Berufsausstieg big4
Hallo,
ich plane nach 3 Jahren big4 (Bereich Audit) zu verlassen. Vor drei Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich aufhöre, da ich so überzeugt war, dass ich mich für das Richtige entschieden habe.
Die Gründe für mein Ausscheiden liegen teils in systemimmanenten Strukturen und Abläufen bei big4. Diese Firmen sind hochgradig mechanisch (aus deren Sicht "effizient") organisiert (von Auftragserzielung, Auftragsdurchführung bis zur Abrechnung). Als Arbeitsanweisung dient ein weltweit abgestimmter Prüfungsansatz für alle Mitarbeiter von CEO bis zum Praktikanten. Der Prüfungsansatz ist vergleichbar mit einer Montageleitung bei einer Fließbandarbeit. Da der Prüfungsansatz jedoch teilweise sehr abstrakt ist, hat auch jeder ein anderes (manchmal fragwürdiges) Verständnis von dessen Umsetzung. Da man als Nicht-WPler (selbst diese bekommen die Umsetzung vom Partner vorgegehen) nicht selbst über die Umsetzung entscheiden kann, wird auch die Umsetzung vorgegeben. Dies führt dazu, dass der Prüfer aufgrund der vorgegeben Deadlines und Ansage, nicht mehr als X stunden zu schreiben, alles daran setzt, den Prüfungsansatz so gut wie möglich umzusetzen, um keine Angriffsmöglichkeiten zu erlauben: Manchmal ergeben sich Besonderheiten, die im Prüfungsansatz natürlich nicht enthalten sind: Oft kommt es vor, dass der Mandant schlecht organisiert und das IKS absolut unverlässlich ist, die Stichprobenumfänge sind einfach zu gross, so dass die Erledigung der Arbeit im vorgegebenen Zeitraum nicht realisierbar ist. Die Zusatzstunden können dann nicht kontiert werden, oder man trickst hier und da, um einfach die Prüfung zu verkürzen, ob man an richtigen Stellen gekürzt hat?!
Es wird von einem risiko-orientierten Prüfungsansatz gesprochen; die Umsetzung dieses risiko-orientierten Ansatzes zeigt schon, dass in diesen Unternehmen absolut risiko-averse Bürokraten sitzen müssen: Denn es wird häufig unterstellt, dass alles von A bis Z Risiken sind. Dies hat natürlich Auswirkung dahingehend, dass alles von A bis Z zu prüfen ist vom Prüfungsteam. Diese Vorgehensweise ist vereinbar mit der mechanischen Struktur dieser Firmen; sie sind absolut sachlich orientiert, es macht ihnen nichts aus, dass die Mitarbeiter mehr arbeiten, um die Risiken von A bis Z zu abzudecken, Hauptsache die Arbeit ist gemacht und die absolute Sicherheit erzielt: Motive dieser Vorgehensweise könnten Legitimierung höherer Honorare, Verteidigung im Regressfall, Überholte Denkweise etc. sein. Die Gründe sind mir auch egal, Fakt ist für mich, der Mitarbeiter spielt in diesen Firmen keine Rolle, er muss die gleiche Arbeit (Risiken A bis Z :) ) immer innerhalb kürzerer Zeit erledigen, bei geringerem Gehalt; wenn nicht, gibt es ausreichend Leute, die bereit sind, A bis Z zu prüfen. Dabei wird eine Qualität vorgespielt, die aus meiner Sicht nicht da ist oder sogar noch schlechter wird.
Neben diesen systemimmanenten Faktoren spielt der Faktor Gehalt eine wichtige Rolle. Ich habe festgestellt, dass ich mind. 20% mehr Gehalt bekommen würde, wenn ich in die Industrie wechsle. Das liegt aber nicht daran, dass ich bei big4 arbeite. Jeder mit einschlägiger Erfahrung in der Industrie würde das gleiche Gehalt bekommen. Fakt ist man wird hier als erfahrener Mitarbeiter ausgenutzt. Gehaltserhöhungen werden minimal gehalten. Schon aufgrund dieses Gehaltsgefälles bin ich nicht bereit, in diesem Unternehmen zu arbeiten.
Ich werde zum 31.12.2011 kündigen, die nächste Busy Season findet ohne mich statt. Aber ich weiss jetzt schon, dass es ihnen nichts ausmacht, da es hier ausreichend Berufseinsteiger gibt, die den Platz übernehmen können. Somit schließt sich der Kreis :)
Ich weiß von vielen Kollegen, die auch bereit sind zu gehen oder schon Exit planen. Ich glaube, dieses Jahr werden wieder viele neu eingestellt werden.
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