Ja, Florian hat absolut Recht!
Als ich vor vor ca. 5 Jahren die Schnelligkeit und Berechnungsleistungen der Comupter gespürt habe, habe ich nach meinen BWL-Studium noch zusätzlich Wirtschaftsrecht studiert.
Für eine Kanzlei (20 MA; 1 StB), die ich vor 5 Jahren Praktikum gemacht habe, wollten auch keine Veränderungen einsehen. Die hatten sogar oft noch viele EStE für NiSe oder einfache Buchhaltung erstellt (Fokus war eher Verwaltungsaufgaben, Belege ordnen, kontieren und in Datev eintippen).
Ich denke, zukünftig schafft man es als Steuerberater, wenn man kreativ ist und sich mit Gesetzen auskennt (Gesetze kennen, Gestaltungsmöglichkeiten). Anders als Kostenrechnungen, Kalkulationen und Wirtschaftlichkeitsrechnungen usw., ist Kreativität und Auslegung von Steuerrecht eben nicht durch Computer ersetzbar.
Tax Accounting und Finance muss man nur kennen und verstehen, aber nicht vertiefen. Der Computer wird da immer besser und schneller als der Mensch sein.
Es kann schon sein, dass Mandaten später die Möglichkeit haben Ihre Belege einfach in den Scanner zu legen und er bucht nicht nur, sondern erkennt auch von selbst unter welcher Norm und wo es wirtschaftlich Vorteilhafter ist für den Mandaten. Es kann auch sein, dass der Computer Rechtsformwahl, Entscheidungshilfe für die Mandaten individuell vorschlagen kann usw.
Wirtschaftlichkeitsbeurteilungen - und Fehlermeldung usw. kann der Computer später vllt. besser als wir.
Der Computer kann aber nur Dinge erledigen, die er kennt, also baut auf historische Daten. Der Computer kann aber keine neuen Knackpunkte selbst entwickeln (bzgl. Steuergerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit, Sozialstaatsprinzip usw.). Der Computer kann keine neuen Argumente liefern (die Frage nach dem Warum?), er könnte auch nicht bei Steuerstrafdelikten weiterhelfen usw. usw.
Der Computer ist rational, wir aber nicht immer (siehe Sozialer Wandel "Ehe für Alle", Steuergerechtigkeit usw. usw.)
Und zum Schluss, wer einfach und schnell Geld machen will, sollte kein Steuerberater werden (Enttäuschung vorprogrammiert).
Wer aber unbedingt Steuerberater werden will, soll unbedingt sich auf seine "Menschlichkeit" fokussieren, statt ein Taschenrechner zu sein. Denn als Taschenrechner wird man kläglich scheitern...
WiWi Gast schrieb am 26.07.2018:
Liebe Mitforisten,
ich habe die gesamte Diskussion mit Neugierde gelesen. Ich bin mittlerweile seit 12 Jahren in der Branche. Meine klare Empfehlung: Solltet ihr für das Steuerrecht brennen, dann macht euch auf den Weg hin zum Steuerberater. Mit dieser Voraussetzung (Leidenschaft, Interesse, Neugierde) wird man es zur Exzellenz bringen. Entweder man geht den Weg über Jura und den Fachanwalt für Steuerrecht oder über BWL und macht dann den StB (das sind zumindest die Standard-Wege).
Das Thema "Digitalisierung" wird in den Medien viel zu populistisch skizziert. Die Ansätze, die hier diskutiert werden, z. B. eine vollständige Automatisierung der Beratung (davon wären dann wohl auch sämtliche Rechtsberatungsberufe betroffen) durch Tax- oder Legal-Tech-Startups halte ich für völlig unrealistisch und überzogen.
Im Übrigen haben wir schon längst eine fast vollständige Automatisierung der FIBU, digitale Belegführung, vorabausgefüllte Steuererklärung etc., und das bereits seit einigen Jahren.
Das Thema wird viel zu undifferenziert betrachtet. In der heutigen Zeit besteht das große Problem, dass Themen einfach zu oberflächlich durchdacht werden. Das Thema der "Wegdigitalisierung" von Steuerberatern kam ja erst richtig durch eine angelsächsische Studie auf, die zu dem Schluss kam, dass eben Steuerberater mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit der Digitalisierung zum Opfer fallen werden. Wieder einmal zu kurz gesprungen: In den USA z.B. ist das Steuerrecht und die Rolle eines Steuerberaters eine völlig andere als in Deutschland. Wir haben in Deutschland das komplexeste Steuerrecht der Welt. Eine Übertragbarkeit der Ergebnisse ist keineswegs gegeben.
Dass Einzelkanzleien kaum eine Rolle spielen werden in 10-15 Jahren denke ich auch. Aber eher, weil der fachliche Austausch fehlt und einfach die Rechtsänderungen so rasant sind und die Spezialisierung voranschreitet.
Ich bin weniger in den Bereichen Jahresabschluss oder FIBU tätig. Meine Bereiche sind betriebliche Steuererklärungen, Restrukturierung, Nachfolgeplanung, Begleitung BP oder auch teilweise Family Office. Da brauchst du Beraterpersönlichkeiten, exzellentes Fachwissen und ein souveränes Auftreten. Digitalisierung sehe ich hier überhaupt nicht existenzbedrohend.
Ein Freund von mir hat eine Kanzlei gekauft. Die machen in der Tat auch FIBU, Jahresabschlüsse etc. Auch dort wachsen seine Mandanten. Er hat mehr Zeit für Beratung, auch betriebswirtschaftliche durch die Automatisierung. Also eher ein Pluspunkt. Noch ein interessanter Punkt: Manche Mandanten lassen ihre FIBU von diesen digitalen Buchhaltungsklitschen machen. Spätestens wenn eine Betriebsprüfung ansteht, sind alle wieder bei ihm. Die Algorithmen sind "noch" viel zu fehleranfällig. Von den umsatzsteuerlichen Risiken möchte ich gar nicht sprechen.
Lasst mich noch etwas zu dem Thema "KI" verlieren: Echte künstliche Intelligenz gibt es in diesem Bereich noch gar nicht. Bisher ist auch nicht absehbar, wann oder ob es diese geben wird. Wir sprechen hier von 15,20,25 Jahren. Bisher gibt es einfach nur Algorithmen, die ziemlich dumm sind, da einfache mathematische Routinen dahinter liegen. Und solange es ein übergreifendes, abstraktes Denken nicht gibt, welches durch IT generiert werden kann, sehe ich kaum ein Risiko in der Steuerberatung.
Ich gehe eher von einer Transformation des Berufsbildes aus, Stichwort: "Tax Engineer". Sehr interessante Publikationen der Top-Kanzlei PSP München.
Meine klare Empfehlung: Wenn ihr Bock auf Steuerrecht habt und ihr wirklich gut in diesem Bereich werden wollt, macht es auf jeden Fall. Es ist unheimlich vielfältig und spannend.
Bei Rechnungswesen und Controlling wäre ich vorsichtig. Gerade hat Samsung Deutschland das komplette Backoffice inkl. Accounting nach Osteuropa verlagert. Im Steuerrecht ist man aus meiner Sicht weniger ersetzbarer. Dass die Lufthansa ihre Konzernsteuerabteilung nach Rumänien verlagert ist völlig unwahrscheinlich. Und noch was: Derzeit gibt es einen unfassbaren Engpass im Personalmarkt. Steuerleute werden gesucht, wie Sand am Meer. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass die sehr renommierte Uni Köln einen Master in Unternehmenssteuerrecht aufgelegt hat unter der Leitung von Prof. Hey. Also go for it!
Beste Grüße und nur Mut,
Florian
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