WiWi Gast schrieb am 19.02.2022:
Ich bin als Ingenieur seit über 20 Jahren bei Bayer. Als Großkonzern konnte es sich Bayer damals, und ich denke bestimmt auch noch heute, leisten, nur sehr gute Absolventen zu einem Interview einzuladen und auszuwählen. Diese Absolventen zeichnen sich durch gute bis sehr gute Noten, aber auch durch eine hohe soziale Kompetenz aus.
Die Einstellungsinterviews sind durchaus umfangreich. Bei mir hat es einen kompletten Tag gedauert inklusive einem Vortrag, den ich halten musste. Ich möchte damit sagen, dass meines Erachtens der durchschnittliche Mitarbeiter, der bei Bayer angestellt wird, besser ist als seine Kommilitonen. Also verdient ein solcher Mitarbeiter dann auch ein höheres Gehalt im Vergleich zu diesen.
Man sollte sich überhaupt nicht die Frage stellen, ob es besser tariflich ist oder man mit einer Eingruppierung eines LM 1.1 anfängt. Hier sollte man der Bayer AG sofort signalisieren, dass man sich selbstverständlich als eine spätere Führungskraft sieht und natürlich LM 1.1 vorzieht und nicht in den Tarifbereich will. Da kommt es also darauf an, welche Signale man sendet. Aber ich glaube gar nicht, dass es zu so einer Diskussion während einer Bewerbung kommen wird. Wichtig für die Karriere bei Bayer ist, dass man in den ersten Jahren von seinem Vorgesetzten und weiteren Umfeld als ein Mitarbeiter eingestuft wird, der das Potenzial hat weiter entwickelt zu werden.
Dann wird man alle paar Jahre seine Aufgabe wechseln und dabei mehr Verantwortung bekommen und auch gleichzeitig in den Gehaltsbändern hochgestuft. In der Praxis sieht es meines Erachtens tatsächlich so aus, dass nur sehr wenige Mitarbeiter diese Bandmitte erreichen. Ist ein Mitarbeiter gut, wird er meistens bei einem Positionswechsel in das nächste Band befördert, bevor er überhaupt die Zeit hatte, bis zur Bandmitte entwickelt zu werden. Das trifft dann tatsächlich eher auf die Mitarbeiter zu, die schon sehr lange auf der selben Position sind und einen guten Job machen, Aber nicht weiter entwickelt werden. Das sind dann durchaus zehn Jahre und mehr bis zur Bandmitte, wenn überhaupt!
Ansonsten ist vieles richtig was hier schon geschrieben worden ist wie zum Beispiel:
Bayer entwickelt gerne lokale internationale Talente. Diese sind hungrig, engagiert und schlau. Da sollte man als Deutscher nicht hochnäsig sein. Demut und Anerkennung und internationale Teamwork ist da eher angebracht.
Beste Chancen hat man auch als Frau, da es tatsächlich nicht so viele Frauen im Konzern gibt, die dann weiter entwickelt werden können. D.h. wenn man als Frau gute Leistungen bringt, hat man gute Karrierechancen. Ist bestimmt in jedem großen Konzern, der eher in techniklastigen Bereich unterwegs ist, so.
Ich selbst bin mit LM 1.1 als Dipl. Ing eingestiegen und bin nach ca 25 Jahren nun LM3. Immer weit entfernt von der Bandmitte. Evtl. Kommt noch ein Schritt zu LM 4.1, aber da rechne Ich nicht mehr mit
Fun fact am Rande. Meine Vorgesetzten, die mich mal als Potenzial eingestuft haben und meine Fürsprecher waren, sind nun alle mittlerweile in Rente oder einfach weg. D.h. nun werden eher andere Talente, die jünger sind, entwickelt.
Mit allen Höhen und Tiefen würde ich die Bayer AG als Arbeitgeber empfehlen, insbesondere da ich glaube, dass Pharma und Crop Science langfristig sehr gute Chancen bietet.
LG
Lass‘ Dich doch nicht triggern. Klar hast Du insgesamt Recht, aber diese Diskussion über Spitzengehälter zeigt halt auch, dass Deutschland vom Nettolohn her betrachtet durch die hohe Abgabenlast und die kalte Progression über alle Gehaltsklassen durchaus noch Luft nach oben hat. Wirklich reich wird man als Angestellter nur in extremsten Ausnahmefällen, da muss es schon eher eine erfolgreiche Firmengründung sein, die Skalierung über passives Einkommen ermöglicht. Hat durch die mögliche Provinzialität weniger Glamour als die Karriere als internationaler Investmentzocker, Unternehmensbeschwafler oder Corporate Fat Cat, aber der eigene Geldspeicherinhalt zeigt am Ende dann doch eine tiefe Wahrheit.
Davon mal abgesehen muss man nun nicht denken, dass die oben beschriebenen Bayer AT Positionen alle nur an Deutsche gehen. Bayer hat seinen Sitz in Deutschland, ist aber zu 75% in Auslandsbesitz und macht noch weit mehr seines Umsatzes dort. Natürlich spiegelt sich das gedämpft auch in globalen Funktionen wider, u.U. auch mit Arbeitsplatz an einem der zahlreichen ausländischen Standorte. Wenn sich nun jemand für den Größten hält, der unbedingt ein Höchsteinstiegsgehalt bekommen muss, nur weil er sich gerade mal durch‘s Studium durchgenuckelt hat, dem sei gesagt, dass er sich im Bayer-AT-Bereich abhängig von seiner Tätigkeit auch gegen hochengagierte ausländische Talente durchsetzen muss.
Aber wem diese AT-Gehälter zu niedrig sind, dem sei gesagt, dass es noch einen weiteren Weg gibt, die Einkommensaussichten angenehmer zu gestalten: Ein Gehalt mag ja netto knapp erscheinen, aber zwei solche Gehälter können schon ganz angenehm sein, zumal sich die Kosten längst nicht verdoppeln. Deshalb Augen auf bei der Partnerwahl. ;)
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