WiWi Gast schrieb am 09.04.2021:
Der EU-Kaufkraftindex vom Elsass liegt unterhalb von Schleswig-Holstein und unterhalb der Region Leipzig (nicht die Stadt Leipzig, sondern die gesamte Region inkl. Döbeln, Torgau, Oschatz usw.) und knapp oberhalb der Region Chemnitz (Aue, Vogtland, Zwickau, Annaberg) sowie knapp oberhalb von Thüringen.
Vergleichbar nach EU-Kaufkraftindex sind La Rioja in Spanien oder die Provinz Limburg in Belgien.
Dementsprechend sind die Hauspreise dort eben auch vergleichbar mit der ostdeutschen Provinz bzw. strukturschwachen Gebieten in anderen EU-Ländern.
Das ist kein Life Hack, sondern normale Marktwirtschaft.
Das Elsass hat 1,9 Mio. Einwohner, davon pendeln 33.000 Einwohner die Schweiz. Die Quote ist 1,7%. Wenn es so ein krasser No-Brainer wäre, würden das wohl mehr Leute tun.
Dass man an Ort A arbeitet und an Ort B wohnt, war schon immer möglich. Es gibt zahlreiche spezielle Beratungsfirmen, bei welchen man seinen Wohnsitz frei in Deutschland wählen kann. Ich kenne Firmen, welche maximal eine Woche Präsenz beim Kunden pro Monat einfordern und damit sind 3 bis 4 Tage gemeint. Der Rest im Home Office. Und aktuell ist 100% Home Office. Das sind z.B. zahlreiche SAP-Berater, aber auch spezialisierte Beratungen für Mathematiker, Physiker usw.
Gehälter über 100k möglich und trotzdem kannst du auf einem Bauernhof in Thüringen für 50k wohnen, bei einer "Dienstreise" im Monat.
Die Preise im Elsass sind normal und vergleichbar mit Aue, Annaberg, Döbeln, Suhl, Ilmenau, Gera, Sömmerda, Hohenwestedt und Co. - an diesen Preisen ist nichts ungewöhnlich.
Du scheinst mir ja auch etwas älter zu sein, lieber D-CH-F - aber die du solltest auch verstehen, dass die junge Generation ganz andere Präferenzen hat als du, der vor xx Jahren in diese Region umgezogen ist. Für viele junge Menschen ist der Umzug von Hamburg ins Elsass nicht besser als der Umzug von Hamburg nach Sömmerda oder Görlitz. Es ist fernab der eigenen Heimat und es ist fernab jeglicher Metropole. Es ist nicht städtisch (ab 500k EW - Basel zählt für die meisten jungen Menschen nicht wirklich als Metropole und wenn überhaupt, dann möchte man in der Stadt wohnen, in welcher man arbeitet und nicht 15 Minuten außerhalb).
Studien haben ergeben, dass junge Menschen bevorzugt im Umkreis (50, 100, 150 km) umziehen, und zwar in eine Stadt oder Metropole (200k-300k EW als Minimum, eher 500k aufwärts). Das ist das genaue Gegenteil vom ländlichen Elsass.
P.S. ich kenne auch einige verbeamtete Lehrer-Paare. Die könnten jederzeit im Bundesland in eine sehr günstige Gegend ziehen, wollten aber alle in die Großstadt und haben ihre Häuser am Stadtrand. Da war wirklich die Wahl 150k Haus in der Heimat oder 800k Haus in der nächsten Großstadt am Stadtrand und die Wahl fiel immer auf die nächste Großstadt. Auch die wollen nicht in strukturschwache Regionen wie das Elsass ziehen.
Hast du die Studien zum Umzugsverhalten? Das würde mich mal interessieren. Vor allem unter welchen Umständen sie so umziehen wollen. Dass die meisten in einem 150 km Umkreis bleiben wollen glaube ich sofort. Nur bei den Metropolen bin ich mir da nicht so sicher.
Das es viele junge Menschen in die Metropolen zieht ist ja zu sehen. Aber ziehen sie da hin, bzw. geben an dahin zu wollen, weil sie in einer Metropole leben wollen, oder wegen anderer äußerer Umstände.
Wenn ich allein in meinem, nicht repräsentativen, Freundeskreis gucke, sind fast alle nach dem Studium in eine Metropole gegangen (München, Frankfurt, Köln, Berlin). Und die meisten haben auch vorher gesagt, dass sie das tun wollen. Das lag aber bei keinem daran, dass sie unbedingt in einer Metropole leben wollten, sondern daran dass sie wussten, dass sie dorthin müssen weil es da die guten Jobs gibt.
Sicher gibt es auch viele, die wirklich in einer Metropole leben wollen. Aber ich glaube es gibt auch sehr viele, die es eher wegen der äußeren Zwänge tun, und die, wenn es mehr DAX-Zentralen und ähnliche Optionen in 200k-Städen gäbe, sofort dabei wären. Oder eben bei sowas wie Basel/Elsass.
Ich weiß nicht ob ich jetzt mit 30 noch zur jungen Generation gezählt werde, aber wenn Basel nicht so weit von meiner Heimat weg wäre, ich wäre bei so einem Modell mit Arbeit in Basel, wohnen 30 min entfernt im Elsass sofort dabei.
Ich würde auch jetzt gerne 30 min entfernt ländlich wohnen, aber das geht nicht, weil in 30 min Umkreis immer noch die Metropolenpreise verlangt werden. So Brüche funktionieren wahrscheinlich nur, wenn eine Grenze dazwischen ist.
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