WiWi Gast schrieb am 14.11.2022:
Wie kommst darauf?
WiWi Gast schrieb am 14.11.2022:
Ich bin seit 12 Jahren in der Gewerkschaft aktiv und habe schon ein paar Verhandlungsrunden miterlebt. Im Prinzip ist es so, die Gespräche laufen natürlich schon weit im Voraus bevor der aktuelle Vertrag endet und werden dann in den ein, zwei Verhandlungsterminen nur noch mit spitzer Feder austariert. Jedes mal gab es die Killer-Argumente auf beiden Seiten (Finanzkrise, China kommt und kauft uns auf, Massive Investitionen für die Digitalisierung lassen kein Budget für Lohnerhöhung) und jedes Mal hieß es, wenn wir jetzt x% mehr Tabelle einführen dann gehen 30% der KMUs hopps. Das ist so natürlich nie eingetreten. Für die Abschlüsse während Corona war man tatsächlich besorgt und konnte sich relativ schnell drauf einigen, dass es mehr um die Arbeitssicherung als um eine tabellenwirksame Erhöhung gehen soll, da ja wirklich niemandem klar war wie lang sich das ganze noch zieht.
Jetzt in dieser Verhandlung haben wir allerdings ein Szenario, was es die letzten 30 Jahre nicht gegeben hat. Von den "fadenscheinigen" Argumenten des Arbeitgeberverbands sind tatsächlich drei Stück als wirklich gravierend einzuschätzen, nämlich der Krieg in Europa (Auch wenn es viele nicht wahr haben wollen - in Lemberg schlagen die Raketen ein, das ist von Berlin näher dran als München von Hamburg) und dessen unsichere Auswirkungen auf die Zukunft, die Lieferschwierigkeiten bei bestimmten verarbeitenden Rohstoffen sind noch lange nicht behoben (Was viel mit Politikum zu tun hat - Trotzdem nicht einfach aus der Welt zu schaffen) und die aktuelle Energiesituation (Strom, Heizen, Tanken), die vielen Unternehmen jetzt schon gefährlich werden. Dass über dem ganzen noch der Corona-Schatten lauert, das haben die meisten auch schon gar nicht mehr auf dem Schirm.
Ich war in den meisten Verhandlungen (Es gab nicht nur die 4 offiziellen aus der Zeitung) selber mit dabei und wir haben uns abseits davon auch mit vielen anderen Gewerkschaftsniederlassungen getroffen und besprochen. Manche haben uns berichtet, dass einzelne KMU Chefs persönlich bei Ihnen aufgeschlagen sind und fast schon unter Tränen darum gebeten haben, keine Tabellenerhöhung zu fordern sondern noch 1-2 Jahre damit zu warten bis sich von den 3 Problemen wenigstens 1 oder 2 harmonisiert haben. Viele verstehen einfach nicht, dass bei manchen Unternehmen die Personalkosten 30-40% der Gesamtkosten ausmachen und bei einer Lohnerhöhung von z.B. 8% für die Unternehmen ja auch noch die Personalnebenkosten (Arbeitgeberanteile, BAV etc.) von bis zu fast 50% draufkommen, also 8% mehr Lohn für euch bedeuten 12% mehr Kosten für ein Unternehmen. Kombiniert mit affig hohen Energiekosten oder Einkaufspreisen für Bauteile ergeben sich für manche Unternehmen wirklich existenzbedrohende Situationen. Dass es 3/4 der Unternehmen gut geht und die großen Player Gewinne ohne Ende einfahren ist natürlich bitter, aber auch 1/4 der IGM Unternehmen zu "verlieren" wäre für die gesamtwirtschaftliche Lage in Deutschland einfach extrem schädlich.
Das Lohnniveau in der IGM ist extrem hoch. Keiner der hier arbeitet muss sich ernsthafte Zukunftssorgen machen, auch wenn die Inflation gerade einigen Bauchschmerzen bereitet. Im Gegenteil, es würde vielleicht manchen gar nicht schaden, einfach mal den Lebensstandard etwas runter zu schrauben.
Gegenargumente:
Bei IGBCE klappts doch auch? Andere Strukturen, Margen, weniger KMU mehr Großbetriebe etc.
Wir planen aber in der Firma mit 3-4%? Das sind nur die Rückstellungen die so oder so gebildet werden.
Keine Tabellenerhöhung seit x Jahren? Ist einfach blöd gelaufen. Erst die 2 Jahre Corona und dann die heutige Situation sind einfach viel Pech auf einmal.
Bei der 8% Forderung würde sich die IGM nie die Blöße geben eine Nullrunde zu akzeptieren? Haben sie bereits akzeptiert. Die einzigen, die dass nicht mit ihrem Stolz vereinbaren können sind eine handvoll Altmitglieder (Vorallem aus dem Pilotbezirk) und die werden dem Druck auch nicht mehr lang stand halten weil sie sonst abgesägt werden.
Ich hätte mir auch mehr gewünscht aber in den sauren Apfel müssen wir jetzt beißen. 2024 können die Arbeitgeber dann auch nicht mehr aus.
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