WiWi Gast schrieb am 12.06.2020:
Okay, super. Vielen Dank für die ausführliche Erklärung!
Wie sieht es dann am Ende mit der Versteuerung beim Verkauf aus? Beispiel: Nehmen wir an, ich (verheiratet) würde in den IE00B3RBWM25 quartalsweise die nächsten 25 Jahre investieren. Dann hätte ich nie Steuern gezahlt, richtig?
Das kommt darauf an, wieviel du monatlich investiert, wieviel Geld dann im Fonds steckt und ob die daraus erfolgenden Ausschüttungen, die o.g. Summen überschreiten. Außerdem natürlich vorausgesetzt, du hast sonst keine anderen Kapitalerträge, also auch Zinsen, Dividenden usw. Der Pauschbetrag gilt ja für alle Kapitalerträge in Summe und nicht für jeden einzelnen Fonds separat.
Steuern werden auch fällig auf die Vorabpauschale, die jedes Jahr neu ermittelt wird. Das gilt theoretisch auch für ausschüttende ETFs, so wie der von dir angegebene, allerdings nur dann, wenn die Ausschüttungen des gesamten Jahres in Summe geringer sind, als die berechnete Vorabpauschale.
Wie sieht es dann 2045 aus, wenn ich es verkaufe am 01.04.2045 unter der Annahme, dass die Gesetzgebung die aktuelle ist.
Mein Fondswert am 01.01.2045
Mein Fondswert am 31.12.2045
Oder mein Fondswert beim Verkauf am 01.04.2045?
Also nach heutiger Steuergesetzgebung gilt natürlich der tatsächlich realisierte Gewinn bei Veräußerung. d.h. tatsächlicher Verkaufserlös am Tag des Verkaufs minus Anschaffungkosten der veräußerten Erträge. Bei Teilverkäufen gilt IMHO das FIFO-Prinzip, d.h. es wird unterstellt, dass die zuerst gekauften Anteile auch zuerst verkauft werden. Das ist bei Sparplan-ETFs besonders wichtig, denn da hat ja jeder Zugang andere Anschaffungskosten. Die Bank muss die Historie der Zugänge nachhalten, damit sie beim Verkauf die Anschaffungskosten und damit den Veräußerungsgewinn richtig ermittelt.
Nach derzeitiger Regelung unterliegen übrigens auch Veräußerungsgewinne bei Aktien-ETF einer Teilfreistellung von 30%, d.h. auch hier werden nur 70% des Veräußerungsgewinns besteuert. Sofern du irgendwann zwischen Kauf und Verkauf schonmal Vorabpauschale gezahlt hast, wird die hier auch noch Veräußerungsgewinn angerechnet - denn für diesen Teil des Gewinns hast du ja bereits Steuern gezahlt hat.
Und wie du richtig gesagt hast, unterstellt das natürlich, dass sich die Steuergesetzgebung nicht ändert, was aber leider genau alle paar Jahre der Fall ist.
Wer schon ein bisschen länger dabei wird sich erinnern:
Veräußerungsgewinne von vor dem 01.01.2009 gekauften Wertpapieren waren nach einer Haltefrist von mind. 1 Jahr komplett steuerfrei. Das gilt auch heute noch für Altbestände von Aktien, die man evtl. noch im Depot hält. Das ist mit der Einführung der Abgeltungssteuer zum 01.01.2009 gekippt worden.
Die nächste größere Änderung war dann die Investmentsteuerreform zum 01.01.2018, die uns Dinge wie Teilfreistellung und die bereits erwähnten Vorabpauschalen beschert hat. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber zum Leidwesen einiger Anleger den Bestandsschutz für Fonds, die vor dem 01.01.2009 gekauft worden sind, gekappt (wenngleich ein hoher Freibetrag von 100.000 EUR pro Anleger das ganze ein wenig kompensiert).
Alle Fonds-Anteile, die du vor dem 01.01.2018 gekauft hast, wurden am 31.12.2017 fiktiv veräußert, ein Veräußerungsgewinn ermittelt und die Steuer hierfür bis zur endgültigen Veräußerung gestundet...
Und dann die Differenz zwischen dem Wert am 01.01.2045 und 31.12.2045 / 01.04.2045? Wenn die Differenz positiv ist, versteuere ich dann diese Differenz mit 26,375 %? Was ist, wenn diese Differenz negativ ist, gar keine Steuer?!
Ich verstehe deine Frage ehrlich gesagt nicht. Warum solltest du zum 01.01.2045 irgendwelche Steuern zahlen? Steuerpflichtig sind die folgenden Vorgänge:
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Ausschüttungen - da dir die Ausschüttungen tatsächlich zufließen und das Fondsvermögen "verlassen" findet die Besteuerung einmalig zum Zeitpunkt der Auszahlung statt. Damit ist das Thema durch. In der Regel verringert sich durch die Ausschüttung der Anteilswert um den ausgeschütteten Betrag und dadurch auch dein möglicher Veräußerungsgewinn - siehe 3)
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Vorabpauschalen (einmal pro Jahr am Anfang des Folgejahres ermittelt, in der Praxis nur bei thesaurierenden Fonds relevant und nur wenn die Wertentwicklung im Vorjahr positiv war)
- Veräußerungsgewinne (nur bei tatsächlicher Veräußerung)
Solltest du dich entscheiden, die Ausschüttungen wieder anzulegen, oder auch die Bank das automatisch tun, dann wird das steuerlich wie ein ganz normaler Zugang, bspw. aus einer Sparrate, behandelt. Die Bank merkt sich die Anteilspreise des Zugangs, damit sie dir bei Veräußerung den korrekten Gewinn ermitteln kann.
Ich bin total verwirrt, wie die Besteuerung nach einer so langen Zeit einer buy and hold Strategie aussieht. Kannst du hierzu vielleicht eine Musterrechnung aufstellen? Das würde mir sehr helfen.
So schwer ist es doch nicht..
Du hast meinetwegen im Jahr 2045 1.000 Anteile. Die Veräußerung erfolgt zu 200 EUR pro Stück. Die durchschnittlichen Einstiegskosten betragen bspw. 100 EUR pro Stück. Wenn du den Bestand komplett verkaufst, beträgt dein Gewinn pro Anteil logischerweiise 200 - 100 EUR = 100 EUR. Wenn du 1.000 Anteile verkaufst beträgt dein Gesamtgewinn also ebenso logisch 1.000 x 100 EUR = 100.000 EUR.
Sollte es die Teilfreistellung und Sparerpauschbetrag dann noch so geben, wie heute, sind 30.000 EUR des Gewinns steuerfrei. Von den restlichen 70.000 EUR darfst du noch den Sparerpauschbetrag von 801 EUR abziehen; somit beträgt dein zu versteuernder Gewinn dann 69.199 EUR. Deine Bank würde dann also direkt etwa 18.000 EUR an das Finanzamt überweisen.
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