Interview zum Thema Marketing und Politik Teil 1
Aus Anlass der Bundestagswahl sprachen wir mit den Marketing-Experten Thomas Butter, Katharina Srnka und Dion Fuchs. Das Gespräch führte Marcus Ostermann.
WiWi-TReFF: Im aktuellen Bundestagswahlkampf treten die Mechanismen stark in den Vordergrund, mit denen die Parteien die Wähler überzeugen wollen. Kann man in diesem Bereich eine zunehmende Professionalisierung der Politik beobachten, oder ist lediglich das Interesse der Öffentlichkeit an diesen Mechanismen gewachsen?
Katharina J. Srnka: Zweifelsohne ist die Sensibilisierung der Öffentlichkeit gegenüber Ausmaß, Art und Stil des Kommunikationsauftritts politischer Akteure in der letzten Dekade erheblich gestiegen. Schließlich ist der Begriff Politisches Marketing in den Medien immer stärker präsent, und dem Begriff Marketing haftet, vor allem wenn es um Aspekte nicht unmittelbar ökonomischer Natur geht (das gilt insbesondere auch für social marketing und andere Bereiche des nonprofit marketing), doch irgendwie etwas Suspektes an.
Das Marketing politischer Akteure ist in den letzten Jahren auf jeden Fall enorm professioneller geworden. Dies gilt nicht nur für Wahl und Einsatz der Kommunikationsinstrumente, für die in immer stärkerem Maße Experten zu Rate gezogen werden, sondern auch im Hinblick auf die verstärkte Ausrichtung an den Wählerwünschen und -erwartungen. Letzteres ist allerdings durchaus differenziert zu betrachten: So birgt die steigende Kundenorientierung in der Politik die große Chance, eine solide Grundlage für ein relationship marketing zu schaffen. Andererseits steigt, bei einer kurzsichtigen Betrachtungsweise, aber auch die Gefahr des reinen campaigning. Genau hier setzt auch unser Beitrag Vom Wahlkampf zum POLIT-Marketing im Sammelband Moderner Wahlkampf von Thomas Berg an.
Thomas Butter: Auch ich denke, dass die Professionalität des Politischen Marketings in den letzten Jahrzehnten beträchtlich gestiegen ist. Als Gründe für diese Professionalisierung ist zunächst der Liberalisierungsprozess am Wählermarkt zu nennen. Die Anzahl der unentschlossenen Wähler kurz vor Wahlen steigt in den westeuropäischen Demokratien, d.h. es ist mehr Wählerpotenzial am Markt, um das es sich zu kämpfen lohnt.
Weiters verfügen politische Akteure über zunehmend geringeren Handlungsspielraum, da wichtige Entscheidungen zunehmend aus den Händen der Politiker auf supranationale oder wirtschaftliche Ebenen verlagert werden und Politik in hohem Maße auf Sachzwänge reagiert. Durch die dadurch geringer werdenden inhaltlichen Differenzierungsmöglichkeiten gewinnt die Differenzierung per Image und Emotion an Bedeutung. Die bereits angesprochene Bedeutung der Massenmedien verlangt ebenfalls eine mediengerechte, d.h. inhaltlich fokussierte und strategisch ausgerichtete Kommunikationspolitik.
Aus all diesen Entwicklungen ergibt sich die Notwendigkeit zu PM. Wenn wir einen historischen Blick wagen, so ist das zunehmende öffentliche Interesse an Politischem Marketing eindeutig mit der Entwicklung der modernen Medienlandschaft verbunden. Die an Umfragen, Wahlkampfstrategien und PM-Techniken orientierte Berichterstattung (im Amerikanischen treffenderweise oft als horse race-journalism bezeichnet) erfüllt eines der wichtigsten Kriterien für Nachrichtenwert: Konfliktträchtigkeit. Über den leicht nachvollziehbaren sportlichen Wettkampf der Kandidaten erschließt sich Politik eben für viele leichter als über oft komplexe Inhalte.
Obwohl daher Marketing in der Politik zunehmend thematisiert wird, gibt es Marketing im politischen Umfeld natürlich schon sehr lange - übrigens auch in nichtdemokratischen Staatsformen. Die Brot und Spiele-Politik im alten Rom kommt einem hier ebenso in den Sinn wie etwa auch die Stilisierung König Ludwigs XIV. zum Sonnenkönig, der so seine Macht zu legitimieren versuchte. Denkt man etwa an eine Leni Riefenstahl, so zeigt sich, dass auch die Macht der Bilder im politischen Umfeld schon früh erkannt wurde. 1952 wurden dann in den USA schon die ersten Fernsehspots ausgestrahlt. Letztlich begann auch mit der Entwicklung der elektronischen Massenmedien das, was wir heute oft im Sprachgebrauch als Politisches Marketing verstehen.
Dion Fuchs: Die Professionalisierung der Politik ist auf jeden Fall eng mit einem durch sozialen Wandel (Abnahme der Bindung von Wählern an Parteien, Abwendung von Politik, alternative nicht-parteipolitische bürgerliche Beteiligungsformen) und technologische Entwicklungen (Dominanz der Politikvermittlung über das Fernsehen, Verbreitung des Internets) verschärften politischen Wettbewerbsumfeld verbunden. Sie zeigt sich insbesondere auch im zunehmenden Einfluss von externen Wahlkampfmanagern, Demoskopen oder Werbe- bzw. PR-Agenturen, die die Wahlkampfführung von Parteien und Kandidaten immer mehr beeinflussen bzw. bestimmen, zumindest aber unterstützen. Weitere Stichworte in diesem Zusammenhang sind Kampagnen- und Kommunikationsfähigkeit, Spendenmanagement, Online- sowie Echtzeitwahlkampf.
Was ich aber Bezug nehmend auf Ihre Frage grundsätzlich sagen wollte: Konflikte, Strategien, Macht und Personen besitzen für die journalistischen Darstellungsmuster der massenmedialen Wahlkampfberichterstattung und -kommentierung traditionell einen hohen Stellen- bzw. Nachrichtenwert. Deshalb verwundert es nicht, wenn gerade diese Aspekte im Wahlkampf in den Medien bevorzugt thematisiert werden. Gleichzeitig ist in Deutschland seit einiger Zeit unbestritten eine kontinuierliche - häufig als Amerikanisierung bezeichnete - Professionalisierung der Akteure im politischen Wettbewerb zu verzeichnen. Dabei soll insbesondere die Wahlkampfführung - aber zunehmend auch die öffentliche Amtsausübung im Sinne eines permanent campaigning - durch den systematischen Einsatz von Marketingmethoden und -instrumenten wirkungsvoller und effizienter gestaltet werden.
Die Bedeutung der Professionalisierung der Wahlkampfführung in der Praxis zeigt sich aber nicht nur in den Massenmedien, sondern auch am gestiegenen Interesse der Wissenschaft. So haben die Themen Politisches Marketing und Wahlkampfmanagement seit einiger Zeit besondere Konjunktur in der wissenschaftlichen Diskussion, wobei die Themen sowohl aus Sicht der politischen Akteure als auch aus Sicht der Politik bzw. Gesellschaft beleuchtet werden.
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