Grundsätzlich kann ich verstehen was du mit der "Sinnhaftigkeit eines Berufsbildes" meinst. Ich denke es ist normal, dass man kognitive Dissonazen bezüglich seinen Entscheidugen aus der Vergangenheit (welches Studium habe ich gewählt, welche Kaufentscheidung habe ich getroffen, für welchen Partner habe ich mich entschieden) auf der einen Seite, sowie seinen Erwartungshaltungen für die Zukunft (War das Studium das richtige, habe ich wirklcih eine gute Kaufentscheidung getroffen, ist es wirklich der Partner z.B. fürs Leben) auf der andere Seite hat.
Ich selbst habe BWL auf Diplom studiert und anschließend noch einen Master in Wirtschaftsinformatik gemacht. Die Aufnahme des Zweitstudium war nicht ohne Grund. Letztlich hatte ich im Vorfeld sowie in meinem ersten BWL-Job ähnliche Gedanken wie du. Die Arbeit (ich war in der Beschaffungslogistik sowie SCM tätig) machte in meinen Augen ebenfalls keine "Sinn". Richter, Ärzte sowie Lehrer waren damals in meinen Augen ebenfalls Berufsbilder welche "Sinn" machten.
Ich habe mich für WI entschieden, da mir BWL so als brotlose Kunst vorkam. Sicherlich braucht man "BWLer" überall (das ist ja immer so das Argument was man hört), aber mir persönlich kam ich dadurch so "austauschbar" vor, so "fachwissenlos", so generalistisch vor. Ich dachte damals, das bspw. Masch.bauer Autos planen, Bau-ing. Häuser und Brücken bauen, Luft- u. Raumfahrt-ing. Flugzeuge, Raketen und Satelliten bauen, Ärzte kranken Menschen helfen gesund zu werden, Lehrer das wohl wichtigste Kapital in punkto Zukunft ausbiden (die nachfolgenden Generationen, welche uns mal "tragen" müssen). Gegen all diese Tätigkeiten kam mir meine BWL'ler-Tätigkeit damals so "sinnlos" vor. Gepaart mit der Ellbogen-Mentalität mancher Kollegen, gepaart mit den doch eher moderaten Jobaussichten machte sich bei mir damals auch eine gewisse Skepsis bezüglich der "Sinnhaftigkeit" potentieller Jobs breit.
Heute sehe ich das ganze etwas anders. Im Grunde ist es zwar schon so wie oben beschrieben, ABER ich habe eins gelernt und auch an Beispielen aus dem persönlichen Umfeld gesehen: Der Mediziner ist auch unzufrieden mit seiner Tätigkeit und jammert, der Lehrer merkt dann in der Realität doch, dass seine Vorstellung vom "Lehren" etwas anders war, der Bau-ingenieur plant dann doch keine großen Brücken, sondern kleine Straßenbauprojekte in denen Gas-Wasser-Scheisse im Mittelpunkt stehen, der Masch.-bauer hockt den ganzen Tag nur vor irgendwelchen CAD-Programmen, von Tüffteln und bspw. Autos bauen kann da i.d.R. nicht die Regel sein. Ich will auch nicht sagen, dass es anders sein sollte. Wir haben uns in unserem System für die Spezialisierung und Arbeitsteilung entschieden. Eine logische Konsequenz ist, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer dadurch eben nur ein "kleines Rädchen im System" sind. Dumm nur, dass die meisten das erst im Beruf merken. Egal, mit wem ich spreche. Jeder ist unzufrieden, jeder jammert über zu viel Arbeit und zu wenig Geld und unter Umständen auch eine "sinnlose Tätigkeit". Ein Freund von mir studiert Medizin und hat seit einem Monat sein Studium erfolgreich beendet. Glaubst, du das er seine Tätigkeit als sinnvoll ansieht? Glaubst du, dass er wirklich denkt er kann im Beruf was bewegen und Menschen helfen? Soll ich dir mal sagen, dass ebendieser Freund mir kürzlich gesagt hat (sinngemäßes Zitat): "Ich hab doch kein Bock mir die Hände an irgendwelchen verpiensten Menschen schmutzig zu machen. Ich gehe lieber in die Radiologie. Da hab ich nichts mit Menschen am Hut und bekomme gutes Geld und habe geregelte Arbeitszeiten.". Müsste man diesen Mediziner nicht mal fragen ob er nicht vielleicht den falschen Beruf gewählt hat? Müsstest du dich als VWL'ler, der sich nicht wirklich vorstellen kann in einer Bank oder Versicherung zu arbeiten, der die Sinnhaftigkeit von WIWI-Jobs in Großraumbüros in Frage stellt, nicht auch mal fragen ob du vielleicht das falsche studiert hast? Hast du wirklich geglaubt, dass du mit einem VWL-Studium einen "sinnvollen Job" machen wirst? Was hast du denn vor Aufnahme des Studiums gedacht?
Ich will dich mit dem oben geschriebenen keinesfalls verurteilen, dir lediglich ein paar Denkanstöße geben vielleicht mal etwas genauer nach zu denken. Die gleichn Fragen stelle ich mir auch immer wieder mal. Und auch ich muss ich letztlich Fragen, was ich mir eigentlich von meiner späteren Tätigkeit erhofft hatte bevor ich mein Studium aufnahm. In meinem Fall führe ich es darauf zurück, dass ich damals noch nicht wusste, was ich heute weiß. Das lag nicht daran, dass ich mich nicht ausreichend genug informiert hätte. Das liegt schlicht an dem was man "Lebenserfahrung" nennt. Und wie sagt man so schön: Am Ende ist man immer schlauer!!!!
Eine Teilschuld will ich aber auch unserem Volksgeist geben. Man kann eigentlihc schon nicht mehr von einem nationale Volksgeist sprechen, sondern von einem globalen. Denn im Prinzip gibt es diese Tendenzen in allen Industrieländern. Um aber mal in Deutschland zu bleiben:
Du bekommst als Kind bereits gesagt: "Bist du gut in der Schule, dann gehts aufs Gymnasium, sonst auf die Hauptschule." Mal ganz abgesehen davon, dass solche Semantiken für Kinder ganz schön Druck aufbauen, schüren Sie auch die Ellenbogen-Mentalität sowie das Denken in Klassen.
Schaffst du es dann auf Gymnasium dann heißt es dort. "Wenn ihr das Abi habt, dann könnt ihr studieren und richtig interessante Berufe lernen." Gesagt, getan denkt sich das Kind auf der suche nach gesellschaftlicher Annerkennung.
Dann kommste an die Uni. Dort wird der Ton dann schon etwas rauer. "Schauen Sie sich ihren Nachbarn zur Rechten an. Einer von Ihnen beiden wird am Ende des Studium statistisch nicht mehr da sein." Ich habe tatsächlich selbst einige Profs. erlebt die Dinge äußerten, wie : "Wenn sie Studiengang xyz bei uns beenden stehen Ihnen am Arbeitsmarkt alle Türen auf."
Diese Spirale beginnt in der Kindheit, zieht sich über Jugend bis ins Erwachsenenalter fort. Kinder und Jugendliche "strengen sich an", reißen sich unter Umständen ein Bein raus. Bekommen durch oben genannte Verhaltensweise von Lehrern, Eltern, Profs., der Gesellschat, den Medien usw., die sogenannte Zuckerrübe vorgehalten. Ihnen wird Appetit gemacht. Sie werden angefixxt. Das Problem ist, dass die wenigsten dabei noch wirklich nachdenken, was sie wollen. Wie auch, ist man ja ständig damit beschäftigt, sich zu vergleichen mit seinen Kommolitonen, Freunden , Klassenkameraden usw.
Ich finde es gut, dass du dir solche Gedanken machst. Das zeugt nämlich meines Erachtens von einem gewissen Charakter und auch von einer gewissen sozialen Intelligenz. Leider gehen diese Werte bei vielen heute leider flöhten. Dennoch gibt es viele, denen es genau so geht wie dir.
Einen sinnvollen Job zu finden ist so glaube ich heute eine ganz schön schwere Aufgabe und hängt nicht zuletzt immer von dem ab was du eigentlich als "sinnvoll" definierst. Ich kenne junge Unternehmensberater, welche horrende Entgelder kassieren, welche keine Freizeit mehr haben, welche aber im Gegenzug fest davon überzeugt sind, dass ihre Arbeit "sinnvoll" ist. Sie glauben, dass Sie menschen helfen. Ich glaube, dass ist auch der Knackpunkt. Du musst letztlich hinter deiner beruflichen Entscheidung stehen, sonst niemand. Du musst dich nicht vor der Gesellschaft rechtfertigen, sondern vor dir. Befrägt man Menschen die im Sterbebett kurz vor dem Tod sind, ob es Dinge gibt, die Sie in ihrem Leben bereut haben, so antworten viele (sinngemäß): "Ich bereue nichts von dem was ich getan habe, aber ich bereue, dass ich Dinge NICHT getan habe."
Was das für dich bedeutet? Das weiß ich nicht. Was du machen sollst? Das weiß ich nicht. Das musst du selbst entscheiden. Berücksichtige aber auch ein wenig, dass nicht alles Gold ist was glänzt (also z.B.: der Lehrerberuf oder der Jurist oder wie auch immer) und versuche deinen inneren Mr. Unzufrieden etwas im Zaum zu halten.
Vielleicht wären Non-Profit Organisationen etwas für dich. Oder generell ein Unternemen, welches den Mitarbeiter etwas mehr in den Fokus rückt, also nicht gerade eine Bank oder Unternehmensberatung. Sicherlich kannst du jetzt keinen kompletten Richtungswechsel einschlagen, dennoch hast du in der Hand was du aus deinem Studium machst und wie "sinnvoll" du deinen Job sowie dein Leben gestaltest. Alternativ kannst du ja auch neben der Arbeit versuchen noch etwas "sinnvolles" zu machen um dir da diese Bestätigung zu holen. Gehe in Altenheime und rede mit den Menschen die dort alleine sind und selten Besuch bekommen. Das sollte dir etwas Auftrieb geben und ist moralisch und gesellschaftlich definitv als "sinnvoll" ein zu stufen.
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