WiWi Gast schrieb am 07.06.2024:
Ich bin nicht der auf den du dich beziehst. Ich bin ebenfalls Nawi (wenn man denn Mathe dazu zählen möchte). Dass man "Assistenzärzte wie Nutzvieh hält" kann sicher niemand für gut heißen und die Arbeitsbedingungen insbs in der Chirurgien der Unikliniken sind sicher kritikwürdig. Zweifelsohne sind aber 70-100k als Assistenzarzt kein schlechtes Gehalt - Im Gegenteil, es ist nachweißlich im Mittel das beste Gehalt über alle Akademikerjobs. Und das mit großem Abstand.
Eben nicht beim Netto-Stundenlohn. Ich verstehe einfach nicht, warum einfach konsequent ignoriert wird, dass Arbeitsbelastung- und Intensität deutlich über den Durchschnitts-Akademikerjob hinausgehen.
WiWi Gast schrieb am 07.06.2024:
Ausserdem gibt es das absolut sicher für jeden in jedem Dorf Deutschlands. Wie du schon selbst anmerkst bekommt man dafür ein sehr stimmiges Gesamtpaket aus verschiedenen Faktoren (fachlich Herausfordernd, gesellschaftlich Sinnvoll, keine Bullshittätigkeit etc) mit unendlich vielen Optionen - auch außerhalb der Klinik.
"Keine Bullshittätigkeit" - Ärzte werden mit Bürokratie überschwemmt, nur so am Rande. Dass man einen per se inhaltlich sinnvollen Job hat steht außer Frage.
WiWi Gast schrieb am 07.06.2024:
Und da kommen wir schon zum springenden Punkt: Du vergleichst in deinem Kommentar den absoluten Überflieger-Nawi in einer Senior Management-Tätigkeit bie MBB mit einer normelen Assistenzärztin an der Klinik (nagut, die Oberärztin werden möchte).
Assistenzärztin an einer Uniklinik mit 1.0-Abi, Abschluss besser als 1.5, summa-cum-laude-Diss mit mehreren Jahren Labortätigkeit neben dem Studium und Erstautorenschaft mit IF > 10 zur Promotion. Mittlerweile mehrere Hunderttausend Euro Forschungsgelder eingetrieben. Mehrere klinische und experimentelle Erstautorenschaften nach Promotion.
Meine Frau hat in meiner Wahrnehmung wesentlich mehr erreicht als ich und wird mein Gehalt vermutlich nie erreichen.
WiWi Gast schrieb am 07.06.2024:
Wenn ich deine Zahlen richtig Interpretiere, hast du in der "Industrie" mit 30 ein Angebot über 250k Jahresgehalt bekommen. Das bekommt man in DAX -Konzernen meines Wissens nur, wenn man Abteilungsleiter oder höher ist. Das bekommen selbst fachlich überragende Nawis oft ihr ganzes Leben nicht.
Ja, aber für solche Angebote sollte man als Berater aber tendenziell nicht in DAX-Konzernen schauen, die haben erstens genug Eigengewächse und stellen nur sehr selten Berater auf einem entsprechenden Senioritätslevel ein. Aber das ist ein ganz anderes Thema.
Trotzdem sind solche Gehälter etwas, was man bei entsprechendem, jahre- bis jahrzehntelangem Einsatz realistisch erreichen kann. Man muss sich halt reinhängen und nicht nur rumheulen, dass andere Berufsgruppen mehr verdienen.
WiWi Gast schrieb am 07.06.2024:
Weiterhin steht der Weg zu MBB und die anschließende Management Karriere auch Ärzten offen.
Und Nawis.
WiWi Gast schrieb am 07.06.2024:
Ein fairer Vergleich würde also nur Sinn machen, wenn der Nawi in einem Nawijob arbeitet.
Warum? Weil man ein Menschenrecht darauf hat, in seinem Wunschgebiet zu arbeiten, und so viel wie jemand zu verdienen, dessen Tätigkeit die Gesellschaft für wesentlich erachtet?
WiWi Gast schrieb am 07.06.2024:
Wenn man dann annähernd die gleichen Konditionen (flexibler Arbeitsort, Weiterbildungsmöglichkeiten etc) wie bei Ärzten fordert, bleibt eigtl nur die Professur oder eine Tätigkeit bei Google etc und da sind wir bei einer Erfoglswahrscheinlichkeit die eher der entspricht, Chefarzt zu werden.
"Flexibler Arbeitsort"? --> Dein Kassensitz ist ortsgebunden, du kannst deine Praxis nicht einfach verlegen. Dasselbe gilt für forschende Ärzte an Kliniken. Deine Gelder sind auch an deine konkrete Klinik gebunden, du kannst nicht einmal innerhalb derselben Stadt die Klinik wechseln, ohne im Extremfall deine gesamte Forschung zu verlieren.
Weiterbildungs"möglichkeit"? Wovon redest du? Du bist gezwungen, unter besch*ssenen Bedingungen deine Weiterbildung zu machen, sonst war dein Medizinstudium im Prinzip nichts wert, weil in Deutschland zum Glück Facharztstandard herrscht und man als Nicht-FA nicht ohne Aufsicht Patient behandeln darf. In deiner Freizeit fortbilden (wie es Ärzte ebenfalls machen MÜSSEN) kannst du dich auch selbst.
Vorteile am Arztberuf, die du komischerweise nicht nennst:
- Absolute Sicherheit, immer einen gutbezahlten Job zu haben, selbst nach der kommunistischen Weltrevolution
- Extremes (regelrecht verzerrtes) gesellschaftliches Ansehen - für den Normalbürger ist man weiterhin der Gott in Weiß
Weitere Nachteile:
- Auf Ärzte werden immer mehr Aufgaben abgewälzt, die nicht ärztlich sind, sondern eher vom Pflegepersonal, den Studienassistenten etc erledigt werden sollten - weil bei diesen Berufsgruppen ein viel größerer Mangel herrscht. Meine Frau saß schon bis 21 Uhr in der Klinik und hat Arztbriefe mit CDs verschickt (also ausgedruckt, CD gebrannt, in den Umschlag getan), weil es niemand anderes gemacht hat
- Man ist international leider sehr unflexibel, weil der Zugang zum Gesundheitssystem von den meisten Ländern stark reglementiert wird
- Gehalt und Bezahlung sind staatlich reglementiert und können auch gerne mal nach unten angepasst oder jahre- bis jahrzehntelang eingefroren werden (Uniklinik-Ärzte hatten 2022 zum Beispiel eine Gehaltsnullrunde); die Gebührenordnung für Ärzte ist noch aus den 90ern!
- Der zwischenmenschliche Umgang in vielen Kliniken ist unter aller Sau
Ich habe bei vielen Foristen hier - auch bei dir - den Eindruck, dass sie noch nie in ihrem Leben mit einem Arzt (Klinikarzt) über seinen Job geredet haben. Wieso bildest du dir dann eine Meinung?
Die Diskussion hier hat den Charakter einer fürchterlichen Neiddebatte. Hier wollen lauter Leute (vornehmlich in ihrer Eitelkeit gekränkte Nawis) nicht eingestehen, dass es nunmal Leute gibt, die einen stressigeren, aufwändigeren und gleichzeitig von der Gesellschaft als wichtiger erachteten Beruf ausüben. Blöd, dass das ausgerechnet die Mediziner ist, auf die man in den Laborpraktika immer so herabgeschaut hat :)
antworten