Lounge Gast schrieb:
Wieso wird eigentlich so getan, als seien 174 Euro jetzt der
übliche Betrag für die Fahrtkosten?! Was für einer Strecke
entspricht das eigentlich, muss schon sowas wie Ruhrgebiet
nach München sein. Ich hatte in meiner Bewerbungszeit sicher
insgesamt so an die 10 Vorstellungsgespräche und die
Fahrtkosten waren meist nichtmal 100 Euro, trotz bundesweiter
Bewerbung. Also übertreibt mal nicht so hier. Klar kann es im
Einzelfall mal teurer werden und natürlich hab auch ich mich
gefreut wenn das Unternehmen die Fahrt bezahlt hat. In
Einzelfällen gab es auch mal keine Erstattung, da wäre ich
dann allerdings nie auf die Idee gekommen dem Unternehmen
deswegen Stress zu machen oder gar einen Anwalt
einzuschalten. Sowas lächerliches!
Im Übrigen kann man auch mal im letzten Studienjahr (oder
auch vorher schon) ein wenig Geld für die Zeit bis zum Job
zur Seite legen. Ist eigentlich nicht so schwer darauf zu
kommen dass das nötig ist, jedenfalls sofern der geistige
Horizont weiter als bis zur nächsten Studentenparty reicht...
Sehr interessant. Ich bin nun seit 8 Jahren aus meiner Studienzeit raus, und momentan auf Jobsuche. Ich habe mir Geld zurückgelegt, damit ich mit dem bisschen Arbeitslosengeld (ich hatte vorher eine halbe Stelle) mein Leben noch einigermaßen finanzieren kann. Ich konnte gerade so viel zurücklegen, dass ich mir das leisten kann.
Für meine Qulaifikation kann ich mich überwiegend nur auf Stellen bewerben, die im Umkreis von 150 km liegen. Weiter will ich gar nicht. Jetzt fahre ich demnächst 130 km einen Weg hin und 130 km zurück. Übernachten werde ich nicht. Rechne Dir mal aus, was die Fahrtkosten mit dem PKW betragen werden. Mit dem Zug ist es auch nicht günstiger.
Vor 8 Jahren musste ich einmal 500 km hin und zurück.
Ich erkläre Dir meine Situation: Ich bin alleinlebend - und damit auch finanziell ohne Rückhalt. Mein Erspartes geht innerhalb der nächsten 6 Monate gegen 0, so dass ich, wenn ich keinen Job bekomme, vermutlich Umziehen muss (was ich mir aber nicht leisten kann), vermutlich werde ich meinen PKW verkaufen müssen, wenn alle Stricke reißen usw. usf..
Übrigens habe ich schon Berufserfahrung, aber leider die letzten 2 Jahre nur mit einer halben Stelle. Das Alg I, was ich davon bekomme, liegt UNTER Hartz IV. Wohngeld wurde ein Jahr bewilligt, 50 Euro bekam ich zusätzlich, mit Hartz IV hätte ich 130 mehr gehabt.
Und jetzt kommt jemand wie Du her, der sagt: Finanziert Euch die Fahrtkosten zu Eurem Vorstellungsgespräch gefälligst selbst.
Rein logisch: Ich brauche erstmal eine Stelle, um Geld zu verdienen, damit ich mir Geld ansparen kann, um dann, wenn ich eine Chance auf eine Stelle dank Bewerbungsschreiben habe, vorstellig zu werden. Andernfalls sage ich nun allen, die mich zum Bewerbungsgespräch einladen würden, einfach ab mit:
"Ich bedaure, aber ich kann es mir leider nicht leisten, Ihrer Einladung zum Vorstellungsgespräch nachzukommen."
Ich hatte übrigens auch keine Chance, nebenher noch etwas anderes zu machen (halbe Stelle heißt auch nicht immer, dass man nur 50% arbeitet; man wird leider nur so bezahlt, als wenn man 50% arbeitet. 75% Arbeit sind trotz 50% - Stelle die Regel.)
Mit anderen Worten: Nach Deiner Logik dürften Menschen, die in meiner oder einer ähnlichen Situation stecken (ach, auch schonmal gehört, dass viele sich STARK verschulden müssen, um überhaupt studieren zu können) ja nie mehr Arbeit finden - denn: Man braucht Arbeit, um sich überhaupt den Weg zum Vorstellungsgespräch finanzieren zu müssen.
Und mir geht es vielleicht noch vergleichsweise gut: Ich bin alleinlebend, es ist meine Existenz. Bei anderen hängt da die Existenz einer ganzen Familie dran: Frau und Kinder, evtl. sogar Eltern/Großeltern, die gepflegt werden müssen.
Aber hast ja recht: Wir sind alle nur doof und egoistisch. Nicht so wie Du, der Du anscheinend nur für die Arbeitgeber Augen hast. Vermutlich erhoffst Du Dir hier, dass Dich jemand sieht, Dir auf die Schulter tätschelt und Dich für Deine ach so tolle Einstellung lobt.
Was ich für Dich hoffe, ist: Dass Du irgendwann mal genauso in eine finanzielle Notlage gerätst, dann auf Arbeitssuche bist und merkst, dass da manchmal schon kleinere Beträge, wie 30 Euro für ein Vorstellungsgespräch, richtig richtig weh tun können. Nicht, weil ich Dir irgendetwas böses wünsche, sondern einfach nur, damit Du mal lernst, was Empathie ist.
Und ja: Ich weiß, sowas wird Dir nie passieren, denn blablablablumm... Und natürlich hast Du auch keine reichen Eltern oder sonstwas, sondern natürlich hast Du das alles schon selbst erlebt und so weiter und so fort.
Es sind immer die gleichen Leute im Internet, die große Sprüche reißen, erzählen, dass sie das alles schon erlebt haben, und in Wahrheit mit 'nem goldenen Löffel im Mund aufgewachsen sind. Aber das können sie so ja natürlich nicht sagen.
Ich kann es aber sagen: Mir ging es noch nie wirklich schlecht, und ich könnte im Notfall vermutlich tatsächlich auch einfach zu meinen Eltern gehen und mir da Unterstützung holen. Ich will es aber nicht, es ist mein Weg und mein Leben, und mein Ziel ist es, aus eigener Kraft wieder eine Arbeit zu finden. Was momentan nicht wirklich leicht ist.
Was ich aber sicher nicht machen werde, ist: Anderen Leuten ein schlechtes Gewissen einzureden, weil sie auf eine Rechtsgrundlage beharren, die ihre absolute Daseinsberechtigung hat. Und wer das nach meinen obigen Ausführungen nicht versteht, dem kann ich auch nicht mehr helfen: Erfahrungsgemäß ist es sowieso so, dass Ihr alle spätestens dann Eure Meinung ändert, sobald Ihr SELBST davon betroffen seid und merkt, warum dies in Deutschland gesetzmäßig so geregelt ist.
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