Nobelpreisträger für Wirtschaft 1995
Der Nobelpreis für Wirtschaft ging 1995 an den Ökonomen Robert E. Lucas, jr., für seine Entwicklung und Anwendung der Theorie rationaler Erwartungen.
Die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften hat den von der Schwedischen Reichsbank in Erinnerung an Alfred Nobel gestifteten Nobelpreis für Wirtschaft des Jahres 1995 verliehen an
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Robert E. Lucas, jr., University of Chicago, USA
für seine Entwicklung und Anwendung der Theorie rationaler Erwartungen.
Die Theorie rationaler Erwartungen
Erwartungen über die Zukunft sind von entscheidender Bedeutung für das Handeln von Haushalten, Unternehmen und Organisationen. Dies gilt etwa für die Lohnentwicklung, bei der die Erwartungen über die zukünftige Inflationsrate und die Nachfrage von Arbeitskräften das Lohnniveau beeinflussen, und dieses wiederum die zukünftige Inflation beeinflusst. In ähnlicher Weise sind auch zahlreiche andere ökonomische Variablen durch Erwartungen über zukünftige Entwicklungen bestimmt.
Trotz der großen Bedeutung dieses Problemfeldes haben die Wirtschaftswissenschaften dem Thema der Erwartungen lange Zeit wenig Beachtung geschenkt. So war es in den 70er Jahren nicht ungewöhnlich, dass Erwartungshaltungen einfach willkürlich unterstellt oder als konstant vorausgesetzt wurden. Man ging beispielsweise schlicht davon aus, dass das zukünftige Preisniveau dem heutigen entsprechen würde. Oder aber das erwartete zukünftige Preisniveau wurde einfach basierend auf der Abweichung zwischen dem aktuellen und dem zu einem früheren Zeitpunkt erwarteten Preisniveau angepasst.
Im Gegensatz dazu orientiert sich die Theorie rationaler Erwartungen tatsächlich an zukünftigen Entwicklungen. Sie besagt, dass Akteure verfügbare Informationen nutzen, ohne dass ihnen die von früheren Theorien unterstellten systematischen Fehler unterlaufen. Erwartungen entstehen danach, indem Informationen ständig auf den neuesten Stand gebracht und neu interpretiert werden. Die Wirtschaftspolitik gehört zu den Bereichen, in denen so entstandene rationalen Erwartungen dramatische Konsequenzen haben können. Die erste klare Formulierung der Theorie rationaler Erwartungen stammt von John Muth aus dem Jahre 1961. Sie erlangte jedoch erst in den `70ern größere Bedeutung, als Lucas sie auf Modelle der Gesamtwirtschaft ausweitete. In einer Reihe bahnbrechender Artikel demonstrierte Lucas die weitreichenden Konsequenzen der Formierung rationaler Erwartungen, vor allem im Hinblick auf die Wirkungen wirtschaftspolitischer Maßnahmen und deren Bewertungen mithilfe ökonometrischer Methoden - d.h. statistischer Methoden, die speziell der Untersuchung wirtschaftlicher Beziehungen angepasst sind. Lucas wandte die Methode auch in zahlreichen anderen Forschungsbereichen der Wirtschaftswissenschaften an.
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