Spannendes Thema.
Ich hab mit 20 mein Abi gemacht, dann nen Studium angefangen (Mathe und Geschichte), 3 Jahre studiert, abgebrochen, 3 Jahre "professionell" Online-Poker gespielt, wieder nen Studium angefangen (BWL und Tourismus) und habe jetzt etwa 2,5 Jahre Berufserfahrung in nem großen Touristik-Konzern.
Was bereue ich? Schwer zu sagen ehrlich gesagt. Es gibt zwei Dinge die ab und an an mir nagen.
1) Dass ich bereits 31 bin und einfach viel weiter unten auf der Karriereleiter stehe als andere in meinem Alter, die direkt nachm Abi studiert (oder nach der Realschule ne Ausbildung gemacht) haben und einfach viel mehr Zeit hatten, um Berufserfahrung zu sammeln und sich hoch zu arbeiten.
2) Dass ich eine Branche gewählt habe, die so schlecht bezahlt im Vergleich zu anderen.
Ich sage aber bewusst, dass das manchmal an mir nagt und nicht, dass ich es bereue. Denn das wäre zu hoch gegriffen.
Mein zweites Studium war dual, ich war also schon 3 Jahre lang 50% der Zeit am arbeiten und konnte mich beweisen. Am Ende der Zeit war ich im Unternehmen (ne kleine 400-Mann Tochter mit 400m Umsatz) bereits bekannt als einer der besten Analytiker und quasi als DER Excel und VBA Experte im Unternehmen. Das war auch meinem Chef bekannt bei der Gehaltsverhandlung. Ich konnte zum Einstieg 18% mehr raus handeln als das übliche Übernahmegehalt für duale Studenten. Das alles ging nur, weil ich davor diese Erfahrungen mit Mathestudium und Online-Poker gesammelt habe.
Nach einem Jahr bekam ich dann das Angebot ne eigene Produktlinie aufzubauen (+9,6% Gehalt). Inklusive Leitung der entsprechenden Softwareentwicklungsprojekte, Vermarktung, Pricing usw. So kurz nach dem Studium so ne verantwortungsvolle Aufgabe ist auch bei weitem kein Standard. Das war ein deutlicher Fortschritt beruflich und kam nur wegen meiner analytischen Skills zustande.
So jetzt anderthalb Jahre später kam dann der nächste Schritt - wechsel in ne größere Konzerngesellschaft auf ne Referentenstelle - ich mache hier ne interessante Mischung aus Product Owner und Prozessmanager. Ich bin hier gerade noch am Ankommen aber bin total happy mit der Stelle. Mein Gehalt ist wieder um 21% gestiegen, ich bin der jüngste im Team und alle Kollegen waren bereits Teamleiter oder ähnliches und haben wirklich was drauf.
Das wäre halt niemals so schnell gegangen, hätte ich die Erfahrungen davor nicht gesammelt. Andererseits - ich hätte dann auch 8,5 statt 2,5 Jahre Zeit gehabt. Ich könnte also trotzdem bereits deutlich weiter sein in meiner beruflichen Entwicklung.
Aber irgendwie waren die Poker Jahre halt auch ne geile Zeit. Ich wurde zwar nicht reich aber hab genug Geld zum leben verdient und das mit nem Hobby. Außerdem verdiene ich jetzt auf der niedrigsten Tarifstufe 45k. Die nächsten Steigerungen sind fix, selbst wenn ich keinen weiteren Aufstieg schaffen sollen. So schlecht ist das halt nicht. Wenn man hier im Forum liest, kommt man sich manchmal arm vor aber verglichen mit dem deutschen Durchschnitt ist das nach nur 2,5 Jahren Berufserfahrung eigentlich nen sehr guter Wert. Und auch die Branche ist einfach geil. Es macht mega Spaß so ein tolles Produkt zu produzieren (Urlaub/Reisen) und man hat nur Leute um sich, die Spaß an dem haben was sie tun. Keiner macht das hier aus Karrieregeilheit - diese Leute arbeiten in anderen Branchen eben weil man hier weniger verdient.
Ich hoffe, meine Zwickmühle kommt verständlich rüber. Ich bereue die Entscheidungen nicht direkt, ich frage mich aber schon wo ich stehen könnte (vorallem finanziell und hierachisch) wenn ich direkt BWL studiert hätte nachm Abi und dann in eine der gut bezahlten Branchen geschlüpft wäre.
antworten