Warum wird gesagt, dass Ärzte wenig verdienen? Verdienen Ärzte tatsächlich zu wenig?
WiWi Gast schrieb am 30.10.2024:
Zusammenfassung:
108k (28%) Ärzte mit 172k Reinertrag was etwa 140k brutto entspricht
60k (15%) Ärzte in Anstellung in Praxen und MVZ, davon die Mehrheit zwischen 75k und 90k
17k (4%) Chefärzte und leitende Oberärzte - die leitenden Oberärzte sind im Tarifvertrag bei 120k bis 140k, die Chefärzte natürlich höher, tlw. deutlich höher
205k (53%) Ärzte in Kliniken: Assistenzärzte, Fachärzte, Stationsärzte, Oberärzte - 65k bis 120kGrößter Trend aktuell: die massive Zunahme von MVZ, wo Ärzte in Anstellung arbeiten und der massive Rückgang von freiberuflich tätigen Ärzten.
2010 gab es noch 1.503 MVZs, 2018 waren es ca. 3.200 MVZs und 2022 waren es 4.574 MVZs. 2023 schließlich 4.897 MVZs.
Hier noch mal die realistische Zusammenfassung, was für jetzt angehende Mediziner möglich ist. Die selbständigen Praxen nehmen immer mehr ab, die MVZs mit angestellten Ärzten nehmen immer mehr zu. Wer von den Eltern keine Praxis erbt, sollte sich den Karriereweg eigene Praxis aus dem Kopf schlagen. Auch Chefarzt oder selbst leitender Oberarzt ist keine planbare Karriere.
Planbare Karrieren sind:
- Facharzt/Stationsarzt in der Klinik mit 84k bis 105k (nach 12 Berufsjahren als Facharzt) Grundgehalt; mit Schichtarbeit, Arbeit am WE, Arbeit an Feiertagen wie Ostern, Weihnachten oder Silvester und Neujahr und mit Überstunden - dafür auch noch Potenzial für Zulagen und Zuschkäge zum Grundgehalt (hart verdient!)
- Oberarzt ist m.E. schon nicht mehr planbar, aber gut: Grundgehalt geht dann im 7. Jahr als Oberarzt nochmal auf 120k hoch
- Wer ein normales Familienleben möchte, geht in die Anstellung: Es gibt hier zahlreiche Vorteile: Man kann die Kinder morgens noch zur Schule oder in den Kindergarten bringen, man hat meist nur 2 oder 3 lange Tage pro Woche, wo man die Kinder abends trotzdem noch sieht (im Regelfall hat eine Praxis an langen Tagen offiziell bis 18 Uhr auf, was meist bedeutet, dass die letzten Patienten zwischen 18:30 und 18:45 gehen; danach noch Schreibkram und hoffentlich 19 Uhr losstarten, damit man 19:30 Zuhause ist - je nach Arbeitsweg); keine Arbeit mehr Nachts oder am Wochenende oder an Feiertagen, welche man lieber mit der Familie verbringt - dafür sind Gehälter von 75k bis 90k üblich und eine Umsatzbeteiligung erhält nur eine kleine Minderheit
Das sind die planbaren Karrieren für eine Kohorte, die eh schon vorselektiert ist (mittlerweile wurde die Wartezeit abgeschafft und Abitur 1,0 ist nahezu die Voraussetzung). Und ganz ehrlich sollte auch jeder verstehen, dass 75k-90k ohne Schichten, ohne WE, ohne Feiertagsarbeit usw... für viele die bessere Option ist als Klinik mit Überstunden, Stress, WE, Feiertag usw. für 10-15k mehr Grundgehalt.
Die meisten Exits von MBB, T2, Big4 Senior WP usw... laufen doch genauso ab. Meist geht das All-In-Gehalt runter, dafür verbessert sich die Work-Life-Balance massiv. Nichts anderes ist der Exit aus der Klinik in die Anstellung bei einer ambulanten Praxis/MVZ.
Und, diese Median-Karrieren sind natürlich wesentlich besser als die Median-Karriere eines BWLers. Im Median dürfte der BWLer immer noch im KMU landen und irgendwann über 55-60k glücklich sein. Konzerne mit Tarifverträgen oder MBB & Co. sind NICHT der Median. Aber natürlich ist die Kohorte der BWLer auch nicht so vorselektiert.
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