nach fast zwei Jahren - Frustrationstoleranz am Limit
Hallo.
Das wird jetzt wohl etwas länger.
Zunächst zu meiner Person:
Ich werde nächstes Jahr 30 und aufgrund eines abgebrochenen Studiums im naturwissenschaftlichen Bereich ist meine höchste Formalqualifikation ein leidliches Abitur. Ich interessiere mich allerdings sehr für die Wirtschaft und für Mitarbeiterführung, habe seit Längerem den Harvard Business Manager abonniert und lese Fachbücher wie z.B. "Der Macht-Code".
Zu meiner Situation:
Nach abgebrochenem Studium war mir ziemlich klar, dass ich keinen Fuß mehr in einem guten Job fassen können werde. Also habe ich mich in einem Call-Center als Verkäufer beworben. Das Produkt ist seriös, die Vorgehensweise im Gespräch ebenfalls, sonst hätte ich das nie gemacht. Aufgrund meines Ehrgeizes und meiner Einstellung "harte Arbeit bleibt nicht unbemerkt" habe ich schon nach wenigen Wochen die Chance bekommen mich testweise in ersten Führungsaufgaben zu beweisen. Etwa 4 Monate nach meiner Einstellung als Verkäufer bekam ich dann bereits einen neuen Arbeitsvertrag als Leiter einer Filiale des Unternehmens. Hier führe ich seither Bewerbungsgespräche, bilde neue Mitarbeiter aus, betreue die bestehenden Mitarbeiter und bin direkt dem Geschäftsführer unterstellt. Meine Leistungen waren auch hier sehr gut, so dass ich nach 6 Monaten in dieser Tätigkeit eine ordentliche Gehaltserhöhung bekam und seither bei knapp unter 40TEUR brutto liege. Durch meine Flexibilität, Zuverlässigkeit und Einsatzbereitschaft wurde ich nun sogar zusätzlich damit betraut Firmenumzüge an drei Standorten zu organisieren. Das ist das Schöne hier in dem Unternehmen: Leistung bleibt nicht unbemerkt und vor allem nicht unhonoriert. Soweit so gut und für meinen mieserablen Lebenslauf kann ich vermutlich auch nicht mehr verlangen. Aber:
Die ständigen Nachrichten über Abbuchungsbetrügereien und Call-Center-Abzocker machen auch uns enorm zu schaffen. Die Leute sprechen kaum noch mit uns und in allen Filialen gehen die Umsätze in den Keller. Leider setzt das meinen Chef enorm unter Druck und seine bisherige Berufsethik hat sich mittlerweile völlig verabschiedet. Motiviert wird nur noch durch Angst vor Jobverlust.
Kürzlich mein Schlüsselerlebnis:
Aufgrund des schlechten Umsatzes habe ich einen genauen Schulungs- und Betreuungsplan für jeden einzelnen Mitarbeiter erstellt, Mitarbeitergespräche vorbereitet, mir Incentives überlegt und genaue Zielvorgaben mit Timeline für meine Filiale gestaltet. Das alles wollte ich mit meinem Chef absprechen und absegnen lassen. Antwort vom Chef: "Das dauert zu lange, wir brauchen JETZT Ergebnisse. Gehen Sie rum und verteilen Sie Abmahnungen an alle, die nicht genug Aufträge liefern. Wem das nicht passt, der kann eine Aufhebungsvereinbarung unterschreiben und direkt gehen. Und wer nicht sofort besser wird, der bekommt noch vor Weihnachten seine fristlose Kündigung wegen Arbeitsverweigerung. Das sollen die dann mal ihren Familien erklären."
Das kann ich nicht mehr. Das entspricht nicht meiner Vorstellung von Personalführung.
Jedenfalls will ich hier nicht mehr alt werden. Ich befürchte, dass das Unternehmen bald in Zahlungsnöte kommen wird, ansonsten würde der Chef nicht so reagieren.
Ich müsste noch ein halbes Jahr im Unternehmen bleiben, um zumindest die zwei Jahre voll zu bekommen. Fraglich ist, ob ich oder das Unternehmen es noch so lange aushalten.
Fragen:
- Wie soll ich weiter verfahren? Das halbe Jahr versuchen durchzuhalten, oder so schnell wie möglich wechseln?
- Wenn wechseln: Für was / als was könnte ich mich bewerben? Ich habe wie gesagt keinerlei Formalqualifikation.
Bislang plane ich die Umzüge noch zu organisieren (wird wohl bis etwa März dauern), dann meinen Urlaub zu nehmen und mir etwas Neues zu suchen. Ich habe in der ganzen Zeit bislang keinen Urlaub genommen, weil ich zunächst die Umsätze in den Griff bekommen wollte. Es hat sich also einiges angesammelt. Insgesamt dürfte ich dann etwa auf die zwei Jahre kommen. Am liebsten würde ich meinem Chef diese Entscheidung auch so früh wie möglich mitteilen, damit er sich rechtzeitig nach Ersatz umsehen kann. Das halte ich nur für fair ihm gegenüber. Aber bei seinem Verhalten in letzter Zeit frage ich mich, ob das nicht nach hinten losgehen könnte und mir irgendwelche Schikane blühen.
An alle, die sich die Mühe gemacht haben so weit zu lesen: Danke für das Interesse! An alle, die sich jetzt die Mühe machen auch noch zu antworten: Vorab schonmal meinen besten Dank!
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