WiWi Gast schrieb am 17.04.2019:
Ja, die steuerlichen Nachteile des thesaurierenden Fonds gibt es nicht mehr. Daher spielt der steuerliche Aspekt keine Rolle, wen man fürs Alter vorsorgt, weil sich das in den nächsten zehn, 20 Jahren eh noch drastisch ändern wird.
Ich habe die Frage anders verstanden als den Aspekt den du jetzt beantwortest. Grundsätzlich sind aus steuerlicher Sicht verschiedene Aspekte zu berücksichtigen:
a) vor 2018 musste man sich bei ausländischen thesaurierenden Fonds selbst um die Versteuerung der ausschüttungsgleichen Erträge kümmern, d.h. per Steuererklärung. Die darauf bereits gezahlte Einkommenssteuer durfte/darf bei Veräußerung gegen die dann auf den Differenz von Verkaufs- und Kaufpreis fällige Ertragssteuer verrechnet werden. Auch darum muss man sich selbst kümmern. Das wird im Allgemeinen als "steuerhässlich" bezeichnet, weil man Informationen über den Kauf jahrelang aufheben musste und vieles manuell war.
Ab 01.01.2018 erworbene Anteile haben diesen Nachteil nicht mehr, da die Besteuerung jetzt nicht mehr auf Basis der tatsächlichen thesaurierten Erträge gemäß Bescheinigung des Fonds erfolgt sondern nur noch anhand der Vorabpauschale.
b) hatten (und teilweise auch noch haben) thesaurierende Fonds einen Vorteil durch die Steuerstundung. Das heißt bei sonst identischen Bedingungen ist der Nettoertrag einer Anlage typischerweise etwas höher, wenn die Besteuerung des Wertzuwachses komplett nachgelagert erfolgt - also im Vergleich mit einer Besteuerung von ausgeschütteten Erträgen und Wiederanlage des Nettoertrages. Die Anwendung der Vorabpauschale mildert diesen Vorteil jedoch ab.
c) dieser Vorteil (b) kann auch ein gewisser Nachteil sein. Nämlich dann (wie oben schon beschrieben) wenn der Sparerfreibetrag nicht vollständig durch Kapitalerträge "verbraucht" wird. Nicht verbrauchter Sparerfreibetrag verfällt, im Gegensatz zu anderen Verrechnungstöpfen (wie Aktienverluste), am Jahresende und wird nicht ins nächste Jahr vorgetragen. Mit ausschließlich thesaurierenden Fonds verschiebt man den Großteil der Besteuerungsgrundlage in Richtung des Zeitpunktes der Veräußerung - an dem man dann bei unveränderter Gesetzgebung jedoch auch nur 801 EUR Freibetrag zur Verfügung hat. Somit zahlt man bei Veräußerung relativ mehr Steuer. Ausschüttende Fonds helfen dabei, den Freibetrag auch in den Zwischenjahren für Erträge in Anspruch zu nehmen.
Idealerweise verbraucht man den Freibetrag vollständig und legt dann die Nettoerträge wieder selbst im Fonds an. Bei der finalen Veräußerung ist dann aufgrund des höheren durchschnittlichen Einstiegspreises der rechnerische Wertzuwachs der Anlage und damit die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung geringer.
Die großen Unbekannten bei dieser Betrachtung sind Änderungen der Steuer-Gesetzgebung und wesentlicher Rahmenbedingungen:
- zukünftige Methode der Besteuerung und Steuersätze. In Erwartung eines Anstiegs der Steuersätze, wie von SPD schon ins Spiel gebracht, ist eine Steuerstundung wie bei thesaurierenden Fonds eher ungünstig.
- zukünftige Entwicklung der Vorabpauschale. Diese soll ja eine zeitnahe Besteuerung von Fonds in Höhe eines vergleichbaren risikofreien Investments gewährleisten. Aufgrund der Niedrigzinsen ist die kalkulatorische und von der Bundesbank festgelegte Rendite eines "risikofreien" Investments derzeit sehr gering. Das kann sich theoretisch zukünftig natürlich auch ändern und es werden dann höhere Prozentsätze für die Besteuerung per Vorabpauschale verwendet. I.d.R. wird eine höhere Vorabpauschale zu einer Verringerung der effektiven steuerlichen Unterschiede zwischen Ausschüttung und Thesaurierung führen (Ausnahmen bestätigen mit Sicherheit auch hier die Regel - Einzelfallbetrachtung desegen immer notwendig).
Ich bevorzuge übrigens trotzdem ausschüttende Fonds/ETFs, selbst wenn ich damit den Freibetrag inzwischen >3x überschreite.
Mit Ausschüttungen ist einfach "mehr los" auf dem Konto - gerade bei monatlich oder quartalsweise ausschüttenden Produkten. Und der Cashflow gibt eine unmittelbarer "Rückmeldung" der Anlage und erleichtert das "Rebalancing" zwischen den Anlagen. Ich weiß rational darf das keine Begründung sein, bei mir ist das eher eine "emotionale" Entscheidung.
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