Gerade Konzerne lieben zum Teil Anschreiben weil sie das Pflichtfeld halt noch nicht deaktiviert haben in Ihrem HR-System.
Als Professional mit knapp 10 Jahren BE handhabe ich es so, dass ich eine Standard-Version eines Anschreibens habe, aber in der Regel vorher Kontakt aufbaue mit den Leuten. Meine Nische in der Wirtschaftsinformatik erlaubt es mir, dass maximal 5-15 Bewerber auf eine Stelle kommen. Da ist man dann schnell unter den Top 3. Allerdings nur, wenn man eine Geschichte erzählen kann. Wenn mich eine Person im HR sogar noch explizit darum bitte eine Story zu liefern - warum nicht?
Im übrigen muss ich dem Vorposter etwas widersprechen. Hatte vor kurzem ein Gespräch mit einem sehr großen Konzern. Statt sich mit den Lebensläufen zu beschäftigen haben sie 30 Minuten Speed-Dates vergeben. Man kommt ins Gespräch, die Leute sind unfreundlich bis schnippisch und beschweren sich, dass man nicht die erwarteten Kenntnisse hätte. Das wunderte mich schon sehr, schließlich gab es einen sehr informativen Lebenslauf und zusätzlich ein Anschreiben.
Und nur mal so: Ab 400 Bewerbungen pro Stelle is absolutes Einhornmaß für 95% der Unternehmen in Deutschland
WiWi Gast schrieb am 03.12.2023:
Ich bin Abteilungsleiter, größerer Laden, beliebte Stadt. Rekrutiere sehr viel. Für meine Arbeit als einstellender Manager macht ein simples, gutes Anschreiben mit klarer Motivation einen erheblichen Unterschied.
Warum?
Wir bekommen 400-2000 Bewerbungen pro offener Stelle. Leute können sich mit CV oder mit CV + Anschreiben bewerben. Wenn man nur den CV schickt, bleiben aus Sicht des einstellendes Managers und HR oft viele Fragen ungeklärt: Ich erhalte dann nur eine Auflistung der bisherigen Tätigkeiten sowie einige Zeugnisse. Oft fehlt der Kontext und diverse Hintergrundinformationen, die wir benötigen, um Kandidaten weiter zu filtern:
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Warum bewirbt man sich? Was ist die genaue Motivation? Mehr Gehalt, Perspektive, Branchenwechsel, privater Grund (Umzug zu Lebenspartner, Familie etc.)?
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Warum genau unser Unternehmen / unsere Branche? Hat der Kandidat überhaupt mit dem Unternehmen beschäftigt?
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Gehaltsvorstellung? Kündigungsfrist? Starttermin?
- Ist man bereit umzuziehen? Hat man Vorstellungen zu Remote Arbeit? 100% Remote machen wir nicht. Wir erwarten, dass der Kandidat in die Nähe des Arbeitsortes zieht.
Etc.
Nur einen CV zu droppen, führt automatisch zu einem Mangel an Informationen auf Recruiter-Seite -> wir müssen hinterher telefonieren. Und das kostet echt Zeit und ist bei 400 Kandidaten unmöglich. Darum suchen wir erst die Kandidaten mit guten Anschreiben heraus.
(gut bedeutet, es werden 5 Sätze zur Motivation geschrieben und die o.g. Fragen beantwortet. By the way: eine Wiederholung des Lebenslaufes interessiert hier absolut niemanden. Auch bitte keine Standardfloskeln hier rein. Einfach nur die Motivation darlegen und fertig.)
Erst danach kommen die Kandidaten mit den "random CVs" und auch hier kontaktieren wir maximal 20 Leute und auch nur dann, wenn der Lebenslauf richtig gut passt. Oft erinnern sich die Kandidaten auch gar nicht mehr, sich bei uns beworben zu haben. Die Qualität und Motivation der nur CV Bewerber ist schlechter.
In Summe verbaut man sich als Bewerber / Bewerberin ohne Anschreiben und nur mit Standard CV relativ viel und verschiebt den Rechercheaufwand auf das Unternehmen. Das führt aus meiner Sicht zu einer geringeren Chance, den Job zu bekommen. Es mag natürlich Branchen / Unternehmen geben, wo die reine CV Bewerbung Standard ist. Nur eben aus in meinem Unternehmen ist es ein Nachteil.
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