WiWi Gast schrieb am 09.01.2019:
Woran willst du anhand von Xing-Profilen die Qualifikationen für eine Stelle in der Wissenschaft erkennen? An tollen Praktika? Was jucken die für das wissenschaftliche Arbeiten? An Hiwijobs oder Tutorentätigkeiten? Jucken in den seltensten Fällen (ich war lange dabei und hab mich u.a. aufgrund den Einblicken dort gegen eine Promotion entschieden) An der Regelstudienzeit? Was juckt die? An Auslandsaufenthalten? Was jucken die, wenn das Englisch schon passt?
Ob jemand das Zeug zum Wissenschaftler hat, äußert sich nicht an standardisierten Lebenslaufmerkmalen, die der karriereorientierte Mensch absolviert, um die Human-Ressource-Software zu überleben. Entscheidend ist vor allem der Grips / die Begabung und das zuvor angehäufte Wissen, das die Grundlagen sicherstellen muss, auf denen man aufbauen kann. Man muss eigenständig komplexe Zusammenhänge erarbeiten und neue herstellen können. Diese Fähigkeit kannst du nicht einfach über eine abzuhakende Liste überprüfen.
Am ehesten als Referenz taugt also noch die Abschlussnote. Die dürfte in 50% der Fälle <1,5 sein und in weiteren 40% zumindest unter 2,0. Das ist also keinesfalls schlechter als bei den hier so toll beworbenen UB/IB. Anders als in der freien Wirtschaft sind in der Wissenschaft mMn. Spitzenleistungen im Studium auch wirklich eine Grundvoraussetzung für spätere Topleistungen. Da muss man dann freilich auch zeitlich noch wesentlich! mehr investieren. In der freien Wirtschaft sind andere Qualitäten (Selbstvermarktung, Netzwerken etc.) doch wesentlich wichtiger. An der Uni muss man komplexe Zusammenhänge zumindest verstehen und teilweise auch bereits produzieren können. Du wirst dir kaum die Abschlussarbeiten der Kandidaten durchgelesen haben, um das zu beurteilen zu komtmen.
Viele kluge Leute an der Uni haben ihr Studium nicht nur abhaken wollen und als Karrieresprungbrett gesehen. Nein, sie haben gelebt und die Freiheit genutzt und keinen Lebenslauf optimiert, weil sie ihr Studium vorwiegend intrinsisch motiviert aufgenommen haben. Haben sich breit über das Studium hinaus gebildet, sonstwo eingebracht oder auch einfach nur gelebt und die Damenwelt auf Partys genossen. Wenn die dann durch dein "Xing"-Raster fallen, dann ist dir auch nicht zu helfen. Übrigens hat jede deutsche Uni ein hohes Niveau, das dich zum Promovieren qualifiziert, auch wenn möglicherweise das notwendige Methodenwissen nicht immer 100% gleich ist. Wer was drauf hat, kann das aber auch noch nachholen.
Ja: Manchmal gibt es tatsächlich Leute, die promovieren, weil sie noch keinen klaren Plan für später haben. Das ist aber eine Minderheit. "Xing-Profile" bringen dagegen für sich genommen erst einmal gar keine Leistung.
"Entscheidend ist vor allem der Grips / die Begabung und das zuvor angehäufte Wissen, das die Grundlagen sicherstellen muss, auf denen man aufbauen kann. Man muss eigenständig komplexe Zusammenhänge erarbeiten und neue herstellen können. Diese Fähigkeit kannst du nicht einfach über eine abzuhakende Liste überprüfen."
Dein Bild der Forschung ist sehr romantisiert beschrieben. Warst du selbst mal in der Wissenschaft wirklich tätig? Es liest sich als wärst du es nicht. Die Fachbereiche von Geschichte bis Informatik unterscheiden sich zwar aber die Grundregeln der Forschung sind immer die selben. Dein Netzwerk, dann dein Glück, deine Leidensfähigkeit und dein Können. Intelligenz bzw. Begabung in seinem Fachbereich ist die absolute Grundvorraussetung, was übrigens nicht bedeutet, dass man Top 1% sein muss. Die Note ist weniger relevant als viele glauben. Gerade in Deutschland ist das Netzwerk entscheidend und nicht deine Hard Skills.
Dass es nur die besten, die High-Performer schaffen ist leider nicht der Fall. In Deutschland wirst du Professor, weil du Netzwerk und Gönner hast. Das System ist auf Vetternwirtschaft ausgelegt. Im Optimalfall absolvierst du deine Promotion bei einem Prof, der ein gutes Standing und Netzwerk hat und dich später vorschlägt. Grundlage für all das ist, dass du polarisierende Paper in bekannten Fachzeitschriften schreibst.
Die Hürde ist auch nicht die Promotion selbst. Die schreiben in Deutschland relativ viele und im Grunde jeder, der interessiert ist und einen Prof findet. Hingegen einen guten Prof, was ich oben beschrieben habe, zu finden ist schon mal Glückssache. Die schwerste Zeit erlebt man in seiner Postdoc Phase.
Wer ernennt dich zum Professor? Das tun andere Profs, die dich als Arbeitskollege haben werden und die nehmen nicht den besten sondern denjenigen, der ihnen am meisten nützt.
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