Hallo zusammen,
da ich festgestellt habe, dass es zwar einige Beschreibungen über den Studiengang ?Unternehmensjurist? gibt, aber alles immer aus einer bestimmten Perspektive geschrieben ist, möchte ich euch auch nochmals schreiben, wie ich diesen Studiengang empfinde. Ich hatte besonders als ich mich beworben hatte, Probleme Berichte die ich darüber gelesen hatte, auf mich zu beziehen. Deswegen bin ich der Meinung, ich schreibe erst einmal über meinen Charakter, damit ihr wisst, in wie weit die beschriebenen Dinge vielleicht auch auf euch zutreffen.
Über mich:
Ich habe den Studiengang mit 21 Jahren (fast 22) begonnen, habe mein Abi 2008 in Baden-Württemberg gemacht. Die Schulzeit war mir eigentlich immer relativ egal und sehr einfach. Habe wirklich nie was dafür gelernt und bin trotzdem immer glatt durchgekommen. So konnte ich dann mein Abi mit einem Durchschnitt von 2,4 ohne irgendeinen Lernaufwand über die Bühne bringen. Meine stärken waren Englisch (13 Punkte), meine Schwäche Mathe (4 Punkte), wobei ich eigentlich kein Problem beim mathematischen Verständnis habe. Ich hatte 5 Leistungskurse: Gemeinschaftskunde, Deutsch, Englisch, Mathe und Physik.
Da ich mich in der Schule immer gelangweilt habe, habe ich dann eine Ausbildung zum Finanzassistenten (Bankkaufmann mit Zusatzqualifikation Allfinanz) angefangen und nach 1 Jahr und 9 Monaten als einer der Besten in Deutschland abgeschlossen. Daraufhin wurde ich dann in eine Studienstiftung für kommende Führungskräfte aufgenommen, die mich bis heute fördert.
Ich verbringe gerne viel Zeit mit Freunden, liebe Action und Sport und gehe gerne feiern.
Also kurz: Ich sehe eigentlich immer alles locker, mache mir sehr selten Stress und muss eigentlich nie viel lernen um gut durch Prüfungen zu kommen.
Über den Studiengang:
Eins Vorweg: Der Studiengang treibt auch mich an meine Grenzen, bietet aber auch sehr interessante Inhalte.
Zum ersten Semester ist es in anderen Unis üblich, dass erstmal alle auf einen Stand gebracht werden. Dies ist hier in Mannheim nicht so. Hier geht es gleich zur Sache. Nach den ersten 2 (noch sehr gechillten) Wochen merkt man langsam, wie das Niveau anzieht. Nach 6 Wochen schreibt ihr schon die erste Klausur in Finanzmathematik. Keine Sorge, das ist zwar schwer, die Klausuren sind aber immer ähnlich aufgebaut und deswegen reicht es, nur die alten Klausuren drauf zu haben. Das konnte auch ich ohne Probleme (obwohl nicht so gut in Mathe) bestehen. Natürlich habt ihr aber auch von den sogenannten Arbeitsgemeinschaften und Juravorlesungen relativ viel Druck. Man versucht euch von Anfang an auf viel Arbeit vorzubereiten. So schreibt ihr während der ersten Wochen und Monate immer wieder (auch Samstags) ungünstig gelegene Probeklausuren. Diese sind zwar nicht relevant, aber irgendwo möchte man ja schon wissen wo man steht, d.h. Ihr lernt auch dafür ein bisschen was. Diese Arbeitsgemeinschaften (kleine Gruppen von Maximal 20 Personen) sind sehr gut organisiert und helfen einem unglaublich viel beim Studium. Besonders da die Vorlesungen oft sehr straff gehalten sind, wird einem hier Gelegenheit gegeben, Jura zu üben und zu vertiefen. Die Leiter dieser AG's sind oft sehr kompetent, engagiert und freundlich. Sie sind meist Mitarbeiter der Professoren oder Studenten aus höheren Semestern.
Es gibt eine ?Vorlesung? in englischem und amerikanischem Recht auf englisch. Auch wenn das immer als lächerlich abgetan wird, dafür muss man eine ganze Reihe Arbeiten erledigen. Diese sind zwar alle nicht schwer für jemanden, der halbwegs ok englisch spricht, aber dafür zeitaufwendig. So müsst ihr einen einseitigen Essay über einen amerikanischen Fall schreiben, einen fünfminütigen Vortrag über einen Fall (die Vorbereitung dazu dauert so zwischen 4 Stunden und 10 Stunden) und eine Klausur über juristische Vokabeln mit deren Anwendung im jeweiligen Fall schreiben. Das ist alles nicht arg schwer, aber es gibt schon eine zusätzliche Belastung zum ohnehin schon sehr engen Alltag. Dieser Englischkurs findet nach Zufall im 1. oder 2. Semester statt.
Gegen Ende des Semesters finden dann zwei Klausuren statt: Marketing und VWL. Die Englischklausur ist in der Regel unpassend genau zwischen den beiden Klausuren.
Marketing ist wirklich viel zu lernen. Man hat 1 Vorlesung in der Woche (1 ½ Stunden), eine Übung (45 Min) und ein Tutorium (1 ½ Stunden) die alle Klausurrelevant sind. Zur Prüfung wird von euch verlangt, dass ihr das Buch könnt, allen Stoff der Übungen und Tutorien, und das komplette Skript der Vorlesung auswendig könnt (ca. 450 Powerpointfolien). Dass das viel Zeit in Anspruch nimmt, könnt ihr euch sicherlich denken. Ca. 40% des Marketinginhalts sind Mathe und Statistik. Das war aber zumindest meine Rettung, denn auswendig lernen ist wirklich nicht so mein Ding. Die mathematischen Aufgaben sind zwar wieder relativ komplex, aber auch hier wiederholen sich die Aufgabentypen in der Klausur, d.h. man muss eigentlich nur die Klausurtypen kennen. Um das Auswendiglernen kommt man nicht drum rum. Das ist einfach nur viel und teilweise ohne Zusammenhänge.
Währen der Vorbereitung auf die Marketingklausur muss man zwangsläufig auch noch ca. 600 Seiten VWL Skript und 1000 Seiten aus einem VWL Buch vorbereiten. Hier ist es wirklich so, dass das komplette Buch klausurrelevant ist. Die VWL Klausur ist Multiple Choice, aber so gestellt, dass man verstanden haben muss was man macht, um zu bestehen. Raten funktioniert hier nicht/seltenst. Wenn man sich die Inhalte zusammenfasst, muss man mindestens 1 Stunde für ein Kapitel einrechnen. Das Buch hat 32 Kapitel. Auch hier gilt aber wieder: Unbedingt alte Klausuren angucken, denn auf einmal merkt man, dass erstaunliche viele (kleine) Matheaufgaben dran kommen, die in der Vorlesung gar nicht behandelt wurden. (Vielleicht ist der Aufwand bei anderen auch geringer. Ich war jedenfalls nur in 2 Vorlesungen, da die so schlecht und laut war, dass es meiner Meinung nach nichts gebracht hätte, dorthin zu gehen.)
Das ganze Lernen für das erste Semester geschieht dann so um die Weihnachtszeit rum, wenn die ganzen Weihnachtsmärkte aufgebaut sind. Auf das Glühweintrinken müsst ihr zwar nicht ganz verzichten, aber ihr müsst deutliche Einschnitte hinnehmen.
Um den 20.12. ist das ganze dann vorbei und ihr habt ?Ferien?.
Doch die hat man nicht wirklich (oder nur kurz über Weihnachten), da in den Semesterferien, was in Mannheim auf jeden Fall ?vorlesungsfreie Zeit? genannt werden sollte, die sogenannte ?Orientierungsklausur? in Jura ansteht. Der Stoff umfasst Haftungsrecht und den allgemeinen Teil des BGB (es hat nichts mit dem Jura aus der Ausbildung zu tun).
Dafür trefft ihr euch dann so ab ca. 5.1. wieder jeden Tag für mindestens 6 Stunden, ich würde aber eher behaupten von morgens bis nachts (also 10 bis 23 Uhr) mit vielen Pausen dazwischen, in der Bibliothek (die wirklich supermodern und beeindruckend ist), um zu lernen.
Zusätzlich bekommt man wieder in kleinen Gruppen die Möglichkeit, in Arbeitsgemeinschaften nochmal den gesamten Stoff des vergangenen Semesters aufzuarbeiten. Dies ist bei der Vorbereitung der Klausur eine sehr große Hilfe, die manch einen von uns gerettet hat. Kompetente und freundliche Mitarbeiter der Lehrstühle führen die Seminare. Es handelt sich dabei um eine freiwillige ?Initiative? der Universität, die man so wohl kaum wo anders in Deutschland findet (finanziert durch die Studiengebühren).
Am Ende der Semesterferien schreibt man dann die 90minütige Klausur in BGB AT und Haftungsrecht. Wichtig bei dieser Klausur: die muss man bestehen, zumindest nach dem 2. Versuch.
Generell hat man ganz grob gesagt immer zwei Versuche Klausuren zu bestehen.
Anfang Februar fängt dann auch schon das zweite Semester an, und ums gleich vorweg zu nehmen, es wird nochmals um einiges härter.
Schon im ersten Semester merkt man früh, dass Juraklausuren immer sehr schlecht beurteilt werden. Man fällt sehr leicht durch.
Im 2. Semester schreibt man über das ganze Semester verteilt drei Klausuren in Schuldrecht. Eine Schuldrechtklausur umfasst Schuldrecht Allgemeiner Teil, AGB- und Verbraucherrecht und Leistungsstörungsrecht. Das sind insgesamt 4x90 Min Vorlesung pro Woche. Es ist also ganz schön viel, was man für eine Klausur lernen muss. Zwei Wochen lernen pro Klausur um alles verstanden zu haben sollte man hierfür einplanen (es geht auch kürzer aber dann ist es wirklich nicht nachhaltig). Alles was man in Jura lernt, ist immer Voraussetzung für den Stoff der nächsten Klausuren. Generell sind diese Klausuren aber machbar, denn man muss nur eine dieser drei bestehen.
Nach 2/3 der Vorlesungszeit habt ihr dann zwei Wochen Osterferien. Keine Sorge, auch hier könnt ihr zumindest eine Woche machen was ihr wollt, aber danach fängt der Stress an. Die nächsten zwei Monate ist man Tag für Tag damit beschäftigt Jura zusammenzufassen (Verwaltungsrecht, Europarecht und Wirtschaftsverfassungsrecht werden in einer großen Klausur geschrieben). Das ist übermenschlich viel Stoff. Ab hier lernt man dann ununterbrochen, Tag für Tag.
Dies führte bei mir dann auch zu sehr schlechter Laune. Mein bester Freund, der auch hier in Mannheim studiert, erkannte mich nicht wieder. Meine Freundin hat die Tage runtergezählt, bis ich wieder normal bin.
Zu dem vielem Jura lernen müsst ihr Management und Rechnungswesen ?auswendig? lernen. Das ist ähnlich wie im ersten Semester. Management ca. 600 Seiten, plus Buch, plus Übung, unsinnigstes, nicht zusammenhängendes Zeugs auswendig lernen. Dafür sollte man mindestens 2 Wochen ohne irgendetwas anderes zu lernen, einrechnen. Rechnungswesen ist nicht schwer. Für die unter euch, die eine Ausbildung gemacht haben, ist es ein Witz, für die, die es noch nie gehört haben, machbar. Aber auch hier gilt es den Lernaufwand nicht zu unterschätzen. Denn man sollte zumindest alle Übungen einmal gemacht haben, um die Praxistauglichkeit für die Prüfung zu gewährleisten. Ich persönlich habe so ungefähr 3 Tage mit Rechnungswesen verbracht, aber so 2 Wochen sollte man auch hier eigentlich einplanen. Für manche fällt zu diesem ganzen Lernen noch der Aufwand des Englischkurses, den ja manche bereits im ersten Semester hatten.
Man schreibt dann innerhalb weniger Tage die Klausuren und hat dann, wenn alles geklappt hat erstmal 2 Monate frei. Diese freie Zeit braucht man aber dann auch dringend zur Regeneration, denn unter denen, die Human Recources als BWL Spezialisierung gewählt haben, wird noch vor Anfang des 3. Semesters eine erste Klausur geschrieben.
Was aber wirklich überragend an diesem Studiengang ist, sind die Juraprofessoren und die Arbeitsgemeinschaften. Die Professoren sind nicht nur immer für einen ansprechbar, sie sind immer freundlich, haben großartige rhetorische Fähigkeiten und sehr große Sachkompetenz. Die Vorlesungen sind super gegliedert und genau aufeinander abgestimmt. Außerdem bekommen die Studenten teilweise ganze Skripte, die später als Bücher erscheinen, geschenkt. Auch die meisten Skripte der Powerpointfolien werden meist kostenlos wie ein gebundenes DinA4-Buch ausgehändigt.
Auch in den AG's besteht die Möglichkeit viel mitzuarbeiten. Es wird sehr viel Rücksicht auf einen genommen und speziell das gelernt, wo Nachholbedarf besteht, und das in kleinen Gruppen von maximal 20 Studierenden.
Fazit:
Mit diesem Studiengang hat man es wirklich nicht leicht. Man hat unglaubliche Perspektiven, die Manager kommen zu einem in die Vorlesung und stellen ihre Unternehmen vor, aber der Anspruch ist unglaublich hoch. Viele, auch ich persönlich, denken sehr oft übers Abbrechen nach. Dieser Studiengang ist nicht vergleichbar mit anderen wirtschaftlichen Studiengängen wie z.B. in Hohenheim. Wer hier ist, wird gefordert aber auch gefördert. Wer hier ist, muss sich damit abfinden viel zu lernen und nicht ganz so viel Freizeit zu haben. Man hat hier nicht das typische Studentenleben (bisschen lernen, viel feiern, viel Freizeit). Dafür bekommt man aber persönliche, individuelle Bildung im kleinen Rahmen (nur ca. 200 Studierende pro Semester und Arbeitsgemeinschaften zu ca. 20 Personen).
ABER: Bekommt durch meinen Artikel nicht den Eindruck, als müsse nur gelernt werden! Gerade zum Anfang des Semesters geht man schon öfters auch feiern. Ihr habt zwar nicht wie fast alle anderen Studiengänge Freitags frei, aber das hält einen nicht vom fast traditionellen Schneckenhoffeiern am Donnerstag ab.
Ein sehr anspruchsvoller Studiengang der sehr viel Disziplin erfordert...
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