Fürs Protokoll, vielleicht interessiert es ja jemand in Zukunft
Expat in Südamerika (DAX30):
Die Hauptgründe dafür, dass eine Firma den Schotter in die Hand nimmt und jemanden aus Deutschland ins Ausland schickt wurden ja schon genannt:
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"Deutsches" Mindsetting mitbringen, Loyalität zum Headquater, auch persönliche Kontakte dorthin. Vor allem in Ländern mit großer kultureller Distanz, auch wenn das zb. in Südamerika auf den ersten Blick nicht so aussieht. Du bist dort nicht so in deren (teilweise verkrustete) Hierachiestrukturen eingebunden.
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Fachliche Eignung und zwar in einem Ausmaß, dass man nur schwer oder gar nicht vor Ort bekommt. Nicht weil die Leute zu blöd wären, sondern weil es diese Ausbildungsangebote im Ausland nicht gibt, oder weil es sich auch nicht lohnt jemanden vor Ort auszubilden/anzulernen/ect.
- Als Teil einer Personalentwicklung. Aber hier muss man aufpassen, weil das oftmals keine "richtigen" Expatstellen sind, sondern eher ein bezahlter "Abenteuerurlaub" mit Sonderaufgaben. In Sachen Gehalt und Zulagen/Housing/ect. gibt es oftmals andere Richtlinien als in 1./2.
Ich rede hier jetzt von den Expats, die mit einem "deutschen Vertrag" für eine bestimmte Zeit ins Ausland entsendet werden. Es geht nicht um lokale Verträge oder kurze Projekte <6Monate.
Die Stellen werden ziemlich selten bzw. eigentlich gar nicht ausgeschrieben. Die Eignung für einen Expat basiert ja nicht nur auf auf den "Hardkills" (Jobbezogen) sondern auch allgemein, wie man selbst mit dem Leben zurecht kommt. Ist jemand anpassungsfähig, tolerant Neuem gegenüber, hat er eine hohe Einsatzbereitschaft, ist zuverlässig und vor allem anderen: Selbstständigkeit. Letzteres wird in der Selbstreflexion meist völlig überschätzt.
Man schaut sich die Leute deswegen lieber mal etwas an, bevor man sie losschickt. Dein deutscher Chef will vor allem kein Ärger und keine Klagen (Weg des geringsten Widerstands) und erwartet, dass man Probleme sieht und selbstständig löst.
Naja, und dann gibts halt noch die Schweinedeals, die sich jeder Chef in der Hinterhand halten will: "mach mir 3 Jahre Indien und dann gehts in die USA" (wobei das impliziert, dass USA toll sind, finde ich persönlich nun nicht).
Sprache, Herkunft oder Arbeitserfahrung im Einsatzland ist ein nice-to-have aber kein wirklich ausschlaggebender Faktor. Eventuell, wenn man ansonsten identische Kandidaten hat, was wohl aber hinreichend selten vorkommt. Wer generell für eine Firma als Expat in Frage kommt, der hat oftmals Auslandserfahrung, event. auch in kleineren Projekten und hat sich dort bewährt. Man geht davon aus, der wird sich schon anpassen/einleben.
Die Sprache ist eine Barriere im Einsatzland, aber meist arbeitet man ja mit lokalen Kollegen und wenn die in einer deutschen Firma beschäftigt sind, dann spricht man idR. mehr oder weniger gut Englisch. Nicht selten besser als man selbst ;)
Dennoch empfiehlt es sich natürlich etwas Zeit in die Sprache zu investieren, das ist vielmehr als ein Kommunikationsmedium, vor allem in Kulturen mit einem höheren Kontext, also quasi alle (im Gegensatz zu D).
Herkunft spielt manchmal mit rein, wenn man sich dadurch ein aufwändiges Arbeitsvisum spart. Auf der anderen Seite gibt es da eigene Abteilungen für und in den Gesamtkosten geht sowas dann eher unter. Ich kenne Fälle in denen die doppelte Staatsbürgerschaft in den USA dann zu einem Vertrag geführt hatten (bei ansonsten gleicher Eignung). Aber eher die Ausnahme.
Wenn man aktiv ins Ausland will, dann würde ich das vor allem kommunizieren und auch mal schauen, wer den üblicherweise Entsandt wird. Lass es die Leute wissen, dann kommen auch Informationen zurück. Meist gibt es ja irgendwie Abteilungen, die da einen höheren Bedarf als andere haben.
Man kann es auch ganz direkt probieren. Ich bin mal bei einem Chef einer anderen Abteilung vorbei gegangen und habe ziemlich direkt gefragt. Eigentlich etwas "unelegant" und an Hierachiestrukturen vorbei und mir wurde dann auch freundlich "abgesagt". Zwei Wochen später klingelte das Telefon ;) Ist damals nichts draus geworden, aber man zeigt Interesse an der Sache.
Ansonsten kann ich zum Thema Expat noch einen (meiner Meinung oft vernachlässigtem) Rat geben: Schaut euch das Land/Gegend an, in die ihr geht. Ich hab einiges gesehen und es gibt Länder in die würde ich für kein normales Expatgehalt gehen. Das wäre mir einfach zu wenig Schmerzensgeld.
Wenn ihr alleine in Timbuktu abhängt, euer Headquater euch "vergisst", ihr mit Idioten zu tun habt und das Internet mal wieder nicht geht und es vielleicht in die Bude regnet und euer Handwerke ein grundsätzlich anderes Verständnis von Qualität hat, dann bringt euch euer Expatgehalt am Ende des Monats motivationstechnisch im besten Fall eine Woche weit.
Ich würde mittlerweile keine Angebote mehr annehmen, bei denen ich mir wie ein Söldner vorkomme. Wenn das Land nicht für einen selbst lebenswert ist, dann werde ich nicht meine Zeit darauf verschwenden.
Zeit kann man nicht zurückkaufen.
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