Wir haben gerade gekauft, daher einmal unsere anekdotische Erfahrung aus Norddeutschland.
Rahmenbedingungen:
- Suche Mitte 2021 begonnen, damals sehr konservativ kalkuliert und uns Limit von 2000€ im Monat Zins + Tilgung bei 80k EK gesetzt. Zinssatz damals knapp unter 1%. Damit hätte man zwischen 600k-700k gekriegt (je nach Kaufnebenkosten mit Makler)
- Wegen Familiengründung brauchen wir mehr Platz, Vermieterin eines Altbaus möchte nicht verkaufen. Daher suchen wir.
- Wir hatten uns auch Mietobjekte angesehen. Ausreichend groß für 3-4 Leute (also ca. 110-120qm mit 5 Zimmern, das ist natürlich subjektiv und unser persönlicher Anspruch, kein objektiver Fakt) findet man wenig. Kaltmiete waren schöner Altbau bei ca. 1400-1500€, Neubau 2000€ mit günstiger Fernwärme aber Indexmiete.
- uns ist die Lage sehr wichtig. Also suchen wir nur in den guten Lagen hier und möchten auch, dass Kinder später eine kleine Großstadt mit dem ganzen Angebot via Fahrrad und Bus nutzen können (15-20min Fahrtzeit) und trotzdem naturnah wohnen.
- wir sind gerne in HH, ich bin auch beruflich sehr oft da. Daher kommen wir da im Idealfall auch im Berufsverkehr in ~1h ins Zentrum
- wegen zwei Jobs, die wir lieben und die Zeit kosten plus anstehende Kinder haben wir keine Zeit viel in Eigenleistung zu sanieren
Wir haben uns seitdem über die letzten 1,5 Jahre 10+ Häuser angeschaut. Darunter Altbau, Neubau, Mehrfamilienhäuser. Wir brauchten einfach Orientierung.
Im privaten Umfeld hatten wir zwei, drei Angebote, aber uninteressant da man einiges hätte machen müssen oder zu klein.
Makler haben keine Suchanfragen angenommen, da sich das für sie nicht lohnt nach deren Aussage (auch im Januar noch nicht, da hab ich das letzte Mal gefragt).
Über Immobilienportale waren wir per Mail-Notifizierung immer in der Lage in 24h zu reagieren.
Zu den ursprünglichen Limit haben wir aber wenig gefunden. In unserer Traumlage waren in der Zeit zwei sehr teure EFH, die teilweise immer noch zum Verkauf stehen (bzw. wieder, da scheint der Verkauf nicht geklappt zu haben). Ein Objekt in B-Lage, aber gute Mikrolage (Reihenmittelhaus, 130qm, BJ 2012, mittlere Ausstattung) hatten wir Ende 2021 für 560k€ von privat bekommen. Das fühlte sich aber von Bauch falsch an. Wir leider das zweite Objekt und uns fehlte die Orientierung.
Ansonsten kamen wir an viele gute Angebote gar nicht ran, da wir Anruf Nummer 30 waren und die Makler erstmal die Besichtigungen durchführen wollten. Da war dann immer ein Käufer dabei.
Mitte 2022 hatten wir dann schon Glück und konnten eher auch ordentliche Objekte besichtigen. Das fühlte sich aber noch nicht nach Markteinbruch an. Da waren immer noch mehr als 20 Besichtigungen geplant und wir haben Mal vorsichtig versucht zu verhandeln, da waren die Makler aber schon ins Bieterverfahren gewechselt. Vllt. war das aber auch Torschlusspanik von einigen, das wird man erst in Zukunft wissen.
Unser Kaufobjekt jetzt haben wir über ein Immobilienportal von privat gefunden. Wir haben wieder sehr schnell reagiert und die sehr nette Verkäuferin hatte schon einige Anfragen. Wir haben das dann von Anruf über Besichtigung bis Kaufangebot plus Finanzierungsnachweis für das Objekt in 36h geschafft. Das ging auch nur, weil wir zufällig heimatnahe Urlaub hatten.
Das Objekt ist in guter bis sehr guter Lage (unsere Wunschlage), energetisch mit Wärmepumpe und gehobener Ausstattung auf kleinem (<300qm) Grundstück, RMH, BJ2011. Ohne Makler sind wir bei knapp unter 600k. Wir haben nicht gehandelt, die Verkäuferin hat uns gesagt, dass sie noch einige Anfragen mit 30-40k€ mehr hatte und sie in drei Tagen, in denen das Objekt online stand, ca 10 ernsthafte Anfragen hatte. Wir empfinden Sie als sehr vertrauenswürdig. Demnach würde ich sagen, dass der aktuelle Marktpreis ungefähr in der Region liegt.
Finanziell bedeutet das nun: 3,9% Zinsen effektiv, 140k€ EK und monatlich 2500€ (wie oben bei 2% Tilgung). Also einiges teurer, für uns noch seriös abbild (~30% vom Haushaltnetto ohne variable Gehaltsanteile von ca. 20%), aber nur weil wir deutlich mehr EK reinstecken und keinen Makler hatten, sowie vergünstigte Kredite wegen Energieeffizienz A oder besser erhalten haben. Die Zinsen sind seitdem um ca. 0,3% gestiegen. Wir hätten das dann dennoch gemacht, aber noch mehr EK einbringen müssen oder die Tilgung runterschrauben. Beides wäre dann nicht mehr konservativ gewesen. Zumal uns für ein Jahr der Kinderbetreuung ja auch mindestens ein Einkommen fehlen und wir dann bei 40% Belastung sind.
Was übrigens auf unserer Suche aufgefallen ist, ist dass einfache Mehrfamilienhäuser in eher einfachen Innenstadtlagen gerade schon deutlich günstiger und verfügbar sind. Allerdings muss dort erheblich investiert werden. Die, die wir uns angeschaut hatten, müssten allein aus inzwischen rechtlichen Gründen bei Besitzerwechsel saniert werden. Das kostet schon anfänglich - als Laie geschätzt - 50k ohne große Energieersparnis (also Dach und Keller nachdämmen).
Das einmal als Beispiel, wie sich die letzten Jahre bei uns entwickelt hatten, warum wir trotz hoher Zinsen jetzt gekauft haben und wie es dazu kam. Unabhängig davon, ob ich jetzt glaube, dass Preise steigen, sinken oder gleich bleiben: Es gab einfach wenig reale Möglichkeiten und wir haben schon intensiv gesucht.Da wir nicht Haus- und Kinderstress zusätzlich zu zwei Jobs haben wollten), möchten wir auch nicht noch zwei Jahre warten.
Wir fühlen uns wohl mit der Entscheidung, sie ist aus meiner Sicht ökonomisch vertretbar (ich bin eben eher risikoavers, daher ist mir die Vermeidung von 1500€ Indexmiete eine Prämie wert), auch wenn sie sich nicht als das ökonomische Optimum herausstellen wird. Die Banken haben den Beleihungswert auch so kalkuliert, dass der Wert schon massiv einbrechen müsste, dass wir nachbesichern müssen. Das ist der einzige Fall, wo mich der Marktwert der Immobilie jetzt und für die nächsten 12-15 Jahre interessantiert.
Jetzt kann aber jeder selbst bewerten, wie er gehandelt hätte und was er/sie aus obigen anekdotische Fakten für den aktuellen Markt ableitet. Was wahrscheinlich war ist:
Die Realität ist dann doch deutlich komplexer als dass sie sich in drei Zahlen abbilden lässt und es spielen auch eine Menge subjektive Faktoren eine Rolle.
Würde mich freuen, wenn der Bericht dazu beiträgt, dass keiner in Panik verfällt und sich jeder selbstbewusst fühlt, eigene Entscheidungen zu treffen - ganz unabhängig von Meinungen hier oder in Zeitungen/Onlineportalen.
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