Also - ich kann zu der Diskussion ein wenig was beitragen. Ich bin bei einer Spezialberatung tätig, deren Namen ich jetzt mal nicht nenne, aber wir bekommen auch Zulauf von den großen, üblichen Verdächtigen (auch MBB), da unsere Work Life Balance besser ist und wir technisch ein wenig versierter unterwegs sind.
Ich bin so etwas wie ein Senior Manager, das heißt, ich kümmere mich um die strategische Ausrichtung unserer Projekte, kommuniziere und pitche das beim Kunden, verhandle Verträge, organisiere auch Inhalte und teilweise Staffing und treibe auch gleichzeitig unsere interne Strategie voran. Der Fokus ist Digitalisierung, KI, usw. Mit anderen Worten, mein Alltag besteht aus vielen Baustellen und ich muss mehrmals am Tag „umdenken“. Das ist ziemlich anstrengend um ich sehne mich hin und wieder mal danach, einfach nur in einem oder zwei Projekten „zu arbeiten“. Und zwar unabhängig von der Stundenzahl pro Tag. Acht Stunden Meetings pro Tag mit ständigen Themenwechseln gehen sehr an die Substanz. Vor allem, wenn der Industriesektor mal eben wechselt (von international operierender Bank hin zum kleinen Mittelständler).
Ich habe darüber hinaus eine klassische Promotion am Lehrstuhl mit sehr viel Forschungstätigkeit abgeschlossen. Bei mir war es so, dass ich bei der Promotion nach gut zweieinhalb bis drei Jahren bemerkt habe, dass ich auf bestimmte Dinge eine andere Sichtweise entwickle. Und zwar aufgrund der Denkweise, die man in der Promotion adaptiert. Dafür war aber die Forschung und das konstante Rennen gegen Wände verantwortlich, dass man aufgrund des Publikationsdrucks, Anträge schreiben und Präsentationen auf Konferenzen gehabt habt. Diejenigen, die das auch durchmachen mussten, verstehen was ich meine. Ich glaube nicht, dass man dies mit einer „Beraterpromotion“ erreicht. Und ein normaler Master-Absolvent kann dieses Level gar nicht erreichen, daher sind einige Kommentare hier sehr sonderbar.
Ansonsten hilft mir diese Denkweise in meinem Arbeitsalltag sehr, da ich oft die strategische Sicht- UND Denkweise einnehmen muss. Allerdings - und das ist der große Knackpunk – das wird auch von mir verlangt. Natürlich würde mir die Promotion nichts bringen, wenn ich einen normalen 5to9-Job hätte oder extrem routinierte Aufgaben in einem Standardumfeld einer Unternehmensberatung oder im Konzern hätte.
Ich habe das „Glück“, dass ich in der Rege noch nicht mal weiß, wie der jeweils morgige Tag ablaufen wird und immer irgendwo irgendwelche Feuer zu löschen sind. Wir haben aber sehr viele sehr gute Leute auf allen Ebenen. Sei es im Projekt Management, in der Akquise, auf den Projekten selber in der Durchführung und in der Administration. Da wir eine IT-Beratung sind interessiert der Abschluss und auch die Disziplin nicht. Und erste recht nicht die Uni. Ich arbeite als WiWi mit Physikern, Biologen, Ingenieuren, Dual-Studenten usw. zusammen und es ist schlicht egal. Ich ordne mich auch gerne einem Projektmanager der zehn Jahre jünger ist und „nur“ einen Bachelor hat unter, wenn er mir Entscheidungen abnehmen kann und mich entlastet. Man merkt zwar einigen Leuten über die Zeit an, dass sie eine andere Motivation im Job haben, aber nach Abschlüssen oder Disziplinen zu pauschalisieren habe ich schon vor langer Zeit aufgegeben.
Das, was hier vielfach diskutiert wurde sind entweder Plattitüden aus dem Elfenbeinturm oder der Poster ist überhaupt nicht in einer Position, dass er das einschätzen kann.
War also die Promotion für meine Stellung oder Karriere hilfreich, dann ist die Antwort „Ja“. Aber nicht, weil ich mir direkt danach den Doktor in den Personalausweis habe eintragen lassen und dirket nach mehr Gehalt geschrien habe, sondern weil ich im Job schlicht anders agiere. Ich kann mir daher sehr gut vorstellen, warum Doktoren in der Strategieberatung so begehrt sind.
antworten