"Ich weiß selber nicht, was ich will. Als junger Mensch mit Abitur steht dir sprichwörtlich alles offen. Bis vor kurzem habe ich gedacht, das der Beruf zum Leben da ist. Aber mittlerweile wird mir bewusst, das der Beruf das Leben bestimmt."
Beides ist richtig und das ist doch nicht weiter schlimm. Im Gegenteil. Ich bin froh, dass auch die vielen Stunden, die man bei der Arbeit verbringt, ein zentraler Teil des Lebens sind und auch bewusst erlebt werden und das Leben prägen. Alles andere wäre doch traurig.
"Und woher soll ich als junger Mensch wissen, wie ich 45 Jahre leben möchte oder welche Lebensform mir mit 50 zusagt. Ich fühle mich einfach überfordert, mit meiner geringen Lebensentscheidung das Beste für mich rauszusuchen."
Es ist keine Lebensentscheidung. Du stellst die erste Weiche einer längeren Reise, aber damit ist noch lange nicht definiert, wie Du die zweite Weiche und dritte Weiche stellen wirst. Das ist doch alles nicht für die Ewigkeit.
"BWL interessiert mich, zahlreiche Vertiefungen und Jobmöglichkeiten. Noch nicht zu wissen, wo man in 30 Jahren steht. Wo man arbeitet, die Möglichkeit Karriere zu machen und sich beruflich und persönlich zu entwickeln. Komme vom Land und möchte gerne in einer Stadt leben und da bietet sich BWL auch an."
Na also, das ist doch was.
"Lehramt als Kontrast interessiert mich auch. Von der Tätigkeit und Fächerkombination auch. Aber man möchte ja auch mal aus der Schule raus und sich weiterentwickeln. Noch nicht zu wissen, was kommt. Auf der anderen Seite ist ein Beamtenjob ja auch attraktiv."
Aber etwas vollkommen anderes. Als Beamter dienst Du dem Staat in einer weitgehend vorgegebenen Beamtenlaufbahn. Du kannst niemals den Arbeitgeber wechseln. Du kannst kaum im Ausland arbeiten. Du erfüllst eine Dienstpflicht und keinen Arbeitsvertrag mit einem Arbeitgeber. Du dienst dem Staat und keiner Kapitalgesellschaft. Das ist ein riesiger Unterschied, den man sich bewusst machen sollte.
"Polizist ist auch spannend, aber ist der Schichtdient in 20 Jahren immer noch so spaßig wie ich ihn mir vorstelle oder wäre ich dann lieber Lehrer geworden.
Pilot, Fluglotse, duale Studiengänge, vieles anderes interessiert mich .."
Piloten, Polizisten und Fluglotsen sind Berufe mit einer extrem hohen Regellastigkeit. Dafür muss man gemacht sein. Wer die Regelintensität dieser Berufe mag, der ist eigentlich kein typischer Betriebswirt.
"Pilot stelle ich mir z.B. richtig geil vor. Pilot ist auch Berufung und Lebensstil. Kenne einen Langstreckenpiloten Mitte 40 und der hat ein endsgeiles Leben. Sieht Frau und Kinder nicht jeden Tag, dafür an den Tagen, wo er zuhause ist viel länger.
Die Vorstellung gefällt mir mehr, als jeden Abend Frau und Kind zu sehen.
Aber wie gefällt es mir dann mit Mitte 40. Bin ich Pilot und dieser Rhytmus ist doch nicht so geil, bin ich vielleicht geschieden."
Du darfst doch den Beruf nicht einzig daran messen, wie oft jemand zu Hause ist und wie "endgeil" das Leben ist!? Die Tätigkeit ist es, worauf es ankommt. Ob Du dann jeden Abend heimkommst oder auch mal eine Nacht woanders verbringst, ist beiweitem nicht so relevant wie die eigentliche Tätigkeit.
"Aber wie möchte ich in 20 Jahren leben ? Unregelmäßige Arbeitszeiten, Abwesenheit von zuhause, Weiterentwicklung oder gleicher Job lebenlang, Wohnort, Umzüge, Bezahlung."
Kann Dir in jedem Beruf passieren. Kannst Du aber auch selbst mitentscheiden.
"Es überfordert mich. Hattet ihr nicht solche Entscheidungsschwierigkeiten ? Macht mich fertig :("
Hatte sie und habe sie immer noch. Entscheiden zu können ist schön, auch nach vielen Berufsjahren noch.
"checker: Fachlich sind viele Dinge interessant und spannend. Im Job macht man dann aber nur einen winzigen Teil des großen Ganzen. Das wird schnell sehr langweilig. Ist in vielen Jobs so."
Sehe ich genau andersrum. Theoretisch ist BWL öde und simpel. Erst die Praxis macht das Fach interessant.
"Grundsätzlich finde ich es richtig, dass du deinen zukünftigen Job nach deinen Interessen ausrichten willst (und nicht nach bspw. dem zukünftigen Einkommen)."
Dafür muss man seine Interessen aber auch richtig erkennen. Ich berate z.B. gerne Menschen bei ihren Problemen, da ich Freude an der Problemanalyse in Bezug zu den Bedürfnissen der Menschen habe und gerne Wissen weitergebe (u.a. deshalb schreibe ich hier so viel). Damit hätte ich vieles werden können, dieses zentrale Bedürfnise war mir aber bei meiner Studienwahl noch gar nicht bekannt. Das habe ich erst im Studium festgestellt. Heute besteht meine Arbeit zu einem nicht unwesentlichen Teil aus solchen Aufgaben und das macht natürlich Freude. Ich hätte mit diesem Bedürfnis aber auch Soz.Päd. werden können und das wäre mit Sicherheit eine ganz andere Ausrichtung geworden. Sicher ist nur, dass ich damit heute weit weniger verdienen würde. Bin sehr froh, dass ich BWL studiert habe.
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