Lieber DAX-EK,
als begeisterter Leser Deiner Beiträge muss ich hier doch ein wenig stutzen.
"Gerechtigkeit" ist nicht "Gleichheit". Selbst wenn niemand auch nur einen Euro erben würde, so gibt es doch ganz erhebliche Chancenunterschiede, die nicht rein monetär bedingt sind.
Meine Großeltern auf beiden Seiten flohen aus Pommern, meine Eltern studierten, mussten sich aber materiell alles aufbauen. Großartig vererbt (habe 3 Geschwister) wird mir nichts werden, und bis dahin ist es hoffentlich noch sehr lange hin.
Allerdings bin ich dennoch ungerechterweise irgendwie nicht so "gleich" wie Du es gerne hättest - väterlicherseits habe ich das Erbgut einer seit Generationen "oben" seienden Offiziers- und Theologenfamilie übernommen. Leistungsdruck, Erwartungshaltung an den Nachwuchs, Disziplin, dienen können, Härte gegen sich selbst.
Dazu kommt ein genereller Habitus, Bordieu nennt es so schön "kulturelles Kapital", der mich eigentlich von Kindesbeinen an furchtlos gegenüber "Höhergestellten" hat sein lassen. Bereits in den ersten Berufsjahren bewegte ich mich souverän im Umgang mit den mit weit überstellten Führungskräften, was sich schnell in entsprechender Aufmerksamkeit niederschlug und sich aus Karriere sicht dann auch "auszahlte".
Wie willst du mir diese "Ungerechtigkeit" austreiben?
Und es geht im Leben ja dann noch weiter: größere Männer machen eher Karriere als kleine, sollen kleine Männer also weniger Chancen haben, aufzusteigen - und sich ein Haus zu kaufen?
Gutaussehende Menschen beiderlei Geschlechts kommen eher voran - bist du für die Zwangsentstellung?
P.S.: Insbesondere das von Dir zitierte Beispiel der Oma, deren Gemüsegarten Bauland wird, ist doch eigentlich ein typisches Szenario eines Sozialdemokraten. Da riecht es für mich noch nach Suppe, da wird Landwirtschaft im Nebenerwerb betrieben, ich denke an die kleinen und beengten Siedlerhäuschen in der (z.B.) "Sudetenstrasse".
Nicht den Quandts, sondern Oma Deluweit aus Heilsberg (Ostpr.), deren Mann 1945 "nicht mehr wiederkam" und deren zwei Kinder Klaus-Dieter und Ulrike sich über Realschule und Fachhochschule in halbwegs gutbezahlte Angestelltenpositionen gekämpft haben, deren Kinder Sophie und Alexander wiederum hier im Forum nach dem richtigen Studiengang "an einer nicht so teueren Business School" fragen, der neidest du die von ihr nun wirklich nicht zu verantwortende Umwandlung des Gemüsegartens in Bauland?
Es ist ja auch eher typisch für die Sozialisten, dass die das Großkapital eigentlich gern in Ruhe lassen (schliesslich braucht man ja die Fabrikanten) hingegen dem Nachbarn, dem es nur ein klein wenig besser geht, die Butter auf dem Brot neidet und unter "Gerechtigkeits"-Aspekten wergreguliert.
Ich bin nicht "gleich", und wenn ich mir in München kein freistehendes Einfamilienhaus mit Blick auf die Isar und Laufweite zu den Szenekneipen leisten kann, dann ist das nicht "ungerecht".
DAX Einkäufer schrieb:
"Immer diese Märchen bzgl. Erben:
In Deutschland sind nur 0,2 Prozent der Erfälle über
250k."
Woher hast Du diese Zahl? Ich kann keine Statistik finden, in
der alle Erbfälle aufgeführt sind, also auch die nicht
steuerpflichtigen, bei denen unter den Freibeträgen vererbt
oder verschenkt wird.
Allerdings liefert das stat. Bundesamt eine Übersicht über
die steuerpflichtigen Erbfälle, immerhin 110.000 Fälle im
Jahr 2014, bei denen insgesamt 20,5 Mrd Euro vererbt und mit
4,3 Mrd Euro Erbschaftssteuer belastet wurden, also ca. 20%.
Im Schnitt wurden 180.000 EUR pro steuerpflichtigem Fall
vererbt, verringert um die 20% Steuern.
Außerdem gibt es im Erbrecht sinnvollerweise hohe
Freibeträge, z.B. 400.000 EUR für Kinder und 200.000 EUR für
Enkelkinder. Diese gelten auch für Schenkungen. Oma muss also
nicht sterben, sie kann ihre hintere Grundstückshälfte auch
einfach verkaufen und den Enkeln den Erlös überweisen,
solange das pro Enkel unter 200.000 EUR sind. Da lässt sich
sehr viel Geld steuerfrei verschieben.
"Da kann sich jeder selber ausrechnen, wie entscheidend
ein Erbe ist. Ja, es gibt Einzelfälle, das hat aber
nicht's damit zutun, was üblich ist. Und das spielt beim
Immobilien Erwerb der meisten nur eine ganz untergeordnete
Rolle."
In meinem Umfeld ist die Erbschaft oder Schenkung eine völlig
selbstverständliche Grundlage beim Immobilienkauf. Keiner von
denen, die ich kenne, legt nach 8 mehr oder minder
erfolgreichen Berufsjahren plötzlich 30% Anzahlung für einen
600.000 EUR Haus- / Wohnungskauf auf den Tisch. Das sind
Schenkungen und das geben die Leute im Gespräch auch zu. Oma
hatte irgendwo noch einen Gemüsegarten, der nun Bauland ist
und erfolgreich verscherbelt wurde. Das ist vollkommen legal
und unterhalb der Freibetragsgrenzen. Und so haben sich
einige Freunde sehr anständige Häuschen hingestellt, die sie
aus eigenem Ersparten nie und nimmer hätten bezahlen können.
"Selbst wenn andere Gruppen stärker besteuert werden
würden, würden deine 45% nicht sinken. Es geht also rein um
Schadenfreude, gerne argrumentiert durch toll klingende Worte
wie "Chancengleichheit" und
"Verteilungsgerechtigkeit". Und Schadenfreude ist
bekanntlich ein ganz mieser Charakterzug."
Ja, so habe ich mit 16 auch mal gedacht, als ich noch kein
Verständnis von gesellschaftlichen Gleichgewichten und einer
realitätsnahen Auslegung des Begriffs Chancengleichheit
hatte. Wenn man allerdings mitbekommt, wie hart arbeitenden
Menschen die Immobilien durch die Lappen gehen, weil sie von
weniger hart arbeitenden Erben überboten wurden, dann stimmt
einen das sehr stutzig und selbst mit mir geht dann für einen
Moment die sozialistische Phantasie durch.
Eine Grundvoraussetzung ist natürlich, dass man überhaupt ein
Fünkchen Interesse an einer gerechten Gesellschaft hat. Geht
ja nicht jedem so.
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