Heute erster Tag Weihnachtsferien und was macht man da als Lehrer? Im Internet gucken, was andere so über den Job denken und schreiben. Und das ist teilweise echt interessant, aber mitunter doch auch reichlich naiv bzw. aus der Schülerperspektive (die vielfach offensichtlich nie hinterfragt wurde) abgeleitet.
Nein: Ich arbeite nicht meine 27 Wochenstunden (je 45 Min.) ab und fahre pünktlich um 13 Uhr in den "Feierabend". Ich bekomme als A13 in BaWü auch nicht meine 4k Netto monatlich aufs Konto überwiesen. Ich werde auch jetzt in den Weihnachtsferien viele Stunden arbeiten, da sich etliche Korrekturen aufgestaut haben. Die konnte ich vorher nicht erledigen, da ich unter der Woche kaum vor 15-16 Uhr aus der Schule raus komme und danach ist Familie angesagt. Den Unterricht bereite ich meist zwischen 21-24 Uhr vor. Ja tatsächlich: Unterricht muss vorbereitet und nachbereitet werden. Auch ohne großartigen Budenzauber und selbst erstellte Arbeitsblätter geht keine didaktisch halbwegs sinnvoll geplante Stunde unter 15-30 Minuten und die Zeit rennt einem unter den Fingern davon. Hinzu kommen die ständigen Zusatzaufgaben, welche notorisch unterschätzt werden. Schüler und Eltern kontaktieren einen zu jeder Tages- und Nachtzeit (Digitalisierung lässt grüßen), auch Kollegen machen das, mit denen man sich ständig absprechen und koordinieren muss (der Lehrer arbeitet heute selten als kompletter Einzelkämpfer wie in früheren Zeiten); ich mache dann noch die Homepage der Schule, da sitze ich auch schnell mal zusätzlich 1-2 Stunden am Tag dran, wenn Kalender aktualisiert und Berichte eingepflegt, korrigiert und ggf. auch geschrieben werden müssen. Fast alle Kollegen haben ähnliche Zusatzaufgaben, das ist normal und wird stillschweigend erwartet. Oft denken die Leute, dass Lehrer keinen Druck von oben haben. Gerade die jüngeren Kollegen haben diesen ganz enorm, geht es doch um gute Beurteilungen und Karriere. Man darf auch Faktoren wie Ehrgeiz und Konkurrenzdenken nicht unterschätzen - auch Lehrer sind hier ganz normale Menschen. Die ganzen Schulveranstaltungen rauben einem dann noch die letzten freien Nachmittage: Sportfest, Weihnachtsmarkt, Lesewettbewerb, Tag der offenen Tür etc.) und daneben laufen noch etliche Fachschaftssitzungen, Dienstbesprechungen, GLKs, Elterngespräche (da sitzt man schnell mal 1-2 Stunden mit nörgelnden Eltern nach dem Unterricht in einem Klassenzimmer, um die Notengebung der letzten Klassenarbeit des verkannten Sprösslings zu rechtfertigen, damit sie einem nicht zum Schulleiter oder am besten gleich Schulamt rennen...).
Kurzum: Der Job lässt sich schwer unter 50 Stunden wöchentlich sinnvoll ableisten. Da mag es Phasen geben, wo man mal bei 40 Stunden liegt, dann arbeitet man aber wieder mehrere Wochenenden durch und unter der Woche bis in die Nacht hinein, weil Prüfungen/Korrekturen etc. geballt anstehen. Im Schnitt also etwa 50 Stunden pro Woche, das ist realistisch und diese Zahl wird auch häufiger genannt.
Mein Verdienst liegt nach mehreren Jahren im Beruf (mit Familie) und A13 nach Abzug der privaten Krankenversicherung (450 Euro) bei ca. 3.300 Euro netto. Davon kann man gut leben, zumal meine Frau auch Lehrerin ist, allerdings auf halber Stelle (wie üblich bei Familie). Müsste ich komplett alleine die Familie durchbringen, wäre es schon wieder gar nicht mehr so üppig. Mein Schwager ist Ingenieur (Maschinenbau) und verdient in etwa gleich. Ich würde jetzt nicht sagen, dass er notwendigerweise mehr arbeitet. Es ist eine andere Arbeit. Beneidenswert finde ich, dass er z.B. zweimal wöchentlich komplett von daheim aus arbeiten kann. Das sind dann offenbar recht entspannte Tage für ihn - hat er selbst zugegeben.
Das vermisse ich manchmal als Lehrer, denn die reinen Unterrichtsstunden sind schon häufig sehr fordernde Arbeitsphasen. Man muss ja immer sehr präsent sein vor Klassen, alles im Blick haben, die Schüler und den Stoff, Lernprobleme erkennen, nachsteuern, individuell auf Verständnisprobleme eingehen und das permanent. Nebenbei ist man auch oft noch Sozialarbeiter, Erzieher und Mediator bei Streitigkeiten. Das kann schon aufzehren, wenn man mal mehrere anstrengende, pubertär durchsetzte Klassen mit speziellen Schülern erwischt. Wenn man mal gesundheitlich nicht voll auf der Höhe ist, merkt man schnell, dass der Job meist alle Ressourcen beansprucht, die man aufbringen kann.
Ich kann auch vergleichen, da ich - wie viele meiner Kollegen übrigens - früher viele Jahre in einem anderen Beruf tätig war. Dort verdiente ich zwar deutlich weniger, hatte dafür aber klar abgegrenzte Arbeitszeiten (Schichtdienst) und konnte die Arbeit nach Feierabend im Betrieb lassen. Trotzdem finde ich meinen Lehrerjob insgesamt ansprechender, da er viele Facetten bietet.
Auch nicht vergessen sollte man, dass der Lehramtsstudent sich komplett festlegt. Er studiert früh schon auf das eine Ziel hin und wenn das nicht klappt, wird es ganz schnell sehr eng. Das führt dazu, dass man im Referendariat doch sehr unter Erfolgsdruck steht, was von Ausbildungsseite nicht selten auch reichlich ausgenutzt wird. Der Psychoterror, den ich im Referendariat durchleben musste, wünsche ich meinem ärgsten Feind nicht. Genug geschrieben.
Eines vielleicht noch: Wir haben hier in Deutschland ein vergleichsweise gutes Bildungssystem, um das uns viele Länder beneiden. Natürlich werden dort Lehrer schlechter bezahlt - wer etwas aus sich machen will, muss dort Privatschulen besuchen und sich verschulden, weil das staatliche Bildungssystem für die Tonne ist.
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