Hallo miteinander,
ich habe seit ein paar Semestern eine Professur an einer FH und kann auch ein paar Punkte beisteuern:
1) Lehre: ist schon relativ viel, v.a. am Anfang. Aber die Belastung lässt mit der Zeit spürbar nach. Nach ein paar Jahren hat man bei 18 SWS genau 13,5h im Hörsaal ohne große Vor- oder Nachbearbeitung. Natürlich erhöht sich der Aufwand wieder, wenn man eine neue Veranstaltung aufbaut etc.
Was man auch nicht vergessen darf: diese 13h Dauerreferat sind anstrengend und sicher ist es nicht für jeden etwas vor einer großen Gruppe souverän zu sprechen (denkt immer daran: langsam, laut und deutlich :-)
Daneben sollte man auch bedenken, dass man es in den Grundlagen Vorlesungen mit sehr jungen Menschen zu tun hat, die gerade bei unbeliebten Pflichtfächern unmotiviert sind.
Bei mir ist es aber zum Glück so, dass ich eine ausgewogene Mischung habe, sprich auch genug Vorlesungen mit anspruchsvolleren Inhalten und sehr motivierten Studenten. Das Arbeiten macht so auf jeden Fall großen Spass, ich stehe gerne im Hörsaal.
2) Wissenschaft/Forschung: kommt immer mehr, v.a. wird bei Berufungsverhandlungen zunehmend auf die Publikationen der Kandidaten Wert gelegt. Ich selbst arbeite auch gerade endlich wieder mal an einer, trotz des noch großen Aufwands bei der Konzeption und Ausarbeitung der Lehrveranstaltungen. Es macht sehr große Freude sich endlich wieder mal mit "tiefen Dingen" beschäftigen zu dürfen. Das war das letzte mal bei der Promotion so. Auch das wieder Konferenzen Besuchen angesagt ist, erfüllt mich ungemein.
In der Wirtschaft hatte ich überspitzt gesagt oft das Gefühl früh mein Gehirn beim Pförtner abgeben zu müssen und Abends durfte ich es wieder abholen.
Daneben war es z.B. neulich ein tolles Gefühl die erste Laborausstattung (sprich mehrere Computer und spezielle Software, bin Mathematiker) auszusuchen und zu bestellen. Hier darf aber kein falscher Eindruck entstehen: die Ausstattung (fängt bei Büromöbel etc. an) war in der Industrie um Klassen besser.
3) Gehalt. Das W2-Einstiegsgehalt (sofort verbeamtet) ohne Zulagen (die man z.B. beim Berufungsgespräch mit dem Präsidenten verhandeln kann) liegt in etwa bei einem 90k äquivalent (Stk. 1, unverheiratet, keine Kinder). Mit Zulagen kann das noch mal gut angehoben werden. Manche Bundesländer haben auch mehrere Stufen.
Interessant für Leute denen Geld nicht unwichtig ist, sind "Nebentätigkeiten". Einige Ing.-Kollegen haben z.B. nebenbei noch ihr eigenes Ing.-Büro. Andere sind im Consulting-Bereich tätig. Diese Kollegen forschen in der Tat nicht, sind aber dafür bei dem für FHn wichtigen Praxistransfer gut dabei. Dies geht aber nur, wenn man die Lehre gut im Griff hat, sprich im laufenden Semster wirklich nur die VL-Stunden "runtergerockt" werden müssen. Ich selbst wurde schon kontaktiert nebenberuflich tätig zu werden (Remote Programmierjob mit gelegentlicher Reisetätigkeit) was ich aber leider aus Zeitgründen (Lehre ist noch sehr arbeitsintensiv) erstmal absagen mussten. Somit kann man wenn man möchte bzw. wenn man die Chance dazu hat sein staatliches Butterbrot noch etwas belegen.
4) WLB/Zufriedenheit.
Ich kann nur für mich sprechen: da mein Fach auch gleichzeitig eines meiner Hobbys ist, bin ich sehr zufrieden.
Und auch wenn ich VL halten und die Vorbereitung etc. viel Zeit kosten und anstrengend sind, sehe ich das nicht als Arbeit an. Vielleicht bis auf die Korrekturen, die nerven echt.
Sicher: der Lehranteil im Grundlagenbereich wird bestimmt auf Dauer langweilig. Das macht aber nichts. In jedem Job gibt es langweilige Themen, diese werden aber durch die enorme Freiheit in der Gestaltung der restlichen Zeit mehr als kompensiert. Wenn ich selbst meinen Kopf anstrengen möchte, widme ich mich eben selbst einem neuen Projekt zu, bei dem evtl. sogar ein Paper rauskommt. Oder wenn ich ein paar Taler mehr verdienen möchte gehe ich einer vielleicht sogar interessanten Nebentätigkeit nach bei der evtl. auch für die FH etwas lukratives dabei herauskommt.
Daneben gibt es neben der rel. freien Zeiteinteilung in der vorlesungsfreien Zeit genug Möglichkeiten private Projekte umzusetzen: ich für meinen Teil versuche mich an einer neuen Fremdsprachen und nehme Flugstunden, dass war früher nur sehr schwer umsetzbar.
Kurz: ich bereue es nicht an die FH gewechselt zu sein. Die enorme Freiheit und die Möglichkeiten was man daraus macht sind schon sehr reizvoll. Das ganz große Geld wird aber auf jeden Fall in der Regel wo anders verdient.
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