, ebenso Unternehmen, die vom Krieg positiv profitieren. Die Hausse für Tech und ein paar andere wird aber erstmal vorbei sein. Das gilt auch für Krypto.
Immobilien werden -im Schnitt- lange brauchen, mind. sicher 1-2 Jahre. Dazu sollte man sagen, dass der Immobilienmarkt sehr lokal ist, sprich die Auswirkungen für Toplage München sind nicht die gleichen wie für den Stadtrand von Celle. Topimmobilien werden auch weiterhin relativ zu Einkommen und anderen Assets (!) Toppreise aufrufen. Renditeorientierte Immobilienbesitzer werden jetzt anfangen die noch hohen Preise mitzunehmen. Dies gilt besonders für Immobilien wo der innere Wert weit unter dem Marktwert liegt. Das gilt für die Kategorien unter der Toplage. Umso weiter drunter, umso schneller werden die Preise fallen.
Für Eigentümer ihrer Wohnimmobilie hat das Ganze nur Auswirkungen wenn die Finanzierung auf Kante genäht ist, sprich wenn der Kredit gerollt werden muss. Die gezahlten Preise werden viele aber nie wieder sehen.
Ob sich Leute, die keine Immobilie besitzen aber eine kaufen wollen in diesem neuen Umfeld besser stellen ist nicht unklar. Tendenziell ist es nicht zu weit hergeholt, dass sich Leute mit viel (!) EK bei höherem Zinsen aber geringeren Preisen besser dastehen. Hier reden wir aber von mind. 40% aufwärts. Für den Rest wird es tendenziell schlechter.
antworten