WiWi Gast schrieb am 28.10.2022:
Kannst du ein bisschen mehr zu deinem Werdegang erzählen. Schließe bald meine Promotion ab und könnte auch im öD unterkommen. Mir wurde erzählt, dass man im 2-Jahrestakt die Besoldungsstufe aufsteigt. Das kommt mir aber etwas übertrieben vor. Das würde ja bedeuten, dass man durch die regelmäßigen Wechsel in die nächste Besoldungsstufe keinen Zuwachs in der Erfahrungsstufe hätte.
Angebot mit Promotion würde übrigens meinem momentanen Gehalt an der Uni (E13/4) entsprechen. Die Promotion wird zwar nicht bei der Einstufung aber bei der Beförderung berücksichtigt. Kannst du das bestätigen?
Also grundsätzlich gilt: Augen auf bei der Wahl des Dienstherren! ... (!!)... (!!!!!)
Leider ist es immer sehr schwer von außen zu wissen, wie die Verbeamtung und dann Beförderungen (A13-A14-A15...) gehandhabt werden. Google mal, was "Topfwirtschaft" im ÖD bedeutet. Stark vereinfacht gesagt: Es besteht die Möglichkeit Beamte in einer Laufbahn bis zu zwei Ämter "durchzubefördern" ohne dass sie ihre Aufgaben oder ihren Posten wechseln. Also Du wirst nach A13 im hD verbeamtet (idR) und dann nach x Jahren bist Du A14 und nach noch mal x Jahren A15. Dann ist per Definition Ende. Topfwirtschaft (automatische Beförderung bei gleicher Tätigkeit) geht nur für zwei Ämter (=Besolungsgruppen).
Die Quizfrage ist: Wie wird das gehandhabt beim Dienstherren XY? Manche befördern zwar automatisch auf A14 aber für die A15 muss man dann schon eine "Spezialrolle" haben. Sei es "Experte", sei es Führungsaufgabe, sei es "irgendeine-Feigenblatt-Special-Senior-Begründung." Der wesentliche Unterschied ist, dass man nur bei der automatischen Durchbeförderung wirklich sicher sein kann, dass man auf nichts und niemanden, keine Gunst und keine freien Stellen/ Bewertungen angewiesen ist.
Der Luxus eine echte Topfwirtschaft bis A15 zu haben ist aber (meines Wissens nach) auf relativ wenige Behörden begrenzt. Der Bundesrechnungshof gehört dazu, zu meiner Überraschung nicht alle Bundesministerien. Man muss aber beachten: Auch in Bundesministerien wird nach meinem Wissen DE FACTO jeder (im hD) irgendwann min A15. Es passiert halt nur nicht so ganz automatisch. [Disclaimer: Die Generalisierung ist mit Vorsicht zu genießen, aber es dürfte in die Richtung gehen].
Landesministerien weiß ich nicht, aber Faustregel: Je weiter runter du gehst und je "abhängiger" die Einrichtung, desto unwahrscheinlicher ist es. Wenn man mit "normalen Beamten" außerhalb der Bundesunmittelbaren Verwaltung spricht, also Kommunen, Finanzämter etc. dann denken die meist, dass man mit A15 schon der Chef von dem ganzen Laden sei. Dabei ist man einfach nur Sachbearbeiter.
Zu der Frage mit den Jahren: Also alle zwei Jahre eine Beförderung im Sinne der Besoldungsgruppe hab ich noch nicht gehört. 3+5 Jahre für A13--A14--A15 kenn ich. Mit guten Beurteilungen etwas schneller - aber wen juckt das, ob es ein oder zwei Jahre schneller geht. Und von 2 Jahre für A13-A14 hab ich auch schon gehört.
Ich tippe stark darauf, dass wer immer Dir das erzählt hat mit den zwei Jahren Erfahrungsstufe und Besoldungsgruppe verwechselt hat. Und selbst dann stimmt es nicht, weil es irgendwann auf 3 Jahre wechselt in der Erfahrungsstufe. "Alle zwei Jahre" Besoldungsgruppe geht schon deshalb nicht, weil man nur zwei Ämter in der Topfwirtschaft befördert werden kann qua Gesetz. Da gibt es meines Wissens nach keinen Spielraum. Es gibt aber einige wenige Behörden die dürfen vom vorgeschriebenen Stellenkegel abweichen und bspw. mehr A16er haben als eigentlich vorgesehen. Denkbar, dass das einige für eine de facto aber nicht de jure Topfwirtschaft bis auf A16 oder B1 nutzen. Hab ich aber noch nie gehört und ich bezweifle es ganz ganz stark.
Ein Aspekt noch: Bei den Wechseln in eine andere Besoldungsstufe nimmst Du als Beamter die Erfahrungsstufe mit. Also A13/3-->A14/3. Bei Angestellten war das früher nicht so; keine Ahnung ob das mittlerweile geändert wurde.
Handhabung Promotion: Sehr schwierig, weil es ebenfalls von jedem anders gehandhabt wurde. Erst mal (gesetzlich) spielt eine Promotion (anders als Bachelor oder Master) keine Rolle. Außer Du bist Prof an der Hochschule der Bundeswehr oder irgendeiner Spezialveranstaltung wo die Promotion ausnahmsweise Voraussetzung ist.
De facto sagen aber (ich glaube) viele Behörden [und wenn ich hier von Behörden rede, meine ich immer oberste Bundesbehörden oder Bundesministerien], dass sie die Zeit der Promotion, die Du nach dem Master an einem Lehrstuhl gearbeitet hast, als Berufserfahrung anerkennen. So ist die Zeit der Promotion zumindest nicht verloren. Das ist meist also eine Anerkennung auf die "Wartezeit" in der Besoldungsgruppe/ für die Beförderung und nicht für die Erfahrungsstufe (wenn es eine Topfwirtschaft gibt). Aber auch da: Kann anders gehandhabt werden. Ich würde das, Deine Vermutung, aber bestätigen bzw. halte es für gut möglich.
Mein Dienstherr war so nett auch die Promotion (hab ich aus Spaß noch gemacht vor der Verbeamtung) während derer nicht gearbeitet wurde (man denke an ein Vollzeitstipendium) pauschal mit x Jahren Berufserfahrung anzuerkennen.
Was mir bei Dir noch nicht ganz klar wurde: Fängst Du irgendwo an, wo die Verbeamtung sicher ist? Von E13 oder E14 oder auch E15 kannste Dir langfristig mMn nix kaufen (wir sind ja im Wiwi-Treff... unter dröf Millionen Einkommen ist man quasi fast arm). Und auch alles was ich hier geschrieben habe (na ja fast alles) funktioniert für die Einstufung als Angestellter uU anders. Die Beamtenwelt ist eine eigene, auch wenn vordergründig vieles ähnlich erscheint.
Das Beste wäre, wenn Du jemanden aus der Bude kennst und das alles für deinen Dienstherren erfragen kannst.
So. Durchatmen. Auch wenn ich gar nicht genug betonen kann, wie wichtig der Dienstherr wegen den genannten Aspekten ist; es gibt noch weitere:
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[wenn einem das wichtig ist] Wie sind die Chancen/ gibt es überhaupt Möglichkeiten mal für ein paar Jahre zu wechseln (international ins Ausland/ andere Organisationen wie OECD, IWF, UN, EU, Botschaften... das kann sehr attraktiv sein. Nicht nur finanziell)? Ist in meiner Wahrnehmung eine große Stärke im ÖD in den genannten Bereichen. Und das internationale Behördennetz und der (Personal)Austausch ist viel enger als jedenfalls ich das mal dachte.
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Natürlich die für alle AG gültigen weichen Kriterien wie Kultur und so fort. Mach Dir bewusst, dass es da draußen sehr viele Beamten-Läden gibt, die vor allem eines sind: Beamten-Läden. Mit allen Vorteilen und mit allen Nachteilen.
- Und vielleicht einen Schnaps wichtiger als in der Privatwirtschaft (jdf. wenn du in Richtung Beamter gehst): hast Du Bock auf das Gebiet? Also fachlich. Ich mein, monetär ist das im richtigen Setting okayish bis gut (ja gibt es unterschiedliche Meinungen) aber eben auch gedeckelt und es gibt keine (nennenswerten) Boni und andere Anreize. Aber wenn Du Dich für Dein Gebiet interessierst, ist Dir das ziemlich egal.
Und bei guter Kultur (und damit meine ich persönlich: Beamten-Laden in Reinform. Keine Ellenbogen, alles eher mal ruhig und wenig Fluktuation) bei Deinem Dienstherren, hast Du die Chance in einem sehr sehr kleinen Spezialgebiet über die Jahre DER Experten-Nerd zu werden. In Deutschland. Und mit ner handvoll Leute die Du persönlich kennst in Europa. Ist ein bisschen wie in der Forschung eigentlich. Irgendwann schickt man was zum "blind" review zu nem Journal und bekommt n Anruf vom anderen Ende der Welt von nem Freund: Sag mal, ich hab da ein Review aufm Tisch, ich kenn nur XY und Dich, die dazu was machen... und so wie es geschrieben ist, ist das eher von Dir, richtig?
Ist jetzt sicherlich etwas verallgemeinert und vielleicht nicht überall so. Aber ... mir gehts halt schon so und mich motiviert das. Und weil man sonst ja eher über die negativen Seiten liest, sei auch das noch gesagt: Man sollte nicht unterschätzen, wie viele echt gute und in ihrem Fachgebiet sehr fitte Leute es im ÖD auf dem Level gibt. Und mit denen macht es einfach Spaß sich auszutauschen, gefordert zu werden und zu lernen etc. Dass sich das nicht immer oder sagen wir sehr selten in praktische Ergebnisse/ Auswirkungen umsetzt oder in der Hierarchie geschätzt wird... geschenkt. Ist halt die andere Seite der Medaille. Man braucht intrinsische Motivation. Daher: Gut überlegen.
Schlusswort: Gibt bestimmt unzählige ganz ganz andere Erfahrungen; ich hoffe trotzdem geholfen zu haben.
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