Ich bin Student in NRW und habe einen relativ jungen Prof. als Vater. Von daher habe ich allerhand mitbekommen. Als Prof. muss man an einer FH mind. 10-12 SWS pro Semester Vorlesungen halten. Das sind etwa 3 unterschiedliche Vorlesungen pro Semester bzw. pro Jahr etwa 2 x 3 = 6 unterschiedliche Vorlesungen. 2 oder 3 davon liest man aus der Industrie- oder Lebenserfahrung - die anderen 3 Vorlesungen muss man sich dann halt irgendwie aneignen, aus Büchern oder alten Skripten oder beidem. Dieses Aneignen muss schnell gehen (am WE oder nachts), denn Befreiungsstunden zu Beginn - wie das früher wohl mal war - gibt es nicht mehr. Vielleicht hat man Glück und ein Kollege mit Überstundenkonto gibt einem anfangs mal ein paar SWS ab. Aber wie alles "Abgeben" im Leben muss man dies dann später meist doppelt und dreifach "zurückbezahlen" und immer buckeln und dankbar sein.
Hinzu kommen noch die Klausuren und deren Korrektur. Lässt man noch Belegarbeiten und Protokolle uns so Zeug anfertigen, muss man die auch noch alle durchsehen und korrigieren. Hilfen à la "Sekretärin" hat man keinerlei! Man trägt auch die Post aus, holt Briefumschläge und Kopierpapier irgendwo ab ? oder kauft es aus eigener Tasche. Denn es gibt an FHs für W2-Profs keine Sekretariate und auch keine Assistenten - kurzum: wirklich nichts. Allenfalls vielleicht mal 50 Studentenhilfskraftstunden pro Semester ? aber die sind meist, wie man ja aus einem 8-h-Tag leicht nachrechnen kann, nach knapp einer Woche schon aufgebraucht. Und im drauffolgenden Semester sind diese Studenten dann auch in der Abschlussarbeit oder abgegangen, so dass man danach mit neuen Studenten auch wieder ganz neu von vorne anfängt: oder anders gesagt: die Arbeiten gleich alleine macht.
Ein FH-Institut hat zwar manchmal einige sogenannte Technische Mitarbeiter oder wie die heißen. Aber die sind schlau und in der Gewerkschaft und machen - wenn sie nicht krank oder schwanger oder lustlos sind - allenfalls mal ein bisschen bei irgendwelchen Laboren mit. Da kein sustainable Verlass auf die ist, macht man dies am Ende oft auch meist selber - oder hat zumindest immer die Damokles-Nervenbelastung, ob die wohl heute hinkommen und mitmachen oder wieder einmal Husten und Schnupfen haben oder ob deren Kind vielleicht krank ist. Und so gesehen sind Kinder wirklich ganz schön oft krank!
Im ÖDi, also natürlich auch an FHs, werden bevorzugt Schwerbeschädigte/Behinderte eingestellt. So löblich dies ethisch und volkswirtschaftlich auch ist, wird man bald feststellen, dass für diese meist auch gewerkschaftlich aktiven und abgesicherten Kollegen gilt: Stellt man einen Behinderten ein, dann hat man eben auch genau das: einen Behinderten. Und wenn die sich schlau anstellen ? und die stellen sich schlau an, dann schafft das denen viel, viel Freizeit.
Die festen Angestellten kennen auch ihren Wert und vor allem ihre Rechte und die Hilflosigkeit des ÖDis. Die haben auch keinen Respekt mehr vorm Prof. oder so, genau wie wir Studenten. Mein Alter erzählt manchmal aus seiner Studienzeit und irgendwelchen cholerischen Profs. Aber so was gibt es heute gar nicht mehr ? gottseidank!
Nicht zu unterschätzen ist die Akademische Selbstverwaltung. Hier bekommen junge und unerfahrene W2-Profs unbemerkt viele ?Ämter?, auf die die anfangs sogar noch stolz sind. Die denken, Karriere gemacht zu haben, wenn sie Institutsleiter sind oder Mitglied im Fachbereichsrat oder Lehrplanungsbeauftragter oder irgend so ein toll klingendes Zeug. Real heißt das gar nichts, allenfalls, dass die neben der gesamten Lehre auch noch die gesamte Verwaltung mit machen.
Mein Alter Herr bekommt dienstliche Reisen auch meist nicht bezahlt. Die macht er auch zum Leidwesen meiner Mom immer von unserem Haushaltsgeld und für Ehre und Vaterland. Na, wer weiß ? vielleicht genießt er ja insgeheim auch den Kontakt zu den Studentinnen :) und kommt mal von zuhause und seiner Kackfamilie weg.
Weiterhin gibt es an FHs sehr viele Profs, denen die Lehre keinen Spaß macht oder die sich gegenüber den Studenten nicht durchsetzen können und/oder didaktisch einfach nichts drauf haben und die gehemmt und verklemmt sind. Manche fangen dann das Saufen an ? die Schlauen aber tendieren dann dazu, in die wenigen tatsächlich ?höheren? Ämter aufzusteigen und abzutauschen, als da wären: Dekane, Prodekane, Kanzler, (Vize-) Präsidenten etc.pp. Dort bekommt man dann gleich und ohne großartigen Leistungsnachweis W3, was wesentlich höher ist als das jämmerliche W2 ? und vor allem kann man dann die Studdies und die ehem. Kollegen schön quälen und sich auf deren Rücken und Knochen weiter nach oben strampeln und treten oder zumindest auf dem betreffenden Posten halten. Als Daseinsberechtigung führt man dann immer wieder neue und nutzlose aber zeitaufwändige Arbeiten und Controllingmaßnahmen ein. Dann steht man gut da und die ehem. Kollegen müssen diese ganzen Zusatzarbeiten ohne Bezahlung noch nebenbei mit machen. Und vor lauter Zusatzarbeit und Quälerei kommen die vor allem nicht zum Aufmucken!
Und der Spaß der Lehre wird glaube ich auch anfangs überschätzt, wie das ja auch in einigen Beiträgen schon zu lesen war. Wir Studdies haben in der Mehrzahl meist kein Interesse und sehen auch die Zusammenhänge nicht. Außerdem veraltet Wissen immer schneller: ?Weil neue Technik besser ist!? posaunt ja schon der Globus-Kaufmarkt. Aus diesem Grund gehen wir lieber jobben oder lernen zu Hause aus alten Klausuren. Im Facebookzeitalter gibt es sehr viel digital, auch viele Kontakte zu anderen Semestern und so auch in andere Hochschulen und Bundesländer. Mein Alter jammert immer, dass seine Vorlesungen so leer sind ? manchmal wohl nur 4/5 Studenten von 50 oder 60, die eigentlich belegt hatten. Da macht er dann immer ?Privatunterricht? :o)
Wenn man sich als Prof. nicht allzu blöd anstellt und nicht schon zu alt ist, kann man gut nebenher Kohle machen ? obwohl das lt. meinem Alten Herrn wohl auch schon nicht mehr ganz so einfach ist wie früher.
Na, ich habe jedenfalls einen anderen Berufswunsch als mein Alter Herr ?..
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