Sparbucholli schrieb am 24.04.2024:
Danke für deinen Bericht. Kannst du etwas mehr darüber erzählen, was genau deine Tätigkeiten sind? Ich finde die VWL-Inhalte meines Studiums immer super spannend, frage mich dann jedoch häufig, wie diese in der Praxis angewendet werden.
Ich hatte mittlerweile ganz verschiedene Aufgaben.
Das ist mal was Grundsätzliches, dass sich durch alle Jobs durchgezogen hat: man lernt an deutschen Unis als Volkswirt zu wenig zu schreiben, zu kommunizieren, diplomatisch zu sein und zu argumentieren. Und eine Präsentation zu machen und zu halten ist was anderes. Ich rede von Politik, Fingerspitzengefühl und Nuancen bei Formulierungen etc.
Was gerade in Habeks Wirtschaftsministerium als wunderlich gehyped wird ist aus meiner Sicht normale Politik in einer Behörde. Die findet zu einem sehr großen Teil unterhalb desjenigen statt der an der Spitze steht. Wer streicht wem was warum aus dem Vermerk? Und das politische Spiel, aber auch die an einen gerichteten Erwartungen an Ergebnisse muss man können und mitspielen können. Aber ich schweife ab.
Ein paar Jahre war ich bei einer deutschen Botschaft in fernen Ausland als Finanzattache. Da ist man - je nach Größe der Botschaft - Mädchen für alles, was mit Wirtschaft und Finanzen des Landes zu tun hat. Und da im AA fast nur Juristen rumspringen, die von Ökonomie keine, also gar keine Ahnung haben, wird man halt zu allem gefragt. Auch dort aber keine Rocket Science. Analysieren was ist, verarbeiten und so erklären, dass es Hausmeister versteht.
Weil ich sonst zu konkret werden würde, lass ich mal einige Aufgaben weg. Aber was bei allen Aufgaben wichtig war: Abstimmungen im Haus können, Politik und Argumente zusammen zu bringen, wissen wie man die eigene Agenda durchbringt. Mir hat der konzeptionelle Teil der Arbeit aber immer mehr Spaß gemacht als Analysen an sich.
Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass sehr und nur mathematisch fokussierte Ökonomen gar keine Ahnung haben, wie sie ein Thema konzeptionell angehen. Welche Fragen interessant sein können oder nützlich und für wen. Welche Fragen man besser nicht stellt etc.
Die begeistern sich für den Datensatz per se, weil den sonst keiner hat man da ganz tolle Dinge machen kann.
Es ist wichtig mathematisch gut ausgebildet zu sein. Das ist mMn notwendig aber nicht hinreichend. Am Ende ist der Job im fortgeschrittenen Berufsleben jenseits einer Führungsposition eben der zu sein, der bei anderen in Auftrag gibt, was, wie zu untersuchen ist. Dazu muss man wissen, welche Methoden es gibt und sollte das auch selbst können.
Die Kernkonpetenz ist mMn am Ende aber Fähigkeiten auf konzeptioneller Ebene zu haben und argumentativ mit wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenhängen spielen zu können.
Aus dem Grund - sehr individuelle Meinung - halte ich eine Promotion für vorteilhaft. Nicht weil man rocket science gemacht hat sondern weil man größere abstrakte Projekte konzipiert und umgesetzt hat, oft auch mal verhandeln musste (mit dem Doktorvater zB oder Kollegen denen Formulierungen nicht passen ) etc.
Hatte das alles viel mit dem Studium zu tun? Weniger direkt als man denkt (außer in Finance) aber das Studium hilft. Man kennt die „Sprache“ man kennt die Lehrbuchzusammenhänge die alle kennen und weiß daher wann man irritiert und welche Argumente allgemein akzeptiert sind auch wenn sie vorliegend Unsinn sind. Und wie gesagt ist man ökonometrisch auf der Höhe. Man kann vllt mit den Nerds nicht mithalten im Doing. Aber man versteht die und kann mit denen reden.
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