Sehr interessantes Thema.
"Ich bin auf eine Stelle in der Strategieabteilung eines Konzerns gestoßen, die sehr gut zu meinem Profil passt. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, was man da den ganzen Tag so treibt und wie der Stressfaktor ist."
Es sollte doch in der Stellenbeschreibung stehen, was man da den ganzen Tag lang macht?
Die Strategieabteilung arbeitet normalerweise dem Vorstand zu, denn der Vorstand trifft strategische Entscheidungen. Strategische Entscheidungen trifft man zwar mit einem langfristigen Horizont, aber gerne mal ganz kurzfristig, weshalb diese Abteilungen relativ stark von der momentan Stimmungslage im Vorstand abhängen. Es kommt dort vor, dass man ein paar Wochen lang an wertlosen Analysen arbeitet, weil das Unternehmen gerade für wirkliches Wachstum kein Geld hat. Und dann gibt es plötzlich Geld und man soll Vorschläge für dessen Verwendung unterbreiten.
Was man dort genau macht, hängt im wesentlichen von der Struktur des Unternehmens und der Branche ab.
"Habe auch noch eine Frage: welche Stellen könnten denn winken, wenn man sich da 3-5 Jahre richtig durchbeißt und gut netztwerkt innerhalb des Unternehmens? Wo wird man sich hinentwickeln können?"
Die meisten meiner Strategie-Kollegen können sich nur in diejenigen Bereiche hinein entwickeln, in denen sie vor ihrer Strategie-Aufgabe tätig waren. Vielleicht noch irgendwas Wirres im Finanzbereich. Echte operative Karrieren mit Personalverantwortung etc. = Fehlanzeige. Berufseinsteiger in der Strategie = großes Mitleid. Entscheidend ist die Frage, welche Aufgaben dort abgedeckt werden. Das Unternehmen steht und fällt mit der Entscheidung über zukünftige Produkte. Hat man als Stratege die Verantwortung dafür, sitzt man an einem der zentralen Stellhebel. Liegt die Verantwortung woanders, ist Strategie nur ein leeres Wort.
"Das sind die Mitarbeiter, die ich schon allzuhäufig in den Kantinen der Unternehmen prahlen gehört habe, was sie alles so leisten aber dann den Schwanz einkneifen, wenn es tatsächlich mal länger als die 8 Stunden geht."
Das sehe ich anders. Verantwortung, Leistung und Einfluss werden doch nicht dadurch definiert, ob man 8 Stunden arbeitet oder 10 Stunden. Sondern dadurch, ob man Entscheidungen trifft. Strategen bereiten Entscheidungen vor, aber sie treffen keine. Und umsetzen müssen sie sie auch nicht. Ein paar Bildchen, Kästchen und Zeitleisten malen und dann um 20 Uhr dem Vorstand schicken, na toll. Wie wäre es mit echter Verantwortung und Entscheidungen über Unsicherheit, also solchen, bei denen man tatsächlich Menschen den richtigen Weg zeigt, Prioritäten setzt, Dilemmata auflöst, in unsicheren Rahmenbedingungen Sicherheit für die Mannschaft schafft und mit begrenzten Resourcen Probleme löst?
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