WiWi Gast schrieb am 17.08.2022:
Mit den Deutschen kann man es halt machen.
Wir sind "wohlstandsfaul" geworden.
Dem zweiten Satz kann ich zustimmen, aber der erste Satz ist ziemlicher Unsinn.
Inflation ist kein deutsches Phänomen sondern überall vorhanden. Dass aufgrund von Tariflaufenzeiten usw. nicht sofort eine Anhebung der Gehälter folgt, ist auch irgendwie selbstredend und das hat nichts mit "mit uns kann man es halt machen" zu tun.
Gleichwohl gab es erst vergangene Woche beim Abschluss für das Bodenpersonal bei der LH einen ersten Fingerzeig, was auch bei den kommenden Tarifabschlüssen herauskommen könnte. Zur Erinnerung - bei den unteren Lohngruppen gab es dort ein üppiges zweistelliges (%) Plus. Ich war ob der Höhe überrascht und fand den Ansatz, durch ein absolutes Plus (+300€ oder so) und zusätzlich ein niedrigeres zusätzliches prozentuales Plus, den niedrigen Gehaltsgruppen eine relativ höhere Gehaltserhöhung zukommen zu lassen.
Da die Inflationsrate auch monatlich berechnet wirst, hoffest du doch wohl auch hoffentlich nicht, dass jetzt monatlich eine Gehaltsanpassung, gekoppelt an die Inflationsrate, stattfindet. Maßvoll wäre es, als Lohnerhöhung die Gesamtjahresinflation für 2022 abzuwarten. Und ob die dann auch 7 oder 8% wie die "momentane Inflation" betragen wird, bleibt abzuwarten.
Wenn man sich mal die internationale Presse anguckt, ist das auch keine neue Erkenntnis. Die sind schon lange der Meinung, dass Deutschland der willige Zahlmeister der Welt ist und sich gerne abzocken lässt. Nur die Presse in Deutschland verschweigt das gerne.
Ja klar. In deiner Blase ist das vermutlich so. Bring doch mal konkrete Beispiele, anstatt hier einfach abstrakt "die internationale Presse" zu benennen.
Inflation ist eigentlich gut für die Unternehmen. Die gestiegenen Erzeugerpreise geben die einfach an ihre Kunden weiter. Wenn sie dann noch die Lohnpreise im Zaum halten können, steigt deren Marge.
Diese Mentalität, dass die Marge in jedem Fall konstant sein bzw. steigen muss ist auch einer der Haupttreiber der Inflation. Jeder Preiserhöhung soll sofort an den Endkunden weitergegeben werden.
Viele Hersteller sind auch nur gierig und sehen die Inflation als passendes Argument massiv an der Preisschraube zu drehen. Gab da ein gutes Interview auf WiWo mit dem REWE-Einkaufsleiter. Ergebnis, viele internationale Lebensmittelkonzerne erhöhen ihre Preise nur, weil man es mit den Deutschen machen kann. Teilweise 30-50%, weil wir aktuell im "Krisenmodus" sind.
Also wenn du mal über den Tellerrand schaust, wirst du sehen, dass die Preise überall, und nicht nur in Deutschland steigen (weil man es mit uns ja angeblich machen kann). Auch für Lebensmittel!
Darüberhinaus ist die Preisentwicklung v.a. bei Lebensmitteln beileibe keine Einbahnstraße. Es ist noch nicht lange her, da sind die Milchpreise mal auf ein historisches Tief gefallen und alle Milchbauern haben um Hilfe gerufen, weil sie ihre Kosten kaum noch decken konnten.
Auf dem (gesättigten) deutschen Lebensmittelmarkt herrscht zudem - getrieben durch die Discounter Al*i und L*dl ein sehr starker Wettbewerb, bei dem die Ankündigung einer Preissenkung durch den Preisführer unmittelbar Preissenkungen aller anderen Anbieter nach sich zieht. Und wenn du mal in Nachbarländer schaust (v.a. die Schweiz) wirst du erkennen, dass Lebensmittel bei uns immer noch verhältnismäßig günstig sind.
Richtig übel finde ich im Moment, dass der Staat marktwirtschaftliche Prinzipien aushebelt. Leute die langfristige Lieferverträge mit ihrem Versorger geschlossen haben, sind trotzdem von den Preiserhöhungen betroffen. Anbieter die sich verzockt haben, werden vom Staat gerettet. So kann langfristig kein funktionierender Markt entstehen und ich sage voraus, dass wir dauerhaft mit deutlich höheren Gaspreisen leben müssen, weil ineffizient Anbieter und schlechte Bezugswege künstlich am Leben erhalten werden.
Du kannst das übel finden, aber der Ausfall (Zahlungsunfähigkeit) eines großen Versorgers wie Un*per hätte wohl noch größere Verwerfungen für den Markt zu Folge und würde die Versorgung komplett gefährden. Insofern ist der staatliche Eingriff in den Markt hier wohl das kleinere Übel. Genau wissen werden wir das vermutlich erst im oder nach dem Winter.
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