Frugalismus bedeutet nicht, sich Dinge vom Mund abzusparen. Es bedeutet, seine Bedürfnisse preiswert zu befriedigen. Dazu gehört, zu hinterfragen, was einen im Leben glücklich macht.
Wenn dich regelmäßige Restaurantbesuche, ein großes Haus, ein Luxusschlitten und regelmäßige, teure Urlaube glücklich machen, dann fühl dich frei, so zu leben, wenn du es dir leisten kannst. Der frugale Weg ist vermutlich nicht deiner (was nicht heißt, dass du nicht irgendwann trotzdem Privatier sein kannst, weil du viel verdienst, erbst, gut anlegst, whaterver).
Wenn du aber erkennst, dass du diese Dinge nicht brauchst, ist das ein Ansatz, um frugal zu leben.
Frugale Ansätze gibt es schon: man betrachte Russen und Schwaben. Work hard, play low.
Wenn meine russischen Freunde ihre dicken Autos weglassen und ihr Geld am Finanzmarkt anlegen würden, wären es perfekte Frugalisten. Nur fahren die mit niedrigem Einkommen halt trotzdem Audi A7. Denen ist das sparsame Leben ins Mark übergegangen - Aldi, alles selber machen, stets Prospekte durchpflügen um einen Schnapper zu machen, keinen teuren Scheiß kaufen (außer Auto halt), Haus selber bauen, und regelmäßig All-inclusive-Urlaub in der Türkei für'n Appel und 'n Ei.
Wenn ein Frugalist 50 ist, wendet sich seine Peer-group nicht von ihm ab. Warum auch? Frugalismus und Familie schließen sich nicht aus. Klar, die Ausgaben steigen, aber wo ist das Problem?
Ein bekannter deutscher Frugalist, Oliver Noelting, arbeitet 26h Teilzeit als Softwareprogrammierer, ist nebenbei noch ein bisschen selbstständig und hat eine Tochter. Er hat viel Freizeit, macht regelmäßig Urlaub und gibt <1.000€ pro Monat. aus. Sein erstes Ziel war, mit 40 in Rente zu gehen. Seine Philosophie hat er mittlerweile überdacht. Für ihn bedeutet Frugalismus nicht, irgendwann frei zu sein, sondern im Laufe der Zeit immer freier zu sein. Je mehr Taler du auf der hohen Kante hast, desto weniger Zeit musst du in Arbeit investieren. Kannst du natürlich trotzdem machen, wenn es dir Spaß macht, aber du musst nicht mehr.
Als Oliver sein Studium 2015 beendete hatte er 33.000€. Er arbeitet seit 2018 Teilzeit. 2019 wird seine Tochter geboren, er nimmt 2 Monate Elternzeit. Ende 2020 hatte er 151.000€.
Frugalismus ist nichts für Jedermann. Geht auch gar nicht, das wäre volkswirtschaftlicher Selbstmord. Das ist wie mit der gesunden Ernährung. Kann auch nicht jeder. Muss auch nicht. Jeder, wie er will.
Fakt ist, dass sehr viele Menschen der Lifestyle-Inflation erliegen. Studium fertig, erstmal große Wohnung beziehen, Auto kaufen, Urlaub machen, Klamotten kaufen, am Wochenende 100€ im Club lassen, regelmäßig ins Restaurant gehen. Ein Arbeitskollege von mir zum Beispiel ist 33, 3 Kinder, Haus. Ist jetzt kein Frugalist oder so, aber legt mit Verstand Geld an und fährt zum Beispiel immer noch das Auto, das er zu seinem 18. Geburtstag von seinem Vater als Gebrauchtwagen geschenkt bekommen hat. Der könnte auch Audi A4 fahren, wenn er will. Nur mal so als Beispiel.
Oder mein Papa. Fährt Renault und Hyundai, könnte aber Porsche fahren. Oder 365 Tage im Jahr aufm Kreuzfahrtschiff leben. Tut er aber nicht, so'n scheiß ist einfach nicht seins.
Was ich sagen will: wenn du dieser "lifestyle-inflation" nicht erliegst, hast du ggf. 30%-50%, vielleicht sogar 60% deines Einkommens über, die du investieren kannst. Und das hat nichts mit "sich nichts gönnen" zu tun. Wenn ich weiß, dass ich etwas nicht brauche, dann spreche ich nicht von Verzicht.
Ist ne individuelle Geschichte. Kann ja auch sein, dass du in Stuttgart wohnst, wenig verdienst und allein schon 50% deines Gehaltes für die Miete draufgehen, weil du einfach kein WG-Mensch bist. Shit happens, mach's beste draus.
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