Zufriedenheit im Beruf
Ich möchte mir ein paar eigene Erfahrungen von der Seele schreiben und vielleicht zum Nachdenken anregen, nachdem ich eine Erfahrung gemacht habe, die ich in der Form vorher nicht für möglich gehalten hatte:
Meine erste Stelle hatte ich im HR Bereich als Personalreferent in einem Handelsunternehmen, allerdings als Elternzeitvertretung. Zu der Zeit war ich beruflich recht zufrieden, hatte nette Kollegen und war traurig, als die Befristung auslief. Dann wechselte ich die Stelle zu einem Industrieunternehmen, das hier in der Region ein recht hohes ansehen genießt. Mein Gehalt erhöhte sich von 42K auf 65 K, was ich für jemanden mit zwei Jahren Berufserfahrung ordentlich fand und mein Weg zur Arbeit verkürzte sich drastisch.
Das Problem: Die Abteilung war viel zu groß gemessen an der Unternehmensgröße. Das führte zu Kompetenzgerangel und nicht nur ich hatte recht wenig zu tun. Anfangs zeigte ich mich engagiert, hatte aber das Gefühl, das die Claims abgesteckt waren. Ich fing an, mich zu Tode zu langweilen. Ich suchte regelrecht nach Arbeit, hatte gute Ideen, stieß aber weder bei Geschäftsführung, noch beim Personalleiter damit auf Interesse. Die Kommunikation innerhalb der Abteilung war eine Katastrophe, ebenso wie die Einarbeitung, die faktisch keine war. Trotz der Rahmenbedingungen (37-Stunden Woche, gutes Gehalt, kurzer Arbeitsweg und keinerlei Stress), fühlte ich mich ständig unter Strom. Die wenigen Aufgaben, die ich hatte, erfüllte ich gut, erfuhr hierfür Lob, hatte aber trotzdem Wochen, in denen ich maximal acht Stunden gearbeitet habe. Dadurch, dass ich ein Einzelbüro hatte, fiel es niemandem auf, aber ich spürte den Druck, ständig vorhandene Beschäftigung zu "heucheln". Manch einer wird sich vielleicht fragen, wo das Problem war, wenn es gutes Geld für wenig Arbeit gibt, mich aber hat es zusehends frustriert. Ich versuchte auch, meinem Vorgesetzten durch die Blume zu signalisieren, dass ich durchaus noch Aufgaben übernehmen könnte, aber es brachte nichts, zumal ich mehr und mehr das Gefühl hatte, dass es einigen Kollegen ähnlich ging, auch wenn dies niemand offen aussprach. Ich wollte mich nicht schon nach so kurzer Zeit wieder anderweitig bewerben, weil ich überzeugt war, dass dies keinen guten Eindruck machen würde.
Trotz der überschaubaren Arbeitszeiten wurde ich immer antriebsloser, nahm an Gewicht zu und verlor auch im privaten Bereich viel an Motivation. Irgendwie geriet ich in einen Strudel hinein, ohne dies zu merken. Ich fragte mich sogar, ob die Berufswahl die richtige gewesen sei und zweifelte an mir selber. Ich fühlte mich immer unwohler und das Schlimmste war immer der Sonntag Abend, wenn wieder eine Woche anstand, bei der ich nicht wusste, wie ich die viele Zeit totschlagen sollte. Manchmal las ich ein Buch, das in einem Aktenordner lag (falls doch mal jemand reinkommen sollte), handelte während der Arbeit mit Aktien und erledigte Papierkram für meine Frau, die selbständig ist (auch das merkte niemand und so hatte es wenigstens den Vorteil, dass ich neben meinem Gehalt auch noch zusätzliche Einnahmen mitgenerieren konnte). Zufrieden stellte mich all dies nicht. ich merkte auch, wie ich immer schweigsamer und verschlossener, fast schon schüchtern wurde, was sonst nicht meine Art ist.
Nach zwei Jahren wurde ich bei Xing angeschrieben. Ein Mittelständler in der Nähe sucht einen Personalreferenten mit Option auf Nachfolge des Personalleiters. Ich bekam die Stelle und hatte anfangs noch mit riesigen Selbstzweifeln zu kämpfen, da ich zwei Jahre lang kaum praktisch gearbeitet hatte und mein Selbstbewusstsein im Keller war. Vom ersten Tag an war ich dann aber begeistert von dem positiven Klima, der lockeren Art und ich blühte regelrecht auf in den ganzen Aufgaben, die ich nun hatte. Vor drei Monaten habe ich dann die Nachfolge des Personalleiters angetreten und es läuft gut. Ich arbeite oft länger als früher und bin nach Feierabend trotzdem noch voller Energie für private Unternehmungen. Ich komme gerade aus einem zweiwöchigem Urlaub zurück, in dem ich sehr viel über mich und diese Zeit nachgedacht habe und ich erschrecke mich teilweise selber vor dem Haufen Elend, der ich einst war. Ich habe mittlerweile 11 Kilo abgenommen, sehe körperlich besser aus als früher und innerlich hat sich bei mir so viel verändert. Ich glaube, ich kann meinen Zustand in der alten Firma durchaus als depressiv bezeichnen und erschrecke mich heute, was ein falscher Arbeitsplatz aus einem Menschen machen kann.
Ich weiß nicht, ob es anderen hier schon einmal ähnlich erging, aber wenn man Statistiken zur "inneren Kündigung", Burnout etc. liest, ist das Problem offenbar gar nicht so selten.
Über einen Erfahrungsaustausch würde ich mich freuen.
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