D-CH-F schrieb am 08.01.2021:
Zu "Man sollte leben, wo die Staatsquote am geringsten ist und man möglichst wenig Steuern bezahlt". Das ist aus meiner Sicht falsch. Besser ist es dort zu leben, wo es einem und seiner Familie gut geht und das Gesamtpaket passt. Heisst: Einkommen, Abgaben, Gesundheitsversorgung, Ausbildungsmöglichkeiten für die Kinder,Kinderbetreuung, Wohnkosten, Infrastruktur, Sicherheit. Ausserdem sollte man sich vor Ort wohl fühlen, mit den Menschen, der Kultur, Sprache und Mentalität klar kommen, sie mögen.
Hier nochmal der "Brasilianer": Diese Prioritäten (Steuern, Einkommen, vermeidlich geringere Abgaben, ...) kommen IMMER von Leuten die noch nie wirklich längere Zeit im Ausland gearbeitet haben. Daran lassen sich die "Noobs" recht gut rausfischen.
So ist das halt, wenn man zuhause auf der Bettdecke liegt und sich vorstellt "was wäre wenn".
90% der relevanten Faktoren werden überhaupt nicht gesehen geschweige denn berücksichtig, einfach weil man sie nicht kennt oder auch, weil man sich selbst nicht kennt. Man hat ja nur D als Referenz.
Auch sind 4 Wochen Urlaub, 4 Monate Projekt und 4 Jahre Expat einfach unterschiedliche Dinge., wobei Projekt und Expat natürlich näher liegen.
Ich war einige Male in Singapur und kurze Zeit ist das immer geil, 2 Monate sind immer noch gut aber man kann dann schon diverse Nachteile spüren. Auf die Frage, ob ich als Expat nach SIN wollte, habe ich abgelehnt. Das "Lustige", das haben die meisten meiner Kollegen auch gemacht.
Es gibt zweifelsohne die Stellen, die man nur durch monetäre Anreize besetzten kann und wo dies auch geschieht. Hier muss man sich selbst aber wirklich fragen, ob man will, ob man das selbst durchhält und ob es sich lohnt, dafür Lebenszeit zu opfern.
Mittlerweile sind die Spots ja auch nicht mehr sooo gut bezahlt. Ich kann in dem Fall nur von mir sprechen, aber nach diversen Wochen Nigeria: So viel Geld könnte man mir gar nciht bezahlen, dass ich es da 4 Jahre aushalten würde.
Die Quint Essenz ist: Man muss sich gut mit dem Land auseinander setzten, in das man geht. Das gilt für den klassischen Expat, der 3-7 Jahre macht und noch viel mehr für den Auswanderer. Vor allem letzterer muss sich klar machen, dass das Daily-Life was ganz anderes ist, wie irgendwie mal zu Besuch dort gewesen sein. Es gibt Bürokratie, Richtlinien, eine andere Krankenversorgung, etc. pp.
Steuern und Gehalt gehört da auch ganz klar dazu, aber ich bin da eher "speziell", weil ich mich meistens eingehend damit beschäftige, weil ich fast ausschließlich am Kapitalmarkt investiert bin und da kann es schon Fallstricke (aber auch Benefits) geben.
Sicherheit für sich und seine Familie ist immer ein Thema, manche sind da "empfindlicher" als andere. Kostet aber auch Geld und manchmal nicht zu knapp.
Auch das Thema Geld/Gehalt:
Eigentlich ist Geld nur ein Zwischenschritt in einem System, wird aber (meines Erachtens) fälschlicher Weise oft als "Endprodukt" gesehen. Dabei ist jedem klar, dass 3000€ in Leibzig ne andere Nummer sind als 3000€ in Zürich.
Sprich unterm Strich ist das ein Blackbox-System. Man gibt etwas rein (Arbeitszeit, Elan, Motivation, Fachwissen, Leben unter bestimmten Umständen, ect.) und bekommt etwas raus (Lebensstandard und persönliche Möglichkeiten). Alles dazwischen sind Zwischenschritte, auch Geld/Steuern/ect.
Im Übrigen werden so auch oft Expatgehälter berechnet. Man passt da D mit dem Ausland über einen Cost-of-Living-Index an, definiert also (sehr grob). Meist liegt der Faktor über 1 und das Gehalt erhöht sich damit. Das wird von den meisten als "Lohnzusatz" betrachtet, ist es aber nicht (genauso wenig wie Mietzusätze), dass ist nichts anderes als ein Durchlaufposten, denn am Blackboxsystem von Input zu Output ändert sich nichts.
Das einzige was man dann von solch einem höheren COL-Index hat ist eine große Zahl auf dem Lohnzettel mit der man dann im WiWi-Treff dick auftragen kann :)
Wer sich im Zielland quasi aus eigener Arbeit finanzieren muss, für den gelten ohnehin nochmal andere Regeln. Da kann man nicht irgendeinen Warenkorb erstellen und das in € umrechnen und dann eine Aussage treffen, ob ein Land günstig oder teuer ist.
Man muss wieder das Blackbox-System heran ziehen und schauen, bei welchem Input welcher Output rauskommt. Zwangsläufig wird man da mit Zahlen arbeiten, aber die kann man nur sehr Bedingt mit D in Relation setzten.
antworten