Interessante Diskussion, danke.
Ein Angelpunkt scheint die Definition von "Luxus" zu sein. Diese ist logischerweise noch umstrittener als "reich", weil im allgemeinen Sprachgebrauch auch Normal- und Geringverdiener einen gewissen Luxus gönnen - bspw das iPhone, oder eine teure Klamotte. Dadurch wird auch ersichtlich, dass im Sprachgebrauch Luxus eher relativ zum Einkommen definiert wird als absolut.
Daher würde ich mich an die Frage eher über den Begriff reich & finanziell unabhängig definieren - und mich darüber dann wieder an Einkommen heran tasten.
Meine natürlich nicht objektiven Definitionen:
Reich = man kann sich ohne Arbeit, also rein aus Kapitaleinkünften, einen Lifestyle leisten, für den man ohne Vermögen zu den top5-10% der Einkommen gehören würde.
Finanziell unabhängig = ähnlich, aber einen Median- oder Durchschnitts-Lifestyle.
Ich würde von Paar + 2 Kinder ausgehen und dann -einfache Zahlen fürs Rechnen - bspw sagen:
- reich = 100k Kapitaleinkünfte = ca. 3 Mio Vermögen
- finanziell unabhängig = ca. 1,5 Mio Vermögen
- dabei gehe ich von 3,3% Entnahmerate aus, die jedes Jahr um die Inflation erhöht wird (sicherere Variante der 4% Regel)
Und jetzt können wir uns fragen, wer mit seinem Einkommen gleichzeitig heute schon einen topX% Lifestyle finanzieren kann, und der zusätzlich innerhalb von Y Jahren durch Sparen und Investieren in die Lage versetzt wird, das Vermögen aufzubauen, um diesen Lebensstil weiter fortsetzen zu können.
Die wahre Definition von Luxus im nicht rein materiellen Sinne ist Zeit, und damit ist für mich die Frührente der beste Maßstab für Luxus, wobei für nicht Rente mit 60 noch kein krasser Luxus wäre, die Rente mit 40 definitiv Luxus ist. (Ob man das die Zeit partiell gegen den Porsche eintauscht ist dann persönliche Präferenz und für mich nicht so ausschlaggebend.)
Jetzt spannt sich hier schon ein großer Raum auf:
- Der Luxus des "kleinen Mannes" wäre es, einen Mittelklasse-Lifestyle zu leben, und bis 55 ein Vermögen von 1,5 Mio aufgebaut zu haben.
- Der große Luxus wäre, bis 45 ein Vermögen von drei Mio aufgebaut zu haben
Für den kleinen Luxus reicht ein top5% Einkommen völlig. Bspw 30% Sparrate auf ein 100k Einkommen. Man lebt ordentlich und kann ein kleines Vermögen aufbauen.
Für den großen Luxus reicht das nicht. Da braucht man schon ein Einkommen von 250k+. Und selbst dann hat man keinen (neuen) Porsche, weil man ja einiges spart und währenddessen nur den gehobenen 100k Lifestyle lebt.
Daher kommt hier auch der Konflikt: Die einen schauen auf 250k+ und sagen "damit kann man sehr sehr sehr gut leben und gleichzeitig ein Vermögen aufbauen". Die anderen merken, dass man auch mit 250k noch viele trade offs hat, und nicht gleichzeitig Business fliegt, Porsche fährt UND flott ein Vermögen aufbaut. Da fühlt man sich halt nicht so reich, wenn man gleichzeitig auf den Erben schaut (Vermögen) und den Kollegen mit 0% Sparrate (Konsumluxus), und halt trotz 250k+ nicht beides gleichzeitig haben kann.
Das ist nicht weit weg von dem Post, der die Dimension Zeit rein gebracht hat - also dass man bspw erst mit 50 sich mal business class gönnt, und sich mit 30 auch ohne Business class schon "sehr wohlhabend" fühlt.
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Diese Definition von Luxus / reich passt für mich sehr gut, weil das mein Kurs ist: Mit 30 war ich nicht reich, aber hatte eine solide Sparquote und bin oft essen gegangen (das war mein Luxus), und fühlte mich daher mit 100k sehr sehr gut. Und jetzt mit 42 und 280k Einkommen und etwas über 2,5 Mio Vermögen fühle ich mich reich - weil ich zwar nicht business class fliege und kein Auto habe, aber eben geil lebe mit Haus und zwei Kindern, und on track bin, mit 50 nicht mehr arbeiten zu müssen & den Kindern etwas vererben zu können.
Andere in meiner Situation hätten vielleicht schon gekündigt (= etwas weniger Konsum, mehr Zeit), oder hätten Porsche und Business class und würden bis 60-65 arbeiten (= mehr Konsum, weniger Zeit).
Und natürlich wird es auch da Leute geben, für die das kein Luxus/nicht reich ist, weil das ja erst ab "schon mit 40 über 10 Mio auf dem Konto" so ist, wo man das Luxusreisen nur aufgrund von Sättigung unterbricht. Lifestyle-Inflation kennt halt keine Grenzen.
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Ich finde diese Definition besser als sich über die definition von Luxus-Konsum zu streiten. Weil sie zumindest übertragbar in andere Länder ist (relative definition des Lifestyle, den man aus dem Vermögen finanziert), und weil sie flexibel ist bzgl der individuellen Präferenz, Konsum gegen Zeit zu tauschen bzw umgekehrt.
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