Ich hatte die Tage noch mal ein Gespräch zu der Stelle.
Vielleicht noch ein paar Zusatzinfos um die Vakanz besser einordnen zu können.
Es handelt sich um einen großen Konzern mit 40.000 MA und über 4 Mrd. Euro Umsatz. Der Konzern ist operativ in Niederlassungen aufgeteilt die (so wie ich es verstanden habe) eigene Gesellschaften darstellen.
Es ist also kein Wechsel zu einem echten KMU. Die Niederlassung mag als KMU gelten - aber dahinter steht auch weiterhin ein Konzern.
Ich hatte das Gespräch mit dem operativen / technischen Leiter der Niederlassung - sowie mit einem kaufmännischen Leiter, der mehrere Niederlassungen unter sich hat.
Beide waren sehr sympathisch.
Bisher gab es keinen kaufmännischen Leiter in der Niederlassung.
Die Tätigkeiten wurden durch das Team des übergeordneten kaufmännischen Leiters mit übernommen (auch wenn es nicht direkt deren Aufgabe ist).
Das beschriebene Aufgabenspektrum hat sich nicht nach Rocket Science angehört.
Hauptsächlich Controlling, P&L Analyse, Forderungsmanagement, Personalführung, Cash-Management.
Zumindest im Gespräch klang das nicht nach einer 100h Woche, sondern nach einem - für das Gehalt - fairen Arbeitspensum.
Es wird jemand vor Ort als Unterstützung für den technischen Leiter gesucht, der das übergeordnete kaufmännische Team entlastet.
Für mich hört sich die Position interessant an.
Ich hätte ca. 3-5 MA.
An meiner aktuellen Position stören mich mehrere Faktoren, die ich durch einen internen Wechsel nicht beseitigen kann.
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Ich habe bei dem Unternehmen dual Studiert, bin dort eingestiegen und werde selbst heute noch - nach 7 Jahren - und als Teamleiter von keinem der "alten" Teamleiter wirklich ernst genommen. Für sie bin ich noch immer der kleine Student von damals. Dieses Image wird man leider nie komplett los - egal, wie gut man fachlich ist.
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Das hängt mit Punkt 1 zusammen. Aber mein Gehalt entspricht in keinster Weise meiner Tätigkeit. Man wird für blöd verkauft. Jeder Teamleiter auf der Position vor mir hat weit im 6-stelligen Bereich verdient und war außertariflich angestellt. Ich kann mich nur wiederholen - man wird das Image des ehemaligen Studenten einfach nicht los. Die Leute, die über das Gehalt entscheiden können / dürfen nehmen einen nicht für voll.
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Bei wichtigen Entscheidungen wird man übergangen oder eigene, gewichtige Argumente werden ignoriert. Die Gruppe der "alten" Teamleiter steuert das Unternehmen und lässt keine anderen Meinungen zu.
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Gerade in der Anfangszeit macht man natürlich auch mal Fehler. Diese Fehler haben sich bei einigen Kollegen so tief eingebrannt, dass es schwer ist den Eindruck zu revidieren.
- Ich werde operativ als Teamleiter eingesetzt und habe meine 3 Mitarbeiter. Aber rein faktisch habe ich keine disziplinarische Weisungsbefugnis. Ich tauche in keinem Org-Chart auf und habe auch keinen Zugriff auf die Personaldaten meiner Mitarbeiter. Beantragt einer meiner Mitarbeiter Urlaub, so muss mein Chef das genehmigen. Ich weiß teilweise nicht einmal, was meine Mitarbeiter verdienen (wenn sie es mir nicht freiwillig im Personalgespräch sagen).
Dementsprechend komme ich zu der Conclusio, dass ein interner Wechsel für mich aktuell keinen Sinn ergibt.
Ich brauche einen "Neustart" in einem externen Unternehmen, in dem ich - meiner Position entsprechend - auch ernst genommen werde.
Ich möchte mich weiterentwickeln, ich möchte Verantwortung übernehmen, ich möchte Personal führen - aber das geht nur, wenn ich mich auch disziplinarisch durchsetzen kann.
Zum Controlling generell:
Controlling ist nicht grundsätzlich schlecht.
Aber man muss schon sehr speziell sein, wenn man sein gesamtes Arbeitsleben Tag ein, Tag aus nur irgendwelche operativen Soll-Ist-Vergleiche, P&L Analysen und Budgetplanungen in die Systeme eintippen oder wieder herausziehen möchte. Und das für 70-90k...
Ich persönlich habe mir ein wenig mehr von meinem Leben vorgestellt.
Zudem bin ich davon überzeugt, dass große Teile dieser Tätigkeiten in naher Zukunft durch KI-Tools erledigt werden können. Ich durfte schon einige dieser Lösungen u.A. von SAP sehen.
Das Controlling wird sich massiv verändern.
Dieser extreme Zahlenfokus mit 100% Bürotätigkeit langweilt mich einfach zu tode.
Selbst wenn man eine hohe Affinität für Zahlen hat, so hält man diese stupiden 0815 Tätigkeiten nicht lange aus.
Die Position als kaufmännischer Leiter bringt einen bunten Blumenstrauß an Tätigkeiten mit sich. Viele würden das als negativen Punkt ansehen. Für mich ist es genau das Gegenteil.
Morgens Geschäftsjahresplanung, mittags Personalgespräche, nachmittags telefoniert man offenen Rechnungen hinterher, Abends besucht man vielleicht noch einen Kunden vor Ort - und zwischendurch kümmert man sich um Verträge.
Genau diese Abwechslung fehlt mir heute.
Und natürlich ist man immer noch weisungsgebunden und wird vieles Top-Down umsetzen müssen. Aber ich erhoffe mir mehr Eigenverantwortung und mehr Freiraum eigenständig entscheiden zu können.
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