Und wieder ein Thread in dem frustrierte Diplomer, Arbeitslose oder vermeidliche High-Potentials ihre große Weisheit über den Niveauverlust und die Wertlosigkeit des Bachelors/Abis von sich geben.
Ich glaube ich sollte schnell Aktien von Essity kaufen - die müssen mit Tempo-Taschentücher gerade ein Vermögen verdienen, so wie hier einzelne herumheulen.
Trotz Bachelorflut liegt das Medianeinstiegsgehalt für Bachelor bei 41k, für Ausbildungsberufe irgendwo zwischen 25-30k.
Und natürlich kann ich einen Bankkaufmann (ca. 2.900 Euro p.M.) mit Sporttherapeuten (ca. 2.700 p.M.) vergleichen. Genauso funktioniert es aber andersherum auch...
Witzig ist auch der andauernde Widerspruch: Bachelor ist wertlos und Bachelor ersetzt Ausbildung.
1993 betrug das durchschnittliche Einstiegsgehalt für die hochgeehrten, gottgleichen Diplom-Betriebswirte knapp 69,5k DM, etwa 35,5k Euro. Mit historische Inflation entspricht das 2016 einem Einstiegsgehalt von etwa 49,5k Euro. Jetzt liegt der Durchschnitt bei 40,5k Euro. Ein spürbarer Verlust. Bedenkt man aber, dass 1999 das durchschnittliche Einstiegsgehalt auch bei 70k lag, dann müssten es jetzt knapp 45k sein. Der Trend zu geringeren Einstiegsgehältern hat lange vor dem Bachelor angefangen und etwas mit "dem Kranken Mann Europas" zu tun. Lohnzurückhaltung, Agenda 2010 und Co.
Am Ende läuft es darauf hinaus, dass im Durchschnitt Bachelors etwas weniger verdienen als man es von Diplomern (5-10%) erwarten würde und Master etwas mehr (1-3%). Alles ganz normal, wenn man auf die Studiendauer blickt. Das Einkommensniveau von Ausgebildeten ist damals wie heute deutlich niedriger als das Niveau von Akademikern. Betrachtet man das Lebenseinkommen würde es zwischen hypotethischen 2017 Diplomern und Bachelor kaum Unterschiede geben. Die Unterschiede, die es gibt sind nicht wesentlich auf Diplom oder Bachelor zurückzuführen, sondern auf alt vs. jung. Für alle, denen es noch nicht aufgefallen ist: In vielen Konzernen gibt es Alt- und Neuverträge. Die Altverträge sind extrem gut bezahlt; während die Neuverträge aufgrund von Rationalisierung, Globalisierung, Outsourcing, Freihandel, Shareholder-Value-Denken und Co. deutlich darunter liegen.
Und bevor jetzt wieder das Beispiel vom DAX-Bandarbeiter vs. Bachelor Marketing kommt: Niveau ungleich Einzelfall. Zuckerberg, Gates, Jobs und René Obermann haben allesamt kein abgeschlossene Studium und sind trotzdem sehr erfolgreich (gewesen) - also war ein Studium deswegen schon immer Zeitverschwendung?
Fazit: Nein, natürlich ist ein BWL Bachelor nicht wertlos. Und ja, Diplomstudiengänge haben mehr Wissen vermittelt - was auch damit zu tun hat, dass sie länger waren. Der Anspruch war aber nicht höher. Ein 1995 Diplom mit einem 2017 Bachelor zu vergleichen ist wie eine Mercedes C-Klasse von 1995 mit einem 2017 Golf zu vergleichen. Vieles ist veraltet und trifft einfach nicht mehr den heutigen Bedarf. Faktenwissen ist nicht mehr so wichtig, Methodenwissen, SoftSkilss und Resilienz dafür umso mehr.
Genauso wie es heute Bachelor gibt, die einen Diplomstudiengang nicht geschafft hätten gibt es Diplomer, die einen Bachelorstudiengang nicht schaffen würden. Und das Gehaltsniveau ist angemessen (im Einstieg etwas niedriger als Diplom bei kürzerer Dauer) und die Arbeitslosigkeit gering.
Was definitiv schwerer ist: Sich abzuheben. Es gibt absolut betrachtet mehr Bachelor-Absolventen in einem Jahr als früher Diplomer in einem Jahr (übrigens auch mehr Bedarf).
Am Ende ist der ganze Studiengang nur für einen Zweck wichtig: Um zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Von da an ist der Abschluss egal und es kommt nur auf euch an.
PS: An alle die jetzt kommen: "Der Effekt ist noch nicht durchgeschlagen, aber in Zukunft geht es bergab. Muss so sein." Das höre ich nun schon seit 8 Jahren (auch hier im Forum). Kommt doch wieder wenn es soweit ist...
Dann sitzen wir zusammen, ich lade euch zu einem Kaffee ein und ihr könnt euch Stolz fühlen, dass ihr die Entwicklung ja schon vor 30 Jahren vorhergesehen habt...
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