Grundsätzlich hat der Verfasser der ersten Antwort recht: auf r/CFA und analystforum wirst du viele gute 1st hand Erfahrungen finden. Da ich vor ein paar Jahren selbst sehr mit dieser Entscheidung gerungen habe gebe ich hier trotzdem einen etwas ausführlicheren Erfahrungsbericht ab.
Aus meiner Sicht liegt die Schwierigkeit in der Menge des Stoffes sowie dem bereits erwähnten Lernen neben einem Vollzeitjob. Ich (als Lvl. 3 Candidate) empfinde den Prozess als deutlich anspruchsvoller als meinen Master und habe wesentlich mehr und strukturierter lernen müssen. Im Vergleich zu meinen (begrenzten) Programmiererfahrungen ist der Lernprozess auch deutlich trockener, da die kleinen Erfolgsmomente (z.B.neuen Plot mit Pandas erzeugen oder Standardaufgabe automatisieren) im Großen und Ganzen ausbleiben. Vor allem die ersten CFA-Probeexamen sind in der Regel sehr frustrierend.
Passing rates von 50% sind korrekt, wobei diese als bedingte Wahrscheinlichkeiten betrachtet werden sollten. Die Wahrscheinlichkeit, dass man die drei Level besteht liegen (vereinfacht gesagt) bei 0.5x0.5x0.5=12.5%.
Inhaltlich ist der CFA extrem weit gefasst, macht dich aber nicht zu einem Spezialisten - du bist nachher kein Experte in irgendeinem (Finanz-)Bereich, wirst aber überall ziemlich schnell rein finden und mitreden können. Von grundlegender Ökonometrie über Risikomanagement, Bilanzierung, Modelling, VWL bis hin zu Derivatestrategien ist eigentlich alles dabei. Du wirst natürlich auch Leute ohne CFA treffen, die genauso viel Ahnung haben - aber eben keinen Charterholder, der komplett ahnungslos ist. Das ist die Hauptaussage, die dieses Zertifikat treffen kann. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Ob er einen Master ersetzen kann ist ein anderes Thema. Für HR ist ein Master nämlich oft ein Kriterium, hinter das sie einen Haken setzen wollen, ein CFA wird eher als nice-to-have betrachtet. Darüber hinaus ist das Timing entscheidend: Man bewirbt sich ja nicht als Bachelor-Absolvent mit CFA, sondern tendenziell mit mehreren Jahren Berufserfahrung. In diesem Fall kümmert es sowieso schon fast keinen mehr wo/was du studiert hast, entscheidend ist dann die praktische Erfahrung die man mitbringt. Aus meiner Sicht macht ein CFA vor allem fürs Asset Management Sinn, bei anderen Jobs sollte der Einzelfall entscheiden.
Unterm Strich kann ich ihn dir bei entsprechendem Interesse definitiv empfehlen, allerdings solltest du dir bewusst machen, dass du für jedes Level ein paar Monate deines Lebens konsequent Feierabend gegen Lernen tauschen musst. Viele unterschätzen dies und schmeißen nach dem ersten Level hin - dann solltest du dir das Geld und den Aufwand lieber sparen und einen Udemy-Kurs machen oder ein Buch lesen. Denn auch wenn der CFA-Content sehr gut zusammengestellt ist findet man dort nichts, was man sonst nirgendwo lernen kann.
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