WiWi Gast schrieb am 28.02.2022:
Wie ist die Geschichte ausgegangen?
Da der Thread sowieso ausgegraben worden, hier ein kleiner Erfahrungsbericht:
Ich habe als Principal/Director die Strategieberatung (T2) verlassen, trotz realistischem Partner Track. (Das ist immer realistisch, es gibt nie eine "Garantie", selbst mit sehr soliden Finanzen und Kundennetzwerk ist es immer noch eine Sache von Politik und einigen anderen Dingen)
Warum? Am Ende muss man sich überlegen, ob man diesen Lebensstil und die Arbeit in diesem Umfeld wirklich will und wie wichtig das Geld als Kriterium ist.
Für mich war ausschlaggebend, dass es in der gesamten Partnerschaft quasi niemanden gab, der für mich ein Vorbild in seiner Lebensgestaltung ist. Jeder arbeitet auf die ein oder andere Art viel zu viel - ich kenne fast keinen Partner, der im Urlaub *wirklich* off ist und der konsequent am WE off ist. Mindestens für die "wichtigen" Kunden ist jeder immer erreichbar. Niemand hält konstant seine Arbeitszeit im Fenster von 30-45h, in den meisten Fällen ist es substanziell mehr.
Die Art der Arbeit finde ich auch wenig inspirierend - man wird immer weniger Führungskraft und immer mehr Salesguy/girl. Auch wenn sich viele Partner als tolle Manager und Führungskräfte sehen - fast alle sind grottig, weil sie es
- a) nie gelernt haben und
- b) nicht darauf hin inzentiviert sind.
Mir war die Führungskarriere/-entwicklung wichtig.
Inhaltlich ist es zwar nett immer anders zu sehen und Leute zu Beraten - aber am Ende hat man keine Verantwortung und fast kein Partner könnte auf "executive" Level eine Firma führen, weil einfach die Fähigkeiten fehlen (verbindliche Entscheidungen schnell treffen, Dinge umsetzen, diverse Teams aufbauen und motivieren, echte Verantwortung tragen etc.). Berater denken immer, sie tun wichtige Dinge und sind ganz tolle Geschäftsleute. Am Ende ist es aber ein Pool von insecure overachivern (was mich auch einschließt). So viele Kollege sind Partner geworden, weil sie sich nie aktiv dagegen entschieden haben, sondern einfach dageblieben sind und "gut genug" waren. Wenn man ein bisschen Glück hat und einen soliden Job macht ist die Partnerschaft nicht so ein unerreichbares Ding, wie viele denken.
Vielen jungen/frischen Partnern kann man täglich beim Altern zuschauen. Der Druck beim Einstieg in die Partnerschaft ist recht groß, weil man das erste mal *wirklich* Sales liefern muss und sich max. 1-2 Jahre Patzer leisten kann. Es ist witzig zu sehen, wie viele hotshot-Direktoren sich als Partner erstmal die Hosen vollmachen. Zusätzlich ist man plötzlich ganz unten in einer riesen Pyramide von Partnern - man ist wieder der Junior im neuen Team.
Das Geld ist natürlich richtig richtig gut (absolute Untergrenze sind ~350-400k als Entry Partner) und da kommt man außerhalb der Beratung so schnell nicht ran. Die Frage ist, ob das alles und die eigene Priorität ist. Außerdem wird es einfach zu einem massiven goldenen Käfig. von 275k auf 235k zu gehen ist noch okay - von 400k einen Schritt auf 250k zu machen ist gefühlt deutlich härter. Auf der anderen Seite sammelt man als Partner quasi keine "marketable Skills" - man kann einfach kaum Dinge, die ein Gehalt über 250k in der Privatwirtschaft rechtfertigen würde. Wenige Ausnahmen bestätigen die Regel.
Mein eigener Exit waren etwa 235k all-in bei einer 35-45h/Woche in einem größeren, stark skalierenden Start-up (bzw. schon etwas über diese Phase hinaus). Ich bin super glücklich mit dem Umstieg, weil ich endlich neue Dinge lerne, wirklich was bewege, viele Leute verantworte, die Kollegen interessant sind (und eben nicht alles Berater) und echte Familienfreundlichkeit besteht (keiner zuckt auch nur, wenn man das Kind aus der Kita holt oder man Kinderkrankentage nehmen muss). Calls vor 8/9 oder nach 18 Uhr gibt es einfach nicht, außer irgendwas explodiert mal richtig.
Was ich am wenigsten vermisse: immer auf Abruf für die Kunden zu sein, egal wann sie anrufen und was sie wollen ...
antworten