Frugalismus und Rente mit 50 - meine Motivation
Ich habe hier schon bisschen gelesen und in einem anderem Thread wird ja beispielsweise Frugalismus ziemlich belächelt, zumindest von manchen.
Warum nicht durchziehen bis 70 usw.? 70? Ja richtig, 70. Eher wird es für unsere Generation (Ende der 80er oder Anfang der 90er geboren) keine Rente geben. Rente mit 67 gilt für den Geburtsjahrgang 1964, welcher 2031 in Rente geht. Unsere Generation, zumindest meine Generation, geht 20-30 Jahre später in Rente.
Aber selbst bei Rente mit 67, günstigen Wanderungsprognosen (Annahme: Es kommen viele junge und qualifizierte Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt, bitte keine themenfremde Diskussion dazu starten, danke) und günstigen Geburtsprognosen verschlechtert sich das Verhältnis Rentner zu Arbeitskraft bis 2040 kontinuierlich. 2031 kann also nicht Schluss sein mit der Erhöhung des Renteneintrittsalters. 2040 bis 2050 kommt es zu einem Zwischenplateau, verbleibt also auf dem miserablen Level von 2040 und ab 2050 geht es weiter bergab (noch weniger Arbeitskräfte je Rentner). Ende de 2050 und Anfang der 2060er geht unsere Generation dann in Rente. Sicherlich nicht eher als 70, evtl. auch später.
Die Rente IST sicher, das ist rechtlich völlig klar und nicht auszuhebeln. Das Renteneintrittsalter jedoch muss zwangsweise steigen, ebenso die Rentenhöhe sinken. In Realwährung gerechnet dürfte sich die Rente fast halbieren. Nicht ganz.
Klar, wir verdienen alle nicht schlecht hier. Das muss man realistisch betrachten. Ein Mindestlohnempfänger bekommt seine 19k Jahresbrutto, die meisten hier verdienen doppelt oder dreifach, sammeln also auch doppelt oder dreifach Rentenpunkte.
Trotz allem geht es ohne private Vorsorge nicht. Riester ist dabei eine reine Gelddruckmaschine für die Versicherungen, eine negative Rendite ist wahrscheinlich. Aber immerhin, man hat etwas.
Doch ich arbeite nun auch schon einige Jahre und meine Motivation ist die Erfahrung, welche ich gemacht habe im Umgang mit älteren Mitarbeitern. Einerseits wie diese behandelt werden, andererseits aber auch wie diese studierten Leute mit Weiterbildungen noch und nöcher kaum noch mithalten können mit der aktuellen Arbeitswelt.
Eine ehemalige Führungskraft in unserem Betrieb wurde mit Mitte 50 aus dem Betrieb gedrängt, zwei andere in mittleren Führungspositionen wurden ebenfalls degradiert. Ich finde sowas echt die Höchststrafe und kann mir nicht vorstellen, dass ich so etwas mitmachen würde. Ehemals Leitung einer kleinen Abteilung mit weniger als 10 Mitarbeitern im Einzelbüro und prompt wurde einfach eine neue Führungsebene zwischen dieser ehemaligen Führungskraft und der nächsthöheren Führungskraft gemacht. Also bspw, von 7 zu 1 wurde 7 zu 1 zu 1. Pro Forma ist diese Person noch Führungskraft der 7 Personen, praktisch steuert alles die neue Führungskraft darüber (Alter Ende 20). Die ehemalige Führungskraft hat auch eine neue Arbeitsstelle (räumlich) bekommen und zwar in der Mitte vom Großraumbüro. Gehalt ist geblieben, wird sich aber nie mehr steigern. Es gibt nicht mal Inflationsausgleich, nichts. Und er muss alle ungeliebten Dummy-Aufgaben machen. Im alten Einzelbüro sitzt jetzt die neue Führungskraft.
Wir haben in unserer Abteilung einen älteren Mann, 59 Jahre, als Elternzeitvertretung einstellen müssen. Er hat an einer Uni studiert vor vielen Jahren und damals, als Studieren ja sogar noch etwas besonderes war. Die erste Stelle lange und anscheinend erfolgreich ausgeübt, es war meiner Ansicht auch eine qualifizierte Stelle für Uni-Absolventen. Warum auch immer er aufhören musste, die zweite Stelle war dann leicht eine andere Richtung, aber immer noch eher höheres Qualifikationsniveau. Diese schon kürzer ausgeübt und dann wurde der Lebenslauf wild. Irgendwelche Weiterbildungen, Kurzzeitstellen als Bürohilfe (also von der Aufgabenbeschreibung her) und die Pausen zwischen den Anstellungen wurden länger. Jetzt bei einer Zeitarbeitsfirma und eben immer wechselnd. Bei uns vermutlich kaum länger als ein Jahr.
Dieser Mann, formal hochqualifiziert für die Stelle, ist einfach untauglich. Simple logische Zusammenhänge werden nicht mehr verstanden. Computer werden mit Ach und Krach bedient. Im Gegensatz zu den Bachelors Mitte 20 ist er einfach nicht "smart". Ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll. Die heutige Arbeitswelt erfordert irgendwie eine andere Art von Wissen und Bildung als das, was dieser Herr gelernt hat. Er wird sich vermutlich in Zeitarbeit von Anstellung zu Anstellung hangeln und sich irgendwie in die gesetzliche Rente, evtl. vorzeitig mit Abschlag, retten.
Und ja Leute, wir sind jünger, digital Natives usw. blabla, aber was in 30 Jahren relevant ist, was die Bachelors in 25 Jahren lernen, wissen wir doch gar nicht. Es wäre naiv anzunehmen, dass sich das Tempo des Fortschritts verlangsamt. Das Gegenteil ist der Fall. Uns wird es dann nicht anders gehen, wir werden formal hochqualifiziert sein, aber jeder Dorf-FH-Berufsbachelor mit 25 Jahren wird uns überlegen sein, wenn wir dann Ende 50 oder Anfang 60 sind.
So ist das bei uns der Abteilung eben auch mit dem obigen Herr. Der bekommt dauernd eine rote Birne, weil er simple Sache nicht versteht. Simple Excel-Geschichten, simple Geschäftszusammenhänge. Sachen, die Praktikanten vorher, welche ein- und ausgingen, innerhalb Tagen komplett durchdrungen haben.
Es ist vielleicht einfach die Plastizität des Gehirns, welche nachlässt. Mit 25 lernt man eher neue Dinge als mit Ende 50 oder Anfang 60. Und die Arbeitswelt heute bedeutet, sich ständig neue Dinge anzueignen. Alles, was Routine ist, ist auch automatisiert. Da braucht es keine KI oder so, sowas wird kommen. Aber Routineaufgaben werden immer und immer weiter wegrationalisiert. Ich habe keine Horror-Visionen davon, dass wir alle arbeitslos werden. Aber Arbeit konzentriert sich, zumindest bei uns, schon täglich auf neues. Es ist schon so, dass besagt obige Person wirklich nur die langweiligsten und einfachsten Routineaufgaben der Abteilung bekommt. Stupide, monotone Arbeiten. Selbst damit ist er überfordert. Das macht ihn ständig fertig. Und wenn er nicht da ist, dann tuscheln wir. Ja, so ist es leider.
Deswegen möchte ich ab ca. 50 Jahren keinesfalls noch auf Arbeit angewiesen sein. Wenn es noch Spaß macht, man qualifizierte Aufgaben bekommt, kollegial geschätzt wird usw. - ok - da kann man halt weiter arbeiten.
Aber in meinem Lebensplan möchte ich nicht darauf angewiesen sein, dass ich mir mit 58 Jahren im Fall der Fall zwingend noch eine neue Arbeitsstelle suchen muss. Und jetzt könnte man hier noch das Thema Beamtentum aufmachen, aber lassen wir das bitte. Ja, Beamtentum könnte vorteilhaft sein, andererseits ist m.W. die Burnout-Rate bei Lehrern am höchsten. Und ja, es gibt auch andere Beamenstellen.
Man muss nicht extrem sparen, aber ich arbeite daran, mir ein ernsthaftes ETF-Portfolio aufzubauen. Und hey, natürlich könnte man einfach GD200-Trendfolge-Strategie machen und es werden sich Perioden der Unterbewertung ergeben. Alles klar, ich möchte nicht diskutieren, wie man spart, sondern ob man sparen sollte.
Und zwar ob man so sparen sollte, so dass spätestens mit 50 Arbeit optional ist. Aus oben genannten Gründen halte ich das für sehr angebracht. Einerseits der Umgang mit älteren Mitarbeitern durch das Management, andererseits die abnehmende Fähigkeit älterer Mitarbeiter, am Arbeitsleben teilzunehmen.
Hier sind dann handwerkliche und manuelle Tätigkeiten fast wieder im Vorteil, denn diese erfordern nicht dieses ständige Lernen von neuem. Ich kenne Handwerker über 60, die sind körperlich gesund und arbeiten. Da wird jeden Tag etwas geschaffen. Der Kopf ist auch hochrot, aber eben wegen körperlicher Arbeit und nicht wegen völliger intellektueller Überforderung mit einfachsten Routinetätigkeiten.
Und wer meint, dass es Einzelfälle sind. Ne, ich sichte schon seit einigen Jahren die Bewerbungen für unsere Abteilung (nicht ich alleine, aber ich sehe jede Bewerbung für jede Stelle). Dieses Muster, Uni, dann 15-20 Jahre Karriere gemacht, tlw. Führungserfahrung und dann driftet es ab in immer kürzere Beschäftigungsphasen, immer mehr Pausen und irgendwelche mehr oder minder sinnvollen Weiterbildungen. Dieses Muster sehe ich sehr häufig. Solche Kandidaten laden wir dann auch nicht ein, wenn wir stattdessen Kandidaten haben von der Uni mit einigen, wenigen Jahren zielgerichteter Berufserfahrung. Wie sagt man so schön, Kandidaten die noch formbar sind. Das ist jetzt gar nicht negativ gemeint, es geht darum, sich in doch so einige Aufgaben einzuarbeiten und Zusammenhänge schnell zu verstehen.
Ebenso dieses Abschießen der Führungskräfte in den 50ern hatten wir hier bei uns ja auch schon öfters. Keine Einzelfälle.
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